Kategorie: Kinder- & Jugendbuch

Nebenwirkungen des Lebens

Nebenwirkungen des Lebens - No & ich
Nebenwirkungen des Lebens – No & ich

„Ich dachte an die Nebenwirkungen des Lebens, die auf keinem Beipackzettel, in keiner Gebrauchsanweisung genannt werden“

Lou, ein 13-jähriges Mädchen. Etwas zu klein geraten aber dafür mit einem IQ von 160 ausgestattet, stellt sie sich immer wieder dem Leben. Auch nachdem ihre Schwester gestorben ist. Auch nachdem sich die Mutter abgeschottet hat. Sie ist sehr einsam, doch der Drang die Welt zu verändern, bleibt.

Viele verschiedene Experimente, wie zum Beispiel das Zeitmessen bis der Mundabdruck auf dem beschlagenen Spiegel verwindet oder ein Test wie widerstandsfähig ein Haargummi im Vergleich zu einem Schnippsgummi ist, gehörten bisher zu ihrem Hobby.

Lou

Für ein Referat in der Schule hat sie sich nun ein Thema über Obdachlose ausgesucht. Sie möchte eine Obdachlose interviewen und schon bald läuft ihr No über den Weg. No, ein Mädchen mit dreckigen Klamotten, abgekauten Fingernägeln, ohne Geld, ohne Familie, ohne alles und das mit gerade mal 18 Jahren.
Lou beginnt sich mit ihr regelmäßig zu treffen und spendiert ihr als Gegenleistung für das Interview immer einen Besuch im Cafe.
Eine Freundschaft beginnt und Lou schafft es ihre Eltern zu überzeugen, No bei sich aufzunehmen.

Nun ist Lou keine richtige Einzelgängerin mehr, doch auch jetzt ist nicht jeder Tag voller Sonnenschein. Um sich abzulenken wendet sie sich weiter ihren häuslichen Experimenten zu oder denkt an die erste Annäherung mit Lucas.

„…Beim Küssen gibt es keine vorgeschriebene Richtung, wir sind doch keine Waschmaschinen!“

No & ich
No & ich

No versucht nun den Weg aus ihrer Welt in die von Lou zu finden, doch als sie fast fest auf dem Boden steht, beginnt alles erneut ins Schwanken zu kommen. Geschworenes Vertrauen und Zusammenhalt werden auf die Probe gestellt.

No & ich – ein fesselndes Buch was sehr tief berührt. Delphine de Vigan schaffe es, sich in eine von außen kindliche aber innerlich sehr reife Teenagerin zu versetzen. Sehr einfühlsam beschreibt sie die Gedankenwelten der beiden Protagonistinnen und trifft dabei den empfindlichsten Nerv des Lesers. Viele Textstellen müssen einfach mehrmals gelesen werden, weil sie so schön sind und wiederum auch so ergreifend.

Das Buch ist für mich und sicher für viele andere, die es gelesen haben, ein Highlight aus dem Jahr 2009 und sollte auf jede Bücherwunschliste aufgenommen werden.

Mehr Vigan gefällig? Kein Problem: Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin

Eure
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Die Einsamkeit der Primzahlen ~ Paolo Giordano

Die Einsamkeit der Primzahlen ~ Paolo Giordano
Die Einsamkeit der Primzahlen ~ Paolo Giordano

Ein bedrückendes Gefühl stellt sich beim Lesen der ersten Seiten bei mir ein. Diese handeln von Alice Della Rocca. Sie hasst die Skischule, aber ihr Vater möchte, dass sie dahin geht. Jeden Tag hat sie Angst auf den Berg hinauf zu fahren. Ihre Angst geht soweit, dass sie ihre Blase nicht kontrollieren kann und sich heimlich von der Gruppe abgrenzt, um das Unaufhaltbare heimlich zu verrichten. Doch an diesem Tag ist es schlimmer als sonst und Alice mag nicht zur Gruppe zurückkehren. Sie versucht alleine den Hang hinunter zu fahren, doch die schlechte Sicht und die verbotene einsame Skipiste bringen sie zum Stürzen.

Wie ein Engel im Schnee bleibt Alice liegen. Dieser Tag verändert Alice und das Verhältnis zu ihrem Vater, indem sie das Vertrauen verliert und sich in ihre Einsamkeit zurückzieht.

Mattia hat eine Zwillingsschwester, die allerdings das komplette Gegenteil von ihm ist. Er ist schlau und entwickelt sich stetig weiter, seine Schwester hat eine Behinderung und kann sich nicht artikulieren. Beide sind dadurch zu Außenseitern geworden und werden von den Mitschülern eher gemieden. Mattia erhält eine Einladung zu einer Geburtstagsfeier, auf die er seine Schwester mitnehmen muss. Obwohl er weiß, dass er nur eingeladen wurde, weil die Eltern des Mitschülers das wollten, geht er hin. Für ihn selbst schon ein schwerer Schritt, das allerdings seine Schwester ihn noch begleiten soll, ist eine zu große Belastung für ihn. Er weiß sich nicht anders zu helfen und lässt sie in einem Park für eine Zeit lang alleine, um sie dann unbemerkt wieder abzuholen. Eine fatale Entscheidung, denn sie ist nicht mehr dort, wo sie bleiben sollte.

Die Einsamkeit der Primzahlen ~ Paolo Giordano
Die Einsamkeit der Primzahlen ~ Paolo Giordano

Sieben Jahre später treffen sich Alice und Mattia auf einem Gymnasium. Beide scheinen magisch voneinander angezogen zu werden. Beide sind Außenseiter, ihre Mitschüler ignorieren sie oder treiben böse Spiele mit ihnen. Vor allem Alice ist vor ihren angeblichen Freundinnen nicht sicher und wird immer wieder ausgenutzt. Wie zwei Primzahlenzwillinge kommen sich die beiden vor und auch wenn sie nicht allzu viel miteinander reden, ist die Verbindung sehr stark. Keinen anderen als Mattia würde Alice bitten, mit einem Messer ihr Tattoo zu entfernen. Im Gegenzug gibt Mattia ihr seinen innerlichen Schmerz preis und vertraut sich ihr an.

Doch die Schule dauert nicht ewig an und es läuft draus hinaus, dass sich die Wege der beiden trennen. Es fehlt beiden an Mut, sich füreinander zu entscheiden und beide müssen sich der Zukunft stellen. Beide weiterhin einsam, ohne den anderen. Mattia flüchtet sich in die Welt der Zahlen, in der er sich sicher fühlt.

Alice flüchtet in sich, zieht sich in ihren Körper zurück und geht mit diesem so um, wie sie es weiterhin für richtig hält. Doch diese Einsamkeit kann einige Zeit dauern, aber nicht über Jahre so weiter gehen.

Die Einsamkeit der Primzahlen ~ Paolo Giordano
Die Einsamkeit der Primzahlen ~ Paolo Giordano

Der italienische Autor Paolo Giordano hat in seinem Buch Die Einsamkeit der Primzahlen (Karl Blessing) zwei sensible Protagonisten geschaffen, die sich lieber Schmerz zufügen als in eine vielleicht unbeschwerte Zukunft zu starten. Dem Leser nimmt er durch seine poetisch tiefgreifenden Sätzen und Schilderungen die Schutzhülle und macht ihn nackt. Die Leserseele liegt offen und wird dadurch empfindlich, angreifbar und mit Worten erschüttert. Man taucht in die reale Welt der Außenseiter ein, möchte beide anschreien und in eine Welt führen, die ganz anders ist. Eine Welt, in der es Geborgenheit gibt, in der es Freunde gibt und Menschen, denen man vertrauen und die man lieben kann.

Das Buch ist überzogen mit Traurigkeit, Melancholie und den Traumata der beiden Handelnden. Bis zum Ende halte ich meine ausgestreckten Hände zu beiden hin, bis mir alles schmerzt und ich sie zurückziehen muss. Ich muss das Buch zuklappen, muss beide alleine lassen. Das Ende und die sich etwas in die Länge ziehenden letzten Seite verdauen und mir einen Moment der Pause gönnen, eine Art Einsamkeit finden, in der ich über Alice und Mattia nachdenken kann.

Bewegend. Bedrückend. Beklemmend. Berührend. Besonders.

Eure
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Ein besonderer Junge ~ Philippe Grimbert

Ein besonderer Junge ~ Philippe Grimbert
Ein besonderer Junge ~ Philippe Grimbert

Ohne zu wissen, um was es ganz genau in dem Roman geht, musste ich ihn einfach haben. Ja, dass passiert auch. Der Junge am Wasser auf dem Cover und der Titel „Ein besonderer Junge“ haben mich einfach magisch angezogen.

Und so bin ich ins Paris Anfang der siebziger Jahre zurück gereist, um Louis zu treffen. Louis ist kein junger Mann, wie man ihn sich vielleicht vorstellen würde. Er bezeichnet sich selbst als etwas anders, ist eher verschlossen als aufgeschlossen und geht seinen eigenen, ziemlich ruhigen Weg. Er hatte noch keine Freundin, ist schüchtern und mag keinen großen Trubel um sicher herum, zudem hat er sowieso keine Freunde, mit denen er etwas unternehmen könnte.

Der große Schweiger wird Louis von seinen Eltern genannt. Ob er sein Jurastudium schaffen wird, weiß er nicht, allerdings weiß er genau, dass er dringend Geld braucht, um es zu finanzieren. Ein Stellenangebot spricht ihn sofort an, viel mehr die darin enthaltenen Wörter „besonderen Jugendlichen“, da er sich selbst so fühlt.

„Suche motivierten jungen Mann für die Betreuung eines besonderen Jugendlichen während eines Aufenthalts mit seiner Mutter in Horville (Calvados).“

Louis greift kurz entschlossen zum Telefon und erreicht den Vater des besonderen Jungen namens Iannis. Die Familie hatte wohl schon einige Betreuer eingestellt, doch alle haben nach kurzer Zeit die Flucht ergriffen. Aus diesem Grund zögern die Eltern nicht und Louis macht sich auf die Reise nach Horville.

Horville, der kleine Ort am Strand in der Normandie war ein zusätzlicher Grund den Job anzunehmen, da Louis viel Zeit dort verbrachte. Erinnerungen werden in ihm wach, wenn er an die vergangene Zeit, die vergangenen Urlaubsausflüge denkt.

Die erste Begegnung mit Iannis ist nicht einfach und auch die weiteren gemeinsamen Tage werden zur speziellen Herausforderung. Iannis Mutter Helena zieht sich ziemlich schnell in ihre eigene Welt zurück. Sie ist froh endlich wieder jemanden zu haben, der ihr die „Last“ Iannis abnimmt. Sie möchte schreiben, sich ihren erotischen Romanen hingeben und mit einem gutaussehenden jungen Mann im Haus, gelingt ihr das umso besser.

Louis hingegen ist schnell auf sich allein gestellt und versucht sich auf Iannis und seine unterschiedlichen Verhaltensmuster einzustellen. Iannis redet nicht, obwohl er bereits 16 Jahre ist. Er kann nicht schreiben, er ist immer noch ein Bettnässer, er ist verschlossen und in sich gekehrt. Niemanden lässt Iannis an sich heran. Trotz seiner Art ist er nicht dumm, er nimmt alles in sich auf und verarbeitet diese Dinge auf seine Weise.

Ein besonderer Junge ~ Philippe Grimbert
Ein besonderer Junge ~ Philippe Grimbert

Louis erkennt in Iannis, dass er genauso besonders ist wie er. Er unterhält sich mit ihm, erzählt ihm von seiner Vergangenheit und unternimmt viel mit ihm, um Helena viel Ruhe zu ermöglichen.

Seinen Job hat sich Louis anfangs nicht so anstrengend vorgestellt und auch hätte er es sich nicht träumen lassen, dass Iannis Mutter Helena mit ihm flirtet, ihn verführen will.

Verlief Louis sein Leben wie ein ruhiger See auf dem kein Lüftchen wehte, kommt nun auf ihn eine hohe Welle zu, die ihn verändert. Aus schwarz-weiß, wird farbig, aus farbig wird schwarz-weiß.

Der Griff zum Roman von Philippe Grimbert, war der richtige, da ich genau diese Stimmung suchte, jemand anderen treffen wollte, eine tiefe Geschichte mit vielen Besonderheiten brauchte. Louis wie auch Iannis sind besonders, völlig anders und genau die Tatsache, macht das Buch und die Zeit in der Normandie so außergewöhnlich.

Iannis hat autistische Züge und Louis hat es nicht leicht, mit ihm klar zukommen. In seiner zweisamen Einsamkeit blickt Louis auf sich selbst zurück, auf seine damalige Zeit mit seinem damaligen besten Freund. Diese Erinnerungen ziehen an seinem inneren Auge vorbei, aber unterbewusst, beginnt er darüber zu reden, Iannis zu erzählen.

Iannis ist in seiner Welt eingeschlossen, ohne spürbar aus seiner Welt heraus zu kommen. Und doch bekommt Iannis mehr mit, als Louis oder seine Eltern zu ahnen scheinen. Die Zeit rückt näher, Louis seine Zeit endet bald, da ein Heimplatz für Iannis frei wird. Beide Jungen haben ein festes, transparentes Band untereinander geknüpft, ein besonderes Band des Zusammenhaltes und fällen eine besondere Entscheidung.

Mehr als bildlich schreibt Grimbert und lässt seine zwei Hauptprotagonisten schnell ans Herz wachsen. Sie sind so besonders, dass sie sich im Leserkopf fest verankern. Grimbert lässt tief in die Seelen der beiden blicken und macht unsichtbare Dinge sichtbar für den Leser, die er vielleicht so nie wahrgenommen hätte.

Ein berührendes, besonderes Buch voller bildlicher, teils poetischer Klarsicht.

Eure
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Sky – was geht?

Sky - was guckst du?
Sky – was guckst du?

Kolumne 22/2016: #Sky

Zum Sonntag gibt es heute mal wieder einen Sonntagsbericht. Sky und Binea? Das passt ja genauso zusammen, wie Sommer und Skianzug. Wer mich kennt, der weiß, dass ich kein Mensch bin, der unbedingt einen Fernseher braucht und Sky ist ja dann wohl total überflüssig. Nunja, Dynamo Dresden spielt in der neuen Saison nun in der 2. Bundesliga und wenn ich mal den Fernseher anschalte, dann wegen Fußball. Aber ich bin ja nicht alleine und mich stört es wenig, wenn beim Lesen im Hintergrund die Flimmerkiste flimmert. „Also, Hallo Sky! Ich brauche dich nicht, aber von mir aus kannst du bleiben.“

Der Receiver hat mich gleich gestört, ich mag keine zusätzlichen Staubfänger, aber gut, wenn er dazu gehört und sein muss – dann aber dynamisch – dafür gibt es das Ding ja in der Optik. Von mir aus – besser als langweilig schwarz oder silber.

Ich gucke selten Filme, wenn dann Buchverfilmungen und ich gucke überhaupt keine Serien, Staffeln und so einen Sch…wie ich immer gern sage. Aber so richtig stimmt das nicht, wie ich recht schnell selbst feststellte. Da war doch was und es nennt sich: Game of Thrones.

Waaaassss? Wir können das jetzt gucken? Echt? Wie genial ist das denn. Da gab es neben dem fußballerischen Guckeffekt gleich den ersten Pluspunkt, aber das war es dann auch schon. Das andere Seriengedönse und sowas grauenvolles wie Akte X – fragt mich mal, woher ich die Abneigung habe, aber ich finde die Darsteller schon irgendwie keine Ahnung – muss ich mir nicht geben. Ich ergucke mir einfach nichts an den Serien. Ich bin eben ein Buchkind.

Aber das Sky-Menü – die große Auswahl an Filmen habe ich mir mal mit angeguckt, ich muss ja auch etwas informiert sein und dann kam der Aufschrei „Waaassss? The Returned?“ Ist ja irre – das gibt es nicht nur als Buch? Ach stimmt, da war ja was im Gespräch auf der Buchmesse in Leipzig zwischen Arndt und Carina vom Loewe Verlag/Script 5. Ich habe gleich abgeblockt, als ich über den Inhalt erfuhr. Schon das Cover schreckte mich im Vorfeld ab.

Sky - The Returned
Sky – The Returned

Schon wenn ich den Jungen auf dem Cover sehe – ist der nicht irgendwie gruselig? Ich bekomm schon beim Anblick Gänsehaut und wenn ich dann schon höre, dass er irgendwie immer da ist und nicht redet und das in den Handlungsort verstorbene Personen zurückkehren und ihr altes Leben einfach wieder aufnehmen, aufnehmen wollen, dann schüttelt es mich. Urgs…

Aber die Serie – hm…wäre mal eine Überlegung wert. Lesen werde ich das Buch auf keinen Fall. Ich mag schon alleine das Buch wegen des Covers nicht hier stehen haben wollen. Außerdem bin ich mit dem Inhalt, dank Arndts Worten recht vertraut und auch seinen Artikel zum Buch habe ich gelesen. Ihr nicht? Dann lest mal hier, was er schreibt, wenn er sagt: Idylle war gestern.

Gruselig oder? Zumindestens für mich dann doch nicht gruselig genug, denn meine Neugierde wuchs und wuchs und ihr könnt euch sicher denken, was passierte. Richtig, die Buchtante Binea, die das Cover grausig findet und nicht wirklich gern mysteriöse Horrorgeschichten schaut, hat es getan. Und ist nun infiziert und süchtig und kann es kaum erwarten, die zweite Folge der ersten Staffel zu sehen. Es wird wohl direkt heute Abend weiter gehen.

Wenn ihr im Laufe der Woche nichts von mir hört und lest und überhaupt, dann wisst ihr, dass ich eingeschlossen in der Wohnung und eingemummelt in der Decke auf dem Sofa sitze und mit stierendem Blick und an den Fingern nagend dort bin, wo die Vergangenheit zurück kehrt…

Kennt ihr „The Returned„? Wohnt Sky auch bei euch? Welche Serien guckt ihr?

Eure

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So wüst und schön sah ich noch keinen Tag ~ Elizabeth LaBan

So wüst und schön sah ich noch keinen Tag ~ Elizabeth LaBan
So wüst und schön sah ich noch keinen Tag ~ Elizabeth LaBan

Zwei Menschen im Schnee…

So wüst und schön sah ich noch keinen Tag (Hanser Literaturverlage) von Elizabeth LaBan habe ich mir vor ein paar Wochen an einem Freitagabend gekauft. Ich bin durch die Jugendbuchregale gestöbert und meine Augen sind einfach am Cover und am Titel kleben geblieben. Lustkäufe sind immer gut und meist entpuppen sich diese immer als absolute Volltreffer. Als ich den Klappentext kurz überflog, war mir klar – kaufen, kaufen, kaufen, egal wie viele Bücher daheim warten. Das Buch brauchst du – so meine Gedanken.

Immer den Spuren im Schnee nach – den zwei Jugendlichen auf dem Cover hinterher. Das Tor steht offen, also los…

Mit Duncan bin ich durch den Torbogen hindurch. Duncan ist gerade in New York angekommen, genauer gesagt, in der Irving School. Er ist nun Abgänger und muss sich der Jahresarbeit stellen. Aber nicht nur diese beschäftigt ihn, sondern auch die Zimmerfrage, denn die letzten des Jahrgangs leben in einem Haus im Innenhof und bekommen ein Zimmer zugeteilt.

Als er sein Zimmer findet, ist es nicht sein Traumzimmer, aber er weiß, wer dort vor ihm gewohnt hat und er ist gespannt, was er ihm hinterlassen hat. Der Schatz entpuppt sich als CD Stapel. Klingt nicht berauschend, aber der Brief von Tim weckt Duncans Neugierde und es dauert nicht lange, bis er die erste CD abspielt…

„Duncan hatte Tim immer seltsam gefunden, und neben allem anderen hatte es auch Gerüchte gegeben, die sich um Tim und die hübsche Vanessa rankten. Die hatten sich zwar nie bestätigt, aber nach den dramatischen Ereignissen zu wilden Spekulationen Anlass gegeben.“ (Seite 48)

Ein offenes Tor…

So wüst und schön sah ich noch keinen Tag ~ Elizabeth LaBan
So wüst und schön sah ich noch keinen Tag ~ Elizabeth LaBan

Spuren im Schnee…

Play…

Tim ist auf dem Weg zur High School, doch auf dem Flughafen ist vorläufiges Ende, denn das Schneechaos verhindert das Weiterfliegen. Während seine Mutter mit ihrem neuen Mann in Italien heimisch wird, sitzt er in der Wartehalle. Ein Mädchen gerät in sein Blickfeld. Vanessa. Tims Mutter bekommt ein Hotelzimmer organisiert und Vanessa verbringt mit ihm die Nacht dort. Doch Vanessa kennt Tims Reiseziel nicht. Tim kennt allerdings Vanessas Ziel und Tim kennt ihren Freund…

„Er hatte den Moment miterlebt, als die Dinge kippten, als aus etwas Schönem etwas Schreckliches wurde. … Er musste wissen, was zu jener schrecklichen Nacht geführt hatte.“ (Seite 54)

Stop…

Duncan stoppt die CD und ruft damit das Auftauchen hervor. Nein – nicht anhalten. Hey Duncan, mach die CD wieder an, los…

Gebannt lauschen wir gemeinsam mit Duncan, was Tim passiert. Er ist Albino und erzählt, was damals geschah. Duncan soll es wissen. Vanessa soll es wissen. Sie sollen beide alles wissen, vor allem seine Gedanken und Empfindungen. Nur er und sie sind im Besitz der CDs. Und wir – wir Leser.

Die Spannung steigt von Seite zu Seite und Autorin Elizabeth LaBan hält uns zwischen ihren Worten gefangen. Wie gern würden wir alle CDs komplett hören, denn wir hängen an Tims Lippen. Aber ganz richtig ist das auch nicht, denn im realen Leben, in Duncans Welt, ist es keinesfalls langweilig.

„Das Wort Tragweite brachte ihn dazu, alles kritisch zu betrachten.“ (Seite 189)

Elizabeth LaBan hat genau das richtige Gefühl, ihre Leser im Buch zu halten. Sie lässt uns Leser nicht kapitelweise hin und her springen. Sie gibt uns die lange Leine, damit wir jeweils tief tauchen können. Sie setzt uns neben Duncan und lässt uns völlig in Tims Leben abschweifen. Jede Unterbrechung von Tims Erzählung lässt uns aufschrecken und spannt in uns den Bogen der Neugierde.

Ein offenes Tor…

So wüst und schön sah ich noch keinen Tag ~ Elizabeth LaBan
So wüst und schön sah ich noch keinen Tag ~ Elizabeth LaBan

Spuren im Schnee…

Was ist Tim damals passiert? Wie geht es Vanessa? Warum hat ausgerechnet Duncan die CDs?

Fragen, auf die es Antworten gibt. Antworten die uns erschüttern, die uns befriedigen und Antworten, die uns sprachlos machen, die in uns die pure Emotionalität wach küssen und noch viel mehr.

Mein inneres Buchgespür hat den Buchdeckel auf den Lesezeichenkopf getroffen. Der Lustkauf war ein Volltreffer, denn ich habe das Buch förmlich gefressen. Dieses Buch hat mir erneut gezeigt, wie tief Jugendliteratur ist. Genau diese Art Roman ist es, die mein Lesen bereichert.

LaBan hat zwei männliche Charaktere geschaffen, die mit ihrem Verhalten beeindrucken. Zum einen der Außenseiter Tim, der schwer verliebt ist und mit Vanessa ein merkwürdig besonderes Band der Verbundenheit aufrecht erhält. Zum anderen ist es Duncan, dem eine große Aufgabe bevor steht und in dem ganz langsam der Mut wächst, den Mut den er braucht, um etwas zu erreichen und zu bewältigen.

Ein Buch für Jungs – endlich. Aber auch ein Buch für Mädchen, völlig klar. Ein Buch für jeden, der bereits in Schulzeiten vor großen Aufgaben stand. Aufgaben die mit Gefühlen zu tun haben, Aufgaben, die mit Mut zu tun haben und Aufgaben, die nicht ganz ohne sind.

Ich mag es einfach sehr – es ist eine Einheit. Der Inhalt ist tief und doch ohne Kitsch. Die Handlung ist umfassend spannend und doch schlüssig und unvorhersehbar. Die Gestaltung und der Inhalt gehen Hand in Hand, was heute keine Selbstverständlichkeit mehr ist.

So wüst und nah sah ich noch keinen Tag – wohl wahr, wohl wahr..

Eure
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Lass mich glücklich sein! Im Bann von Crystal Meth

Lass mich glücklich sein! Im Bann von Crystal Meth ~ Jana Frey
Lass mich glücklich sein! Im Bann von Crystal Meth ~ Jana Frey

„Das kleine, durchsichtige Tütchen hatte Julia Roberts mitgebracht. Es hatte auf der Innenseite der Pretty-Woman-DVD geklebt, die Lela von diesem Mondscheinbazar in Malicov mitgebracht und mir geschenkt hatte.“ (Seite 45)

Lela und Lisa – beste Freundinnen. Unzertrennlich. Beide eigenständige Charaktere, Jungs schwirren um sie herum und sie teilen all ihre Gedanken miteinander. Sie möchten nicht ohne sich sein, denn sie können sich so viel geben, was sie in ihren Elternhäusern nicht bekommen – jeden Falls nicht vollständig und konstant.

Und dann taucht die kleine Tüte auf. Crystal Meth? Beide sind angeekelt und haben sich schon mehrmals selbst mit dem Thema konfrontiert. Ob im TV oder der Vortrag über Drogen in der Schule – beide waren sich sicher, dass sie nie so enden wollen, wie die Personen die sich in den Klauen der Sucht befinden. Nicht Lela und Lisa. Nein.

Nur einmal probieren? Es wird schon kein Crystal Meth, kein Ice sein. Wieso sollte es auch? Lela und Lisa brechen ihre Prinzipien und wagen den Versuch. Sie werden high, fühlen sich frei und glücklich…

Einmal ist keinmal – oder wie sagt man so schön? Das Glück ist vorüber, die Wirkung lässt nach und Lela ist einsam und allein. Nur noch einmal, nur ein bisschen, nur noch etwas Glück…

Lass mich glücklich sein! Im Bann von Crystal Meth ~ Jana Frey
Lass mich glücklich sein! Im Bann von Crystal Meth ~ Jana Frey

Lass mich glücklich sein! Im Bann von Crystal Meth (Loewe) von Jana Frey öffnet Augen. Nein, die Autorin schreibt keinesfalls mit erhobenem Zeigefinger. Nein – Freys Protagonistinnen handeln frei und leben ihre Leben, wie es kommt.

Beide Mädchen kommen aus keinem heilen Elternhaus und haben, wie wohl jeder von uns, einen Lebensstempel, eine eigene Geschichte und mussten schon ein paar Hürden meistern. Ihre Leben leben sich so dahin und dann liegt plötzlich eine Tüte Abenteuer vor den beiden.

Jana Frey schreibt wahnsinnig real. So real, als würde man mitmachen, direkt dabei sein. Die Nähe erzeugt sie, in dem sie abwechselnd über Lela und Lisa schreibt. Man fühlt den Schmerz von Lisa, als sie ihre Freundin Lela entgleiten sieht. Man fühlt das Glück in Lela, als sie berauscht durchs Leben schwebt.

Eine Gefühlsmischung der Extraklasse – ein Gefühl was betäubt und berührt, ein Gefühl was anekelt und ernüchtert.

Die Kluft zwischen den beiden Freundinnen wird größer – Drogen verändern. Freundeskreise bilden sich neu, Randgruppen entstehen. Die Liebe stellt sich bei Lisa ein. Die Flucht vor dem Leben wird bei Lela akut.

„Hauptsache, nicht zu Hause. Hauptsache, sie hatte Spaß. Hauptsache, sie war mit den anderen zusammen.“ (Seite 136)

Liebe – Lebensabgrund – zwei Worte die mit L beginnen und doch völlig ungleich zueinander sind. Mich persönlich hat der knapp 180 Seiten umfassende Roman wahnsinnig bewegt. Ich habe nicht nur meine eigenen Gedanken gedreht und gewendet und immer wieder neu gedacht. Ich habe mich viel über das Thema mit Menschen unterhalten, die ihre eigenen Erfahrungen gemacht haben und durfte in einen Lebensspiegel gucken.

In mir knotet es sich heftig zusammen – ein sensibles und doch so wichtiges Thema.Jana Frey habe ich einige Fragen zu ihrem Buch stellen können, die mich beim Lesen umtrieben haben.

Lass mich glücklich sein! Im Bann von Crystal Meth ~ Jana Frey
Lass mich glücklich sein! Im Bann von Crystal Meth ~ Jana Frey

Lest selbst im literatwoischen Akrostichon, wie sie meine Fragen beantwortet hat.

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isa und Lela. Warum hast du weibliche Protagonisten gewählt?

Mein Verlag ist der Meinung, dass es sinnvoller ist, weibliche Protagonisten zu wählen, weil sich die weibliche Leserschaft dann intensiver und leichter angesprochen fühlt – und weil eben mehr Mädchen als Jungen zu Büchern greifen… Ich selbst schreibe sehr gerne auch aus männlicher Sicht (siehe beispielsweise „Die vergitterte Welt“ und „Liebeskinder“), aber schlussendlich hat da (leider) der Verlag das letzte Wort.

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n welchem Moment kam dir die Idee das Thema Drogen in einem Roman zu thematisieren?

Ich habe mich ja schon mehrfach mit dem Thema Drogen beschäftigt und verfolge mit Sorge die Entwicklung in Bezug auf harte Drogen wie Crystal Meth. Was in den 1980er Jahren sehr bewusst geworden war, ist erschreckenderweise längst wieder größtenteils aus dem Bewusstsein der Jugendlichen „raus“. Drogen betreffen heute eine viel größere Bandbreite von Jugendlichen, was nicht zuletzt seine Ursache in der sogenannten „Spaßgesellschaft“ hat, in der schlimme und gefährliche Dinge sehr leicht auf die leichte Schulter genommen werden.

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hema Droge – Welchen Stellenwert haben Drogen für dich in unserer heutigen Gesellschaft, im Jahr 2016?

Wenn ich an Schlagzeilen wie die von Volker Beck (Die Grünen) in der jüngsten Zeit denke, wird mir sehr beklommen zumute. Drogen scheinen sehr „gesellschaftsfähig“, „harmlos“ und allgegenwärtig geworden. Dem gilt es entschieden entgegenzutreten. Ballermann, sogenannte Saufspiele, Vorglühen, studentisches Prahlen von StudentInnen in Bezug auf durchgesoffene Nächte stimmen mehr als nachdenklich. Jugendlichsein scheint da oft sehr trostlos und krankmachend und sinnentleert.

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rfahrung. Hattest du selbst schon Erfahrungen mit diversen Drogen bzw. stecken im Werk biografische Auszüge aus deinem Leben?

Obwohl ich niemals geraucht oder im Jugendalter Alkohol konsumiert habe, habe ich damals doch hin und wieder einen Joint mitgeraucht. Allerdings kein Haschisch, sondern frisches (tabakloses) Marihuana in meiner Zeit mit 19 Jahren in San Francisco. Das war eine interessante Erfahrung, die aber schnell vorüberging. Danach habe ich mich nur noch aus der Ferne mit der Materie „Drogen“ beschäftigt. Dennoch habe ich im Umfeld meiner Kinder (Waldorfschule) teils sehr erschreckende Erfahrungen miterlebt, die mich nachhaltig beschäftigt haben. Bis heute. Nun habe ich wieder zwei – noch kleine – Kinder und das Problem „Drogen im Jugendalter“ steht erneut, wenn auch nur mittelbar, vor mir. Man muss sehr aufmerksam sein, sehr nah am Leben der eigenen Kinder und ihrer Freunde, und sich immer wieder ein Bild von dem zu machen, was passieren könnte. Es ist ein weites Feld: Computerspiele, Drogen, Alkohol…  Jugendlich sein ist eine schwere, herausfordernde Zeit.

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echerche. Wie sah dein Schreibtag aus? Wie und wo hast du recherchiert?

Ich schreibe konsequent die Vormittage durch, solange meine Zwillinge in der Schule sind. Sie sind Erstklässler. Auf Recherche begebe ich mich nachmittags. Für dieses Buch habe ich mit vielen, vielen betroffenen Jugendlichen gesprochen. In Mainz, in Berlin, Hamburg…

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n welche LeserInnen ist dein Buch adressiert?

Ich schreibe an alle LeserInnen 🙂 Es ist ein weites Feld. Ich glaube daran, dass Bücher immer für fast alle sind. Erwachsene, Jugendliche, Lesebegeisterte, Leseanfänger, Leselustige, Leseunlustige. In einem guten Buch sollte jeder etwas finden, dass ihn fesselt und dass ihm Denkanstöße gibt!

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extstelle. Welche Stelle im Buch hat für dich die größte Bedeutung und warum?

Oh, das kann ich so gar nicht beantworten. Das wäre heute die Stelle und morgen eine völlig andere. Das kommt immer darauf an, wo ich mit meinen Gedanken und Gefühlen gerade bin. Manchmal fesseln mich traurige, schwere Passagen, weil es Tage gibt, an denen mir diese Gefühle nah sind und nah gehen – an wieder anderen Tagen bin ich ganz woanders und favorisiere darum ganz andere Textstellen.

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arum Crystal Meth und nicht Heroin, Koks oder Ecstasy?

Ich habe ja schon mal ein Buch zum Thema „Drogen“ geschrieben: „Höhenflug abwärts“ – das ist schon viele Jahre her. Dieses Mal war es Crystal Meth, das mir nicht mehr aus dem Kopf ging: der Name, wie es hergestellt wird, wie erschreckend „erschwinglich“ es ist, wie es zerstört – und wie verbreitet es ist. Und wenn sich etwas einmal in meinem Kopf richtig festgesetzt hat, dann will es früher oder später raus! Zuerst trage ich es mit mir, dann wird es drängend, dann beginne ich mich damit zu beschäftigen, dann raubt es mir den Schlaf, dann fange ich an, nächtliche Notizen auf meinen Gedankenblock zu kritzeln – – – und dann wird ein Buch daraus! 🙂

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hne Drogenerfahrungen. Was rätst du Menschen die mit dem Gedanken spielen, Drogen zu nehmen?

Das ist schnell beantwortet: die Finger davon zu lassen! Ich bin ja ein ziemlicher Kopfmensch und Drogennehmen wäre vermutlich nie mein persönliches Prpblem. Aber dennoch: sogar bei einem Glas Sekt oder Wein denke ich! Ich denke: Oh, ich muss ja noch Auto fahren! Und dann lasse ich es. Oder ich denke: Oha, die Kinder sind noch nicht im Bett! Mehr als höchstens ein kleines Glas würde ich dann nicht trinken. Ich bin mir immer sehr bewusst, was ich tue. Und ich hoffe inständig, dass viele andere das eben auch sind!

F wie…Frey. Jana, magst du dir selbst eine Frage stellen, die dir zuvor nie zu diesem Werk gestallt wurde und auch gleich beantworten?

Okay! „Immer weiter Bücher schreiben?“

Hm, ich bin nicht sicher! Schreiben war immer mein absoluter Traum! Ich liebte es und habe inzwischen tatsächlich 100 Bücher geschrieben, die in viele, viele Sprachen übersetzt wurden.

Aber derzeit bin ich ziemlich desillusioniert. Jugendliche heute sind in vielerlei Weise so ganz anders als noch vor 10 oder 15 Jahren: Handys, Whatsapp, Facebook, Computer, Sendungen wie DSDS, Bauer sucht Frau und Dschungelcamp haben viel verändert. Es wird viel weniger gelesen, und wenn gelesen wird, sind da Bücher wie Twilight, Panem oder Shades of Grey.

Das ist meilenweit von dem entfernt, was ich mag. Diese Bücher, diese Schwerpunkte machen mich ratlos und verwirrt.

Wie wird es mit Büchern weitergehen? Die 1980er und 1990er Jahre – meine Lieblingszeit – scheinen weit, weit weg…

Vielen Dank, liebe Jana, für die Antworten, die Frage und dein Buch!

Eure
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Gegen das Glück hat das Schicksal keine Chance ~ Estelle Laure

Gegen das Glück hat das Schicksal keine Chance ~ Estelle Laure
Gegen das Glück hat das Schicksal keine Chance ~ Estelle Laure

Gegen das Glück hat das Schicksal keine Chance (FISCHER KJB) von Estelle Laure stahlt optisch und inhaltlich wahnsinnig bunte Facetten aus. Auch wenn der Titel im Grunde das ganze Cover für sich beansprucht, gibt es neben den Farben des Regenbogens einige kleine Symbole zu entdecken. Guckt ihr?

MarienkäferSchwalbeLuftballonsHufeisenRegenschirmMond und Sterne – erzählen eine eigene kleine Geschichte. Ihr wisst genau, welche Gefühle mit den Bildern verknüpft sind und könnt euch denken, dass es im Jugendbuch nicht nur Hochs, sondern auch Tiefs gibt. Das ist nun mal im Leben so – ob bei uns oder ob bei Estelle Laures Protagonisten. Das Glück und das Schicksal – beides gehört doch irgendwie zusammen, oder?

Lucille und ihre Schwester Wrenny sind allein. Nein, sie haben Freunde und Nachbarn und Klassenkameraden, aber keine Eltern um sich. Die Mutter ist verreist und kommt erst nach ihrer Auszeit wieder. Der Vater – er ist zwar da, kann aber nicht einfach vorbei kommen. Lucille und Wrenny sind allein.

„Vertrauen. Was heißt das überhaupt? Wenn du einem Menschen vertraust, drückst du ihm ein Messer in die Hand, das er dir in den Bauch rammen kann.“ (Seite 30)

Gegen das Glück hat das Schicksal keine Chance ~ Estelle Laure
Gegen das Glück hat das Schicksal keine Chance ~ Estelle Laure

Die Tage ohne Mutter vergehen, die zwei Schwestern kommen zurecht, aber dann kommt, was irgendwie kommen musste – die Mutter kommt nicht zurück. Lucille ist zwar schon länger selbstständig und fast volljährig, dennoch ist sie in der Blüte ihrer Jugend und möchte und sollte die Zeit eigentlich genießen und nicht in eine Mutterrolle schlüpfen. Warum nur…

Lucille bekommt Panik, das Geld geht den Geschwistern aus und keine Spur von der Mutter. Der Vorfall mit ihrem Vater hat ein großes Loch in die Familie gerissen und nun sitzen beide im Lebensschlamm fest, obwohl sie eigentlich mit dem Reiten von positiven Lebenswellen beschäftigt sein sollten. Es gibt keine andere Möglichkeit – Lucille braucht einen Job, ihre beste Freundin Eden muss dicht halten und sich in der Zeit um ihre Schwestern kümmern und Wrenny muss so tapfer wie möglich sein und trotz dem kurzfristigen Verlust beider Eltern ihre Hausaufgaben machen und sich in der Schule konzentrieren.

Das Leben beginnt sich wild zu drehen und wird immer schneller und bald drohen die Hände an der Stange des Lebens abzurutschen…

„Ich bilde mir ein, die Dinge, über die wir hier reden, sind sicher, die Worte tropfen aus unserem Mund in die Erde und wachsen in die Bäume, deren Laub unsere Geheimnisse behütet.“ (Seite 39)

Gegen das Glück hat das Schicksal keine Chance ~ Estelle Laure
Gegen das Glück hat das Schicksal keine Chance ~ Estelle Laure

„Leugnen ist für Versager. Stell dich deinen Dämonen und mach weiter. Sonst wirst du alt und depressiv und verwandelst dich in einen fremdgesteuerten Spießer und deine einzige Sorge im Leben ist, wann du deine Dose Limo gegen eine Dose Bier eintauschen kannst.“ (Seite 179)

Als ich in die Geschichte eintauchte, bin ich fast genauso schnell, wie ich drin war, wieder hinausgelaufen. Warum? Weil die ersten Zeilen, der Plott mich so sehr an Bienensterben von Lisa O´Donnell erinnerten. Zwei Mädchen, keine Eltern, alles muss geheim bleiben. Niemand darf merken, dass die Eltern weg sind. Aber in diesem Buch leben die Eltern, bei Bienensterben ist es anders. Ich blieb in der Geschichte. Ich nahm das Schicksal der zwei Mädchen an und wollte sie begleiten.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, so heißt es doch so schön und der Titel beinhaltet nicht nur das Wort Schicksal, sondern auch das Glück. Gegen das Glück hat das Schicksal keine Chance – das ist so und das ist gut so.

In Estelle Laures Jugendbuch sind allerhand wunderschöne Zitate zu finden, wie ihr lesen könnt. Drei habe ich ausgewählt, um sie hier zu verankern. Worte die Kraft und Halt geben und Worte die einfach treffen, unbeschönigend offen und hart sind. Sprachlich frisch und jugendlich schreibt die Autorin und trifft damit auf jeden Fall den Nerv der Zeit.

Es gibt keine Kapitel, es gibt Tage. Es gibt keine Kapitel, es gibt Zeitpunkte. Es gibt keine Kapitel, es gibt Lebensmomente.

Taucht ein in das nicht wirklich bunte Leben von Lucille und Wrenny. Nehmt beide in den Arm und begleitet sie einen schweren Weg. Kein Weg ist nur dunkel – das Licht wartet immer irgendwo und erst Recht das Licht der Liebe. Klischee? Kitsch? Weit gefehlt – nicht in diesem Buch. Hier geht es um das Schicksal zweier Mädchen, die einen großen Rucksack tragen müssen und das Glück treffen. Meisterhaft erzählt und so lebensecht…

Happy End? Heile Welt? Lebensliebe? Tiefe Freundschaft?

Lest selbst – ihr werdet nicht enttäuscht sein. Ich habe lange über das Gelesene nachgedacht, mich in vielen Situationen wiederfühlen können und am Ende einfach gelächelt.

Das Leben ist bunt – lasst es uns leben, denn wir werden niemals allein sein. Klingt kitschig? Ist es aber nicht. So!

Eure
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Erebos ~ Ursula Poznanski

Erebos ~ Ursula Poznanski
Erebos ~ Ursula Poznanski

„Kommst du bitte essen?“
„Nein – jetzt nicht.“
„Es ist zwei Uhr nachts – gehst du jetzt bitte schlafen?“
„Nein – jetzt nicht.“

Ich bin gefangen – Erebos“ (Loewe Verlag) hat mich gefangen und hat mich in seinen Händen.

Mir geht es so, seit ich Nick kenne. Nick geht in die 9. Klasse und genau in dieser ist eine merkwürdige Stimmung. Heimlich wird eine DVD von Schüler zu Schüler gegeben, keiner sagt warum dies heimlich geschieht, keiner sagt was für ein Spiel sich auf dieser DVD befindet.
Alles geschieht stillschweigend und alle Schüler sind in sich gekehrt, sind in der Schule unkonzentriert und müde. Sie haben Augenringe, sind emotionaler als sonst und haben Geheimnisse.
Nick wird vorerst zur Randfigur, nicht mal sein bester Freund Colin redet noch normal mit ihm.
Doch dann, endlich. Von Brynne, einem hübschen Mädchen, bekommt Nick die DVD. Aber es gibt Bedingungen, die er erfüllen muss. Er darf diese niemandem zeigen und die DVD nur abspielen, wenn er alleine ist und er darf mit niemandem darüber reden.

EREBOS taucht in roten Buchstaben auf dem Bildschirm auf, danach wird er schwarz.

Ein Wald und eine Spielfigur sind als nächstes zu sehen, doch keine Karte wohin man laufen soll, keine Erklärungen, kein Spielziel. Erebos beginnt, Nick erkundet mit seiner noch vorerst namenlosen Spielfigur die Umgebung und macht die ersten Begegnungen. Der erste Kampf und das erste Aufeinandertreffen mit dem „Boten“ stehen an.
Nick ist gefangen im Spiel, er will mehr. Das nächste Level erreichen, den nächsten Auftrag erfüllen, doch genau dieser findet nicht vor dem PC statt, sondern mitten in London.

Der Bildschirm wird schwarz, bis Nick den Auftrag erledigt hat und erst dann geht das Spiel weiter. Wird der Auftrag nicht erfüllt, ist Erebos vorbei. Es gibt nur eine Chance und ist diese vertan, wird man gnadenlos vom Spiel ausgeschlossen.
Nick ist auf der Hut, er will keinen Fehler machen, beginnt immer tiefer in der reißenden Strömung des Spiels zu versinken. Ein Unfall in der Realität und auch eine Aufgabe die wohl zum Scheitern verurteilt ist, bringen ihn wieder etwas an die Oberfläche.

Doch kann er dem Sog widerstehen und Erebos entkommen?

„Mit jedem neuen Tag verliert meine Realität an Wert. Sie ist laut und ohne Ordnung, unvorhersehbar und mühevoll. Was kann sie denn, die Realität? Hungrig machen, durstig, unzufrieden. Sie verursacht Schmerzen, sie schlägt mit Krankheit um sich, sie gehorcht lächerlichen Gesetzen. Vor allem aber ist sie endlich. Immer führt sie zum Tod.“

Ich halte kein Buch in der Hand, sondern die Tastatur, ich lese nicht, sondern ich spiele.
Ich blättere keine Seiten um, sondern laufe in anderen Welten, ich zähle keine Kapitel, sondern blicke auf meine Spiellevel die ich erreiche.
In mir ist nicht mehr der gewohnte Lesedrang, sondern der Drang zu spielen, nächtelang, ohne Pause, ohne Ende in der Welt von Erebos.
Ich bin süchtig nach Erebos.

Ursula Poznanski schafft für den Leser eine eigene Welt, lässt vor dem Auge bildlich das PC-Spiel erscheinen und verpackt durch den Wechsel aus Realität und Spielgeschehen eine facettenreiche Geschichte mit einem unerwarteten Ende. Sie legt dem Leser Fährten, doch egal welcher man folgt, die richtige zeigt sich erst dann, wenn man nicht damit rechnet. Das große Finale vereint Realität und Spiel und entschlüsselt die Welt von Erebos auf einer großflächigen Ebene.

Bist du bereit für Erebos? Dann blick ihm ins Auge und passe bitte auf dich auf, denn Erebos spricht mit dir, es droht dir, es beobachtet dich, es prüft dich. Du hast nur diese eine Chance es zu spielen, also halte dich an die Regeln.

Schaffen. Erhalten. Zerstören.

EREBOS

Eure
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Layers ~ Ursula Poznanski

Layers ~ Ursula Poznanski
Layers ~ Ursula Poznanski

Layers(Loewe Verlag) von Ursula Poznanski kann ich euch nur empfehlen – ganz klar, da gibt es keine langen Überlegungen anzustellen.

Ich liebe Erebos, ich mag „Saeculum und nun hat mich auch Layers begeistert und überzeugt.

Egal welches Buch man von Ursula Poznanski anfasst, man bleibt darin hängen und kommt nicht wieder heraus, bevor man sich komplett durch die Seiten gelesen hat. Meistens ist es bei mir kein Lesen, sondern eher das Rennen durch die Seiten. Poznanski langsam lesen? Ein Ding der Unmöglichkeit. Aber sowas von. Auch bei diesem Buch ging es mir so. Im Auto auf der Fahrt von Harlesiel nach Dresden, hat mich Layers auf der Rückbank festgehalten. Schon nach den ersten Seiten bekundete ich, dass ich nicht mehr ansprechbar bin und ich bat darum, dass man mich nicht erschrecken möge, denn die Spannung breitete sich komplett in mir aus. Ich stand nach wenigen Seiten regelrecht unter Strom. Kennt ihr dieses Gefühl? Ihr seid mitten in der Geschichte drin und alles was passiert, passiert auch euch? Ihr müsst auf der Hut sein, auf euch Acht geben, dürft keine Fehler machen und ihr spürt, dass die Gefahr hinter jeder Ecke lauert?

An Dorians Seite wird es gleich zu Beginn spannend. Es sind nur wenige Minuten vergangen und schon widerfährt dem Ausreißer nichts Gutes. Er ist noch nicht richtig auf der Straße angekommen und doch macht er gleich die Bekanntschaft mit der Härte, die dort herrscht. Nicht nur der Untergrund seines Schlafplatzes ist hart, sondern auch die erste Begegnung mit einem Toten. Hat er den ihm erst seit kurzer Zeit bekannten Obdachlosen getötet? Dorian ist schlecht, als er sein Messer sieht. Er zweifelt an sich selbst und in ihm toben tausend Stürme.

Was soll er tun? Flüchten? Den Toten melden?

Dorian muss sich nicht entscheiden, denn ein Fremder taucht plötzlich neben ihm auf und will ihm helfen. Ihm? Dorian? Dem vielleicht Mörder? Dorian hat kaum Zeit zum Nachdenken, denn er ist schon auf dem Weg in eine Unterkunft, in der Jugendlichen wie ihm geholfen wird. Den Weg sieht er nicht, aber er ist dankbar, dem Toten und einer eventuellen Strafe entkommen zu sein. Wo ist er nun? Dorian merkt schnell, dass er sicher ist, aber kann er der Sicherheit auch trauen? Was muss er dafür tun, dass er hier in der alten Villa sein darf? Wer sind die anderen Jugendlichen – sind sie Verbrecher?

Layers ~ Ursula Poznanski

Nach und nach erfährt Dorian, dass er Aufgaben erfüllen muss. Eine Art Gegenleistung für das komfortable Obdach. Er wird abgesetzt, erfüllt seine Aufgabe, hält die Regeln ein und wird pünktlich wieder abgeholt. Ein faires Spiel. Doch lange geht es nicht gut, denn Dorian behält ein Päckchen, was er eigentlich abgeben sollte. Das Spiel dreht sich, denn Dorian konnte zwar nichts für den Zwischenfall, dennoch hat er die Regeln nicht eingehalten.

Die Jagd ist eröffnet, denn Dorian hat nicht nur ein wertvolles Gut in seinem Besitz, sondern auch eine Art Schlüssel zu einem geheimen Projekt. Feuer frei…

Ich renne, ich verstecke mich, ich bin bei Dorian und stehe ihm bei und begebe mich in größte Gefahr. Layers…

Ursula Poznanski hat mich innerhalb weniger Seiten in ihren Schreibbann gezogen und lässt mich kaum entkommen. Die Seiten fliegen nur so dahin, als ob ich in einem Formel 1 Auto sitze. Schneller und immer schneller muss ich lesen, denn ich will wissen, was als nächstes passiert, will wissen, wie es mit Dorian weiter geht. Können sie uns fangen? Schaffen wir es das Geheimnis an die Öffentlichkeit zu bringen? Doch was ist überhaupt das Geheimnis? Wer ist gut und wer ist böse? Wem kann vertraut werden und vor wem sollten wir uns dringend in Acht nehmen?

Wie bei all ihren Büchern kann ich nur sagenLESEN! Es gab minimale Stellen, an denen ich an der Plausiblität zweifelte, minimale Stellen an denen die Spannung kurz abebbte, aber wirklich nur minimal und wirklich nur kurz.

Und am Ende kommt die Frage auf: Konnte Ursula Poznanski ihr Werk Erebos mit ihrem Neuling namens Layers übertreffen?

Aus meiner Sicht: NEIN. Erebos ist und bleibt Poznanski-Spitzentitel. Aber das ist nur meine Sicht und soll nicht heißen, dass ich den Jugendthriller nicht empfehlen kann. Es bietet sich an, alle ihre Bücher zu haben und vor allem zu lesen. Uneingeschränkt. Ursula Poznanski ist einfach eine Meisterin der Worte und ich mag sie alle, aber ihr erstes Werk ist und bleibt wohl immer die Nr. eins des Leserherzens.

Eure
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Bruder Wolf ~ Carla Maia de Almeida

Bruder Wolf ~ Carla Maia de Almeida
Bruder Wolf ~ Carla Maia de Almeida

Bruder Wolf (Fischer Sauerländer) von Carla Maia de Almeida zog gleich meinen Blick auf sich. Ein illustriertes Jugendbuch. Kein Buch für Kinder, sondern für die Jugend und dennoch illustriert. Das gibt es nicht so häufig. Hinzu kam der Zweiworttitel und der erste Satz auf der Coverrückseite: „Der Sommer, in dem alles außer Kontrolle gerät.“

Ich machte mich gefasst, auf eine emotional-spannende und vor allem rasante Lesezeit. Knapp über 170 Seiten in angenehmer Schriftgröße lagen vor mir und ich wollte wissen, was in „Bruder Wolf“ vor sich geht und was in der Nacht am Stausee passiert ist.

Bevor die ersten Worte gelesen werden können, werden wir als Leser von einer Illustration in den Farben schwarz, blau und weiß in ein recht übersichtliches Wohnzimmer geführt. Details geben minimal Aufschluss darüber, was sich gleich abspielen wird.

Bevor ich euch mehr erzähle, lest einfach selbst, was uns auf der ersten Seite erwartet – Buchblättern.

Was sagt ihr? Seid ihr schon im Buch?

Mir ist der Einstieg schwer gefallen. Ich habe keine Ahnung warum, inzwischen schiebe ich es aber auf die Uhrzeit. Ich habe unter der Woche gegen 22 Uhr mit dem Lesen begonnen. Es sollte nur ein erster Eindruck werden. Die Namen machten mir Schwierigkeiten, dennoch las ich weiter. Ich las zu schnell und die Müdigkeit mischte sich zwischen die Zeilen. So lautet meine heutige Erklärung für mein Buchproblem. Trotz allen selbst gelegten Stolpersteinen und den immerwährenden Fragen im Hinterkopf – versteht ein 12-jähriges Kind, um was es geht? Interessiert sich ein Kind für den Inhalt des Buches? Welchem Kind, welchem Jugendlichen würdest du es ans Herz legen? – habe ich es beendet. Mein Gefühl: besonders.

Ich merkte, dass ich dieses Buch es mögen möchte. Ich spürte die Besonderheit, ich spürte die Tiefe und doch suchte ich Rat. Immer und immer wieder nahm ich es zur Hand, schaute mir die Illustrationen an, las einige Seiten erneut und schließlich das ganze Buch.

Bruder Wolf ~ Carla Maia de Almeida
Bruder Wolf ~ Carla Maia de Almeida

Richtig erklären kann ich mir nicht, wieso der Funke nicht komplett beim ersten Lesen übergesprungen ist. Es ist unüblich für mich, ein Buch zweimal hintereinander zu lesen. Vor allem dann, wenn ich nicht überzeugt bin. Ich wollte mich richtig überzeugen lassen. Wenn ein Buch so hartnäckig an mir bleibt und ich an ihm, dann musste ich es innerlich bereits lieben. Hab ich beim ersten Lesen zu erwachsen gelesen? Konnte ich mich nicht richtig in einen jungen Leser hinein versetzen? Scheinbar…

Als ich zum zweiten Mal Bolota – Krümel – traf, wusste ich gleich, dass wir uns von nun an sehr nah standen. Bolota ist acht Jahre jung und mit ihrem Vater unterwegs. Ihren Vater nennt sie Schwarzer Elch und sie sind eigentlich nicht unterwegs, sondern auf Expedition. So zumindest sagte es Schwarzer Elch mit tiefer Indianerhäuptlingsstimme zu ihr. Er bringt sie nicht in die neue-alte Wohnung zurück, denn er will mit ihr an den Ort, an den sie hingehören – in ihr Zuhause.

Bolota ist verwirrt, aber sie vertraut Schwarzer Elch. Sie lässt sich auf das Abenteuer ein, auch wenn sie sofort ihre Mutter, ihren älteren Bruder – das Fossil – und ihre recht merkwürdige Schwester – Miss Kitty – vermisst. Schwarzer Elch lügt nie, auch wenn er sich manchmal in den Mann aus Eis verwandelte.

Bolota vertraute, aber sie verstand nicht – nicht mit 8 Jahren. Heute ist Bolota 15 und die Nacht am Stausee ist 7 Jahre her…

Was passiert uns Lesern in diesem Buch? Nach dem ersten Lesen wusste ich, dass es nur einen Menschen gibt, der mir mein Lesen erklären kann, der das letzte emotionale Puzzleteil zwischen Buch und meinem Leseherz setzen kann. Ich schrieb also Arndt von Astrolibrium eine SMS in der ich ihn darum bat, das Buch zur Hand zu nehmen. Mir reichten ein paar Worte von ihm, ein erster Eindruck, er sollte nur die erste Seite lesen…

Wer wechselt schon gern in ein anderes Buch, wenn er tief in dem jetzigen steckt? Arndt konnte nicht, der emotionale Sprung wäre zu groß gewesen. Ich konnte ihn verstehen und doch habe ich nicht locker lassen können. Hartnäckig habe ich seine Absagen aufgegriffen und ihn förmlich ins Buch geschubst. Was dann passierte? Das kann nur er sagen und darum solltet ihr jetzt seinen „Buder Wolf“ kennenlernen. Ein Klick aufs Bild genügt.

Bruder Wolf ~ Carla Maia de Almeida
Bruder Wolf ~ Carla Maia de Almeida

Bruder Wolf und Bruder Wolf – ein Buch, zwei Leser – eine literarische Verbundenheit.

Aber MOMENT – das klingt ja alles schön und gut, aber was ist mit den ganzen Fragen vom Anfang des Artikels und wie lautet denn das Fazit?

Carla Maia de Almeida hat pure poetische Kraft in ihre Zeilen gesteckt. Ich habe gemerkt, wie erwachsen ich in diesem Buch gelesen habe. Anstatt kindlich zu fühlen, habe ich mich nicht hinein gleiten lassen, sondern bin eine Betrachterin von außen geblieben. Mein zweites Lesen hat alles verändert. Die bedrohlich und bedrückenden Illustrationen habe ich länger betrachtet und dabei meinen Blick geschärft. Gerade die Farben blau, schwarz und weiß sind so bezeichnend. Das Blau strahlt Ruhe aus und versucht auszugleichen, während die weißen Stellen das bedrohliche Schwarz versuchen zu kompensieren. Jedes Bild erzählt und ergänzt detailliert das Buch.

Die Autorin wird jeden Jugendlichen mit ihrer Erzählperspektive in Buchgefangenschaft nehmen. Sie schreibt sensibel und eindringlich und sorgt dafür, dass Bolota ihre Hand gleich zu Beginn ausstreckt und die Leserin, den Leser, in ihre Welt mitnimmt. In eine Welt in der erst noch alles gut ist und dann nach und nach zerbricht.

Auf den blauen Seiten erfahren wir mehr über ihre Familie und über deren Entwicklung und Erlebnisse. Auf den weißen Seiten befinden wir uns auf der Fahrt ins neue Leben – eine Reise aus Träumen und Schäumen – eine Reise, an deren Ende Bruder Wolf wartet…

12-jährige träumen gern, sie stehen an der Türschwelle ins große Leben mit eigenen Entscheidungen und beginnen die ersten Weichen zu stellen. Und doch wurden ebenso in den ersten Lebensjahren Weichen gestellt, die formen, verändern und prägen.

Eingefleischte Leser werden tief in dem Buch versinken und Welten öffnen können. „Bruder Wolf“ ist besonders, es ist anders und es möchte hinterher nicht zur Seite gelegt, sondern inhaltlich aufgegriffen und besprochen werden.

Eure
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