Daniel Glattauer

3x Glattauer! Heute gibt es nicht nur eine Rezension zu lesen, sondern gleich drei.

Drei? Warum?

Weil der Herr Glattauer auf Literatwo nicht fehlen darf. Seit 2008 sollte er nun eigentlich schon einen Platz in der Villa gefunden haben. Herr Glattauer ist also längst überfällig und wenn er schon einzieht, dann nicht nur mit einem Roman.

Also macht euch bereit für drei Romane aus der Glattauer-Feder 🙂

Gut gegen Nordwind

Heute schon im Spam-Filter nachgesehen?
Nein? Sollten Sie tun, denn evtl. kündigt gerade jemand ein Zeitungsabo und hat sich bei dem Namen des Empfängers verschrieben.

Genau das ist Emma Rothner, auch Emmi genannt, passiert. Das Zeitungsabo „Like“ hat ausgedient und Emmi kündigt dieses kurzerhand. Durch ihren berühmt berüchtigten I-Tippfehler landet ihre Email nicht beim eigentlichen Adressat, sondern bei Leo Leike. Als Emmi keine Kündigungsbestätigung erhält, schreibt sie erneut eine Email. Diesmal erhält sie Antwort, jedoch von einem Mann, der ihr bis dahin unbekannt ist. Dies ändert sich schlagartig, denn beiden hegen durch dieses ungewöhnliche Aufeinandertreffen schnell Sympathie für einander.

Ein ungewöhnlich rasanter Schriftverkehr setzt ein und schnell merken beide, dass ein leeres Postfach depressiv macht und außerdem eine Lücke in den Alltag reißt. Die Neugier auf den jeweils anderen ist geweckt und gern würde man mehr über das unbekannte Ich hinter dem Monitor auf der anderen Seite erfahren. Einem Treffen dürfte eigentlich nichts mehr im Weg stehen. Doch was ist, wenn die bisher ausgemalten Bilder Emmis und Leos bei einem Gegenüberstehen zerplatzen wie eine Seifenblase? Die erste Begegnung wird zeigen, ob die bisherigen Empfindungen bestätigt werden können oder nicht.

Daniel Glattauer ist mit „Gut gegen Nordwind“ einfach nicht zu übertreffen und für alle Fans von Emmi und Leo sei gesagt, nach diesem Buch ist nicht Schluss. Ein Lesen, ohne gleich das Folgebuch „Alle sieben Wellen“ zu besitzen, ist fast unmöglich, denn die Neugier ist einfach zu groß. Aber schon allein dieser Roman ist ein Meisterwerk.

Aus lauter Emails bestehend schildert der Autor seine beiden Protagonisten und deren Gedanken bis aufs kleinste Detail. Emmi und Leo sind mit allen Wassern gewaschen und lassen keine Gefühlslage aus. Ein Mitfiebern ist bei diesen abwechslungsreichen Liebesdialogen mehr als nur erwünscht und wird auch nicht ausbleiben. Nach kurzer Zeit schon tief verbunden und mit vielen Schmetterlingen im Bauch schweben nicht nur die Protagonisten himmelhoch jauchzend auf Wolken. Auch bei einem selbst ist das Herzklopfen nicht zu überhören. Und immer wenn es am schönsten ist, kann man durch wenige Worte viel zerstören und einen Zustand von zu Tode betrübt erzeugen, der meist eisige Funkstille folgen lässt.

Nach einem knapp zweistündigen Verschlingen sind die sprühend lebendigen Formulierungen der beiden nicht vergessen, denn wundervolle Sätze wie „Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf.“, kann man nicht vergessen.

Keine Emails zu schreiben ist fast für jeden undenkbar und darum macht es nach diesem Buch gleich doppelt soviel Spaß. Um es mal in der Aufzählungsweise von den beiden zu sagen: 1.lesen, lesen, lesen 2. die Fortsetzung lesen 3. Emails abrufen und vor allem immer beantworten!!!

Alle sieben Wellen

Die Seiten dieses Buches…
…haben sich wie die Wellen zwischen Leo und Emmi überschlagen.

Keinen Tag konnte ich dieses Buch unberührt neben mir liegen lassen, es hat förmlich nach mir gerufen. Ohne es aus der Hand zu legen war und bin ich nach 1 1/2 Lesestunden immer noch auf eine Welle der Zufriedenheit, des Glücks und atme nach längerem Luft anhalten wieder regelmäßig ein und aus.

Ich bin zwar genauso skeptisch an das Buch, wie an die Leseprobe rangegangen jedoch nicht mit der Angst, dass ich vom Buch enttäuscht sein werde. Nein, die Leseprobe hat mich ja schon vollends überzeugt. Ich war eher skeptisch, dass mir Daniel Glattauer sein erster Roman „Gut gegen Nordwind“ zu „Alle sieben Wellen“ fehlen würde.

Aber Herr Glattauer hat mir mit seinem 4. Punkt des Klappentextes, „…Sie steigen ohne Nordwind-Kentnisse in Alle sieben Wellen ein? Kein Problem. Sie erfahren alles….“, die Skepsis genommen und sein Versprechen gehalten.

Weiterhin wusste ich vor diesem wundervollen Roman folgendes:
Leo Leike kehrt nach knapp einem Jahr aus Boston zurück. Daheim erwarten ihn Nachrichten von Emmi Rothner, Beide bemerken, dass sie die Gefühle füreinander nicht los geworden sind. Vielleicht sollten sie sich wirklich einmal treffen. Allerdings ist Leo mittlerweile liiert und Emmi noch immer verheiratet. Doch wenn einmal sechs Wellen ans Ufer geschwappt sind, das lernen wir in Daniel Glattauers neuem Roman, dann kommt die siebente, und die ist immer für Überraschungen gut.

Das Buch ist in neunzehn aufregende Kapitel eingeteilt, indem jedes in der Sprache von Leo und Emmi geschrieben ist. Leo und Emmis Sprache ist einmalig. Anders kann man es einfach nicht sagen. Wie verhalten sich zwei Menschen, die einfach nicht mit aber auch nicht ohne können?

Sie schreiben eine Email. Nein, nicht nur eine, sondern zwei, drei, unendlich viele. Dies passiert nicht nur täglich oder wöchentlich, nein sie schreiben sogar mehrere in einer Minute oder binnen weniger Sekunden. Es werden Fragen gestellt, Rätsel aufgegeben, Gefühle angeschnitten. Das Privatleben bleibt meistens aussen vor, wird nur bedingt erwähnt aber möglichst vermieden.

Das Kribbeln zwischen den beiden spitzt sich aufs unendliche zu und doch fällt es genau so schnell wieder ab. Ein einziges Chaos der Gefühle, was sich vollends auf den Leser überträgt und man fühlt sofort mit Emmi wie auch mit Leo mit.
Die sprachliche Gestaltung ist der i-Punkt des Romans und ist einfach nur köstlich.

50 Sekunden später
RE:
LLL, SSS !!!
(Lieber Leo Leike, sprechen Sie sofort!!!)

Es macht einfach Spaß die Emails von Leo zu lesen, mit den Fragen, Informationen, Gedanken oder versteckten Hinweisen an Emmi. Dann will man unbedingt wissen, was Emmi in Leos Email hinein interpretiert, was sie denkt, was sie fühlt, was sie diesmal von sich preis gibt.

Nach und nach, je mehr die beiden wieder zu sich finden, wird über Familie, Liebe, Freundschaft, Sex, Beziehungen etc. gesprochen und die Hintergründe sowie die privaten Erlebnisse von Leo und Emmi, in der Zeit zwischen den Emailpausen, werden dem Leser bekannt. Endlich. Den diese bescheren als Abschluss dieses wunderbare Gefühl und lassen den Leser in einer einmaligen Stimmung zurück.

Eine aufregende Zeit zwischen Emmi und Leo, die immer noch nicht zu ende ist, sondern viel mehr gerade erst angefangen hat. Ich möchte mehr von den beiden, mehr von diesen Emails, mehr von Daniel Glattauer.

Egal ob mit oder ohne Nordwind, dieses Buch ist Top und verdient einen Platz in der obersten Regalreihe.

Wunderübung

 Nach diesen zwei Email-Verkehr-Büchern voller Liebe und Romantik habe ich keinen Glattauer mehr gelesen. Meine Freundin (ja richtig, das Lesebienchen) drückte mir nun aber sein neustes Werk in die Hand und meinte: „das hast du innerhalb weniger Minuten inhaliert, das kannst du dazwischen schieben. Du musst es lesen!“

Also nahm ich es mit und begann relativ schnell darin zu lesen. Das Darinlesen endetet genau nach 111 sehr luftig bedruckten Seiten und zwar mit dem Wort „ENDE“.

Glattauer überraschte mich sehr mit diesem Roman, nein, mit dieser Komödie. Nehmt im Publikum platz und stellt euch auf folgende Situation ein:

„Wir befinden uns im Arbeitsraum eines Paartherapeuten, der hier seine Klienten betreut. Der Raum sollte nicht nach „Arbeit“ riechen, sondern entspannte Atmosphäre vermitteln. Dieser Zwang zur Ungezwungenheit scheint sich gleichmäßig auf das gesamte Mobiliar zu erteilen. Wir blenden uns in den offensichtlichen Beginn eines Beratungsgesprächs ein. Die beiden Klienten, Joana, eine Frau um die 40 und Valentin, ein unwesentlich älterer Mann, haben soeben Platz genommen. Sie sitzen gut getrennt voneinander, zwischen ihnen stehen zwei leer Stühle.Nichts deutet darauf hin, dass einer den anderen kennt oder etwas von ihm wissen will. Der Berater, ein Mann zwischen 40 und 45, sitzt den beiden Personen gegenüber – im je gleichen Zuneigungswinkel, der geschulte Ausgewogenheit zwischen Nähe und Distanz signalisiert. Er wirkt teilnahmefreudig und, im Gegensatz zu den Klienten, prächtig gelaunt. Seine interessierten Blicke schweifen von einer Person zur anderen.

Im Raum herrscht absolute Stille. Die beiden Besucher konzentrieren sich auf den Berater und scheinen mit Anspannung und Nervosität auf seine einleitenden Worte zu warten. Allein diese Worte fallen nicht. Je länger die unerklärliche Schweigepause andauert, desto peinlicher fühlen sich die beiden davon berührt. Bis es Valentin schließlich nicht mehr aushält.“ (Seite 7)

Jetzt kennt ihr die Grundstimmung, das Umfeld und nun heißt es loslesen, denn nach diesen Worten geht es richtig los. Die Sitzung beginnt und in binnen weniger Minuten ist der Schlagabtausch in vollem Gange und ein Wort gibt das andere. Valentin weiß genau, was Joana sagen möchte und sagt es. Joana korrigiert ihren Mann und erklärt dem Berater, namens Herr Magister, was er eigentlich damit ausdrücken möchte.

Joana unterbricht Valentin, Valentin unterbricht Joana und beide unterbrechen den Berater.

„VALENTIN Das Niveau kann gar nicht tief genug sein. Meine Frau findet immer noch einen Untergriff.

Kurzer Waffenstillstand.

JOANA (lakonisch) Frieden. Seite (17/18)

Eine Aufregungswelle ereilt die nächste und der Berater hat zu schlichten und zu fragen und zu testen. Er berät und empfiehlt und gibt sein Bestes. Wenn Joana und Valentin aber erst mal in Rage sind und ihre Probleme schildern, hat es der Paartherapeut nicht leicht.

Glattauer schreibt spritzig frisch und so locker, dass man seinen Worten nicht widerstehen kann. Seine zwei Protagonisten sind so gezeichnet, dass sich jeder von uns in den Charakteren wieder erkennt. Mindestens ein Dialog könnte von dir oder mir sein. Herrlich!

Durch die Dialogform hat man das Gefühl mit im Arbeitsraum zu sitzen und die Stimmen regelrecht zu hören. Dadurch dass Glattauer nach dem jeweiligen Namen des Protagonisten, welcher gerade das Wort ergreift, kennzeichnet, in welcher Stimmung derjenige sich befindet, wird die Therapiestunde lebendig.

Als Leser neigt man sogar dazu, dazwischen zu rufen, zu helfen und fiebert mit, bis sich das Problem von Valentin und Joana abwendet und auf den Berater überspringt…

Ja, ihr habt richtig gelesen und mit diesem Ende der Rezension lasse ich euch nun alleine. Viel Spaß beim Besuch der Komödie. Mir hat sie gut gefallen – ein lustiges Stück „ernst“ zum Einatmen, Lachen und Nachdenken.

0 comments on [Daniel Glattauer] Drei Romane auf einen Streich…

  1. Liebes Bini,
    bisher habe ich nur “Gut gegen Nordwind” und “Alle sieben Wellen” gelesen. Das neue Buch habe ich mir schon angeschaut, aber mich bisher noch nicht rangetraut. Das sollte ich ändern – das weiß ich dank deiner Rezension. 🙂
    Hab noch einen schönen Abend und fühl dich gedrückt!
    SaCre

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