Die Märchentante der Sultan mein Harem und ich -
Die Märchentante der Sultan mein Harem und ich – Lesebienchen unterwegs

Wenn das Lesebienchen auf Literatwo entführen will, dann öffnen wir doch gern die Pforten und räumen die Bühne. Vorhang auf für ein Werk, was wir wohl nie gelesen hätten, euch aber eben aus diesem Grund unbedingt vorstellen wollen.

„Es lauerte einmal ein Märchen in einem losen Stapel DIN-A4-Blätter neben dem Gästebett von Endi Effendi. Draußen fielen Schneeflocken, drinnen Schleier. Können Sätze wie Schleier fallen? Warum nicht. Sätze sind Alleskönner. Sie können ver- und entschleiern, sie können auch leiern, eiern, abschweifen und verloren gehen.“ (S.1)

Mit diesen verschleiert-magischen Sätzen beginnt das neueste Stück Reiseliteratur Helge Timmerbergs mit dem Titel Die Märchentante, der Sultan, mein Harem und ich (Piper Verlag). Und Timmerberg setzt alles in seinen Sätzen um, was er diesen an Macht zuschreibt.

Die Märchentante der Sultan mein Harem und ich -
Die Märchentante der Sultan mein Harem und ich – In 80 Tagen um die Welt

Schnell entschleiert er, worum es geht. Nach dem Lesen „Der Perlenkarawane“, eben jenem losen Blätterstapel, ist er geradezu gefangen von dieser Geschichte und vor allem von der Frau, die diese gesammelt und erzählt hat: Baronin Elsa Sophia von Kamphoevener.

In Märchenerzählerkreisen gilt sie bis heute als Koryphäe. Timmerberg ist fasziniert von dieser mutigen jungen Frau, die als Mann verkleidet an türkischen Lagerfeuern den Geschichten der Märchenerzähler gelauscht hat, von Karawane zu Karawane geritten ist, um Geschichten zu sammeln und sie eines Tages selbst zu erzählen. Und Timmerberg fasst eine Entschluss: dieses Leben und das Märchen „Die Perlenkarawane“ müssen verfilmt werden. Ein Drehbuch muss her und zwar schnell. Doch für den Journalisten Timmerberg und seine beiden Freunde dürfte das kein Problem sein, sie sind Profis, in 3 Tagen steht das Drehbuch, wenn nicht gar in zwei.

Die Märchentante der Sultan mein Harem und ich - Orientreise
Die Märchentante der Sultan mein Harem und ich – Orientreise

Gesagt, getan. Man trifft sich, diskutiert, raucht, trinkt und ….tja…ab da wird es für alle Beteiligten schleierhaft. Sätze verschleiern sich, es wird aneinander vorbei geredet und am Ende entsteht selbstverständlich kein Drehbuch.

Doch was nun beginnt, ist ein geniales, komisches Stück Reiseliteratur einmal quer durch den Orient und über mehrere Jahrzehnte, denn Timmerberg gibt nicht auf. Er will dieses Drehbuch schreiben. Immer wieder startet er neue Versuche, schweift jedoch wie auch seine Sätze schnell ab. Verliert sich in Kairo, findet sich in Marrakesch wieder. Eine Stadt, ein Gefühl wie Liebe auf den ersten Blick.

„Alle Häuser rot, flirrender Staub im Gaslaternenlicht, wilder, nahezu ganzheitlicher Verkehr vom Eselskarren bis zum BMW, aber Moped dominiert, und hier und da ein Kamel. Und alles laut. Stimmen, Hupen und Musik werden mit maximalem Volumen vorgertragen, mit maximaler Lebenslust. Auch Lebensgier. Überlebensgier. Trommeln irgendwo.“ (S.42)

Die Märchentante der Sultan mein Harem und ich - Helge Timmerberg
Die Märchentante der Sultan mein Harem und ich – Helge Timmerberg

In dieser pulsierenden Stadt schweift Timmerberg gänzlich ab und geht verloren. Verloren in seinem neuen Haus mit eigenem Harem und unzähligen Schreibtischen, schließlich will man ja ein Drehbuch verfassen. Doch nichts wird aus dem Plan, stattdessen wird gelacht, getrunken, getanzt, geliebt, gesungen, gekifft.

Sätze sind Alleskönner, doch Timmerberg ist es ebenso. Durch und durch ehrlich mit einer wunderbaren Portion Selbstironie schildert er seine Reise auf der Suche nach einem Drehbuch, bei der er jedoch so viel mehr als das gefunden hat. Die Liebe, Familie und am Ende vielleicht sogar sich selbst. Er vermag es in atmosphärisch so dichten Sätzen Städte, Menschen und die Gepflogenheiten zu beschreiben, dass man bereits den Sand an den eigenen Fußsohlen spürt und den heißen, würzigen Duft des Orients einatmet.

Die Märchentante der Sultan mein Harem und ich -
Die Märchentante der Sultan mein Harem und ich -tief einatmen

Tja, und vielleicht gibt es ja doch ein Drehbuch? Oder vielleicht geht es doch eher im Wüstensand und unter schönen Frauenleibern unter, denn am Ende türmt sich ein unüberbrückbares Problem auf.

Tja…an dieser Stelle halte ich es wie die Sätze…ich eier etwas herum. Lest selbst und lasst euch verführen vom Orient und von Timmerbergs Sprachgewalt.

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