Schneckenmühle - Jochen Schmidt
Schneckenmühle – Jochen Schmidt

30 min von meinem Wohnort (Dresden) entfernt, liegt das Kinderdorf namens Schneckenmühle. Es ist heute noch, wie auch damals in der DDR, ein Ferienlager, welches ich allerdings nicht selbst besuchte.

Überhaupt nicht weit von mir entfernt war allerdings Schneckenmühle (C.H. Beck) in gebundener Buchform aus der Schreibfeder von Jochen Schmidt. Also machte ich mich bereit für den Sommerausflug ins Ferienlager und versetzte mich gedanklich in meine Kindheit zurück und der Ausflug ins Ferienlager, in eine unberührte Zeit in der es noch keine wirklichen Probleme gab, konnte beginnen. Ich roch die Freiheit und freute mich auf die Auszeit.

Schneckenmühle - Postkartengrüße
Schneckenmühle – Postkartengrüße

Neben dem Roman war es für uns Literatwos allerdings interessant, wirklich jemanden zu finden, der genau das Ferienlager Schneckenmühle kennt. In Facebook gibt es eine Gruppe in der ehemalige Schneckenmühle-Kinder zu finden sind und nicht nur die, denn auch die aktuellen Betreuer und Ferienlagerbewohner, konnte ich aufstöbern. Eine zögerliche Annäherung begann und aus dem langen Suchen, wurden ein Finden.

Wie es der Zufall manchmal will, fand sich eine ehemalige Besucherin namens Annika, die zudem auch noch Jochen Schmidts Roman gelesen hat. Annika war bereit über ihre damalige Zeit, ihre schönsten Erlebnisse,  zu berichten und ein paar Bilder zur Verfügung zu stellen.

Schneckenmühle -
Schneckenmühle – ein Doppelstockbett voller Erinnerungen

Sie selbst ist 1995 das erste Mal über ihre Mutter, deren Freundin zu den Gründern gehörte, per Klassenfahrt hingefahren und seit 1998 so ziemlich jedes Jahr als Kind dort gewesen. Später half Annika in der Küche und seit dem Jahr 2000 ist sie Betreuerin. Diesen Job übt sie ehrenamtlich in ihrem Haupturlaub aus. Annika wohnt in Berlin, ist 29 Jahre, ist gelernte Restaurantfachfrau und kann einfach nicht ohne Schneckenmühle.

Ihre spontanen Erinnerungsworte zu schönsten Erlebnissen lauten: „Es gibt nirgendwo einen so schönen Sternenhimmel, die Hochzeit auf der Abschlussdisco, wenn man 1-2 Wochen um einen Jungen kämpft, sich unglaublich unsicher ist, man (in welcher Form auch immer) versucht herauszubekommen wie er übers „Heiraten“ denkt und über einen selber und wenn er dann ja sagt.

Genau das Gleiche beim Tanzen zu Kuschelmusik, wenn man dann eng umschlungen mit dem Jungen seiner „Träume“ zusammen tanzt. Und dann der tragische furchtbare Abschiedstag voller Tränen. Egal ob man die neuen Freunde schon vor der Ankunft in Berlin vermisst oder noch schlimmer „den“ Jungen.

Schneckenmühle - erste Liebe, großes Glück (Bild: Annika)
Schneckenmühle – erste Liebe, großes Glück (Bild: Annika)

Als Betreuerin finde ich es immer super klasse, wie kreativ die Kinder doch sein können, wenn sie sich zum Beispiel etwas zum Open Air ausdenken sollen du wie stolz sie dann sind, wenn alle auf einen gucken, man selber im Rampenlicht steht, aber das Publikum nicht sehen kann, durch die Lichter und danach alle applaudieren und einem ein riesiger Stein vom Herzen fällt…

Den Roman „Schneckenmühle“ habe ich bisher zur Hälfte gelesen, aber ich muss sehr oft lachen, weil ich absolut verstehen und nachvollziehen kann, was geschrieben und beschrieben wird. Vor allem so kleine Details, wie die Rhabarberpflanzen am Wegrand, die Kurven usw., stimmen einfach überein und gehören zu den Dingen, die man sich nebenbei einfach merkt -auch die Kinder. Und man fiebert einfach mit weil man es jahrelang selber erlebt oder beobachtet.“

Annikas Worte treffen sich mit Jochen Schmidts Worte, der den Ausflug anhand des 14-jährigen Protagonisten und Ich-Erzählers namens Jens, möglich macht.

Alte schwarz-weiß Bilder bekommen in den Köpfen Farbe und alte Zeiten werden durch Schmidts Worte wieder bunt.

Schneckenmühle
Schneckenmühle – Kindheitserinnerungen (Bild: Annika)

Jochen Schmidt schreibt in kindlicher Komik, die uns „Erwachsenen“ nur allzu gut bekannt ist. Die erste Liebe, der Bezug eines Doppelstockbetts, Nachtwanderungen, Mädchen, Jungen, Ausflüge, Natur, Abenteuer und jede Menge Blödsinn und das in eine Zeit verpackt, in der sich das Rad der Mühle in eine andere Richtung zu drehen beginnt.

Ich selbst konnte viel lachen, fühlte mich wieder wie 14, völlig sorgenfrei, wie auf Urlaub im Ferienlager und trotz einigen Wortwirrungen sehr wohl im sächsischen Ferienlager und Jens seinen Gedankengängen.

Eine Empfehlung für alle Leser die entschleunigen, einen Ferienlagersommer verleben und gedanklich in die Zeit der Pubertät zurück wollen. Ein langsamer, leicht melancholischer Roman der frische DDR-Wendeseiten enthält.

Schneckenmühle - Ferienlager (Bild: Saskia)
Schneckenmühle – Ferienlager (Bild: Saskia)

P.S. Es scheint viele „Schneckenmühler“ zu geben und vielleicht liest diesen Artikel der ein oder andere. Wer Lust hat sich lesend nach Schneckenmühle zu begeben, der braucht sich nur zu melden und wir Literatwos schicken den Roman auf die Reise, denn wir würden uns freuen, noch mehr Stimmen zum Roman von Schneckenmühlern zu bekommen.

0 comments on [Erlebnis] Schneckenmühle – Jochen Schmidt

  1. Einen Roman vorzustellen und seine eigene Meinung zum Thema zu formulieren, das haben wir schon sehr sehr oft gemacht. Was Bianca mit Schneckenmühle journalistisch versucht hat, ist allerdings außergewöhnlich.

    Zeitzeugen finden, ihnen Raum geben, sie befragen, ihre Bilder in den Text einbauen und so eine Reportage zu schreiben, die mehr als eine Rezension ist – all dies ist bemerkenswert und sie selbst wird kein Wort darüber verlieren, wie lange dieser Artikel reifen musste.

    Großes Kompliment von mir… Good Job, Lady

  2. Auch ich finde es sehr gelungen und bin jetzt neugierig auf das Buch. wenn ich richtig lese, kann ich es von euch erhalten?! und so zur SCHNECKENMÜHLERIN werden?
    Herzlichen Dank für diese Aktion!
    LG, Heike

    • Schön, wenn du neugierig geworden bist….

      Ja, wir möchten dieses Buch gerne an einen interessierten Leser, oder eine neugierige Leserin weitergeben…. und werden dazu heute noch hier einen Kommentar loswerden 😉

    • Liebe Heike, du hast richtig gelesen.

      Sende uns doch deine Adresse zu (literatwo@aol.de) und „Schneckenmühle“ zieht bei dir ein.

      Wir freuen uns dann über einen Leseeindruck von dir.

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