Ein Versprechen von Gegenwart -
Ein Versprechen von Gegenwart – pures Lustlesen!

Setzt euch, macht es euch bequem und bestellt euch etwas zu essen und zu trinken und beobachtet das Geschehen um euch, denn jetzt wird es prickelnd.

Habt ihr euch in einem Restaurant schon mal beobachtet gefühlt oder habt ihr schon die anderen Gäste um euch beobachtet? Ja? So eine tiefgreifende Beobachtung  allerdings, wie sie der Kellner in einem Wiener Restaurant macht, sicher noch nicht.

Er trägt den Namen Valentin und ist von ihrer Schönheit geblendet, als er sie zum ersten Mal sieht. Sie, Irina, die Wildkatze. Ihre Begleitung, ein im Gegensatz zu ihr eher unscheinbarer Mann, der Löwe, an ihrer Seite. Valentin kennt die verschiedenen Arten von Pärchen, Verhaltensmuster und Gepflogenheiten. Dieses Pärchen ist anders, es raubt dem Kellner den Atem, sobald es das Lokal betritt. Sie kann er kaum in Worten beschreiben, kein Wort würde ihr gerecht werden.

Die Wildkatze verzaubert jeden Mann und jeder Mann würde sie gern an ihrer Seite haben. Wahrlich eine Frau von Frau. Irina. Valentin ist sich sicher, dass dieses Paar kein Paar in der Öffentlichkeit außerhalb des Restaurants ist und er ist sich sicher, dass beide definitiv Sex miteinander haben. Er liest es aus ihren Gesichtern, analysiert die Kleidung, ihre Bewegungen, das ganze Paket namens Wildkatze und Löwe.

Ein Versprechen von Gegenwart -
Ein Versprechen von Gegenwart – geheime, prickelnde Liebe

Die Besuche des Pärchens häufen sich und Valentin kann seine Augen nicht von beiden lassen und lässt sich während ihrer Anwesenheit auch nicht davon ablenken. Er ist umfassend fasziniert und sein Kassenbuch wird voller und voller, denn er hält darin sämtliche Informationen über die beiden fest.

Die Besuche werden häufiger und Valentin sehnt sich nach der Zeit kurz vor oder nach Mitternacht. Er nähert sich ihnen aus der Distanz an, da sein Wissen von Besuch zu Besuch größer wird. Valentin selbst nährt sich am Anblick von ihr, dem Verhalten des heimlichen Paares und wird zum Mitwisser eines Geheimnisses, welches beide miteinander teilen.

Vor Valentin öffnet sich eine neue Welt, wenn er die Wildkatze und den Löwen sieht und er taucht gern darin…

Diesen kleinen aber feinen Roman des österreichischen Schriftstellers Clemens Berger kann ich kaum in empfehlende Worte packen. Ein Werk über einen Meister der Umfeldanalyse, welches so voller prickelnder Erotik und Detailverliebtheit steckt, dass man während des Lesens immer mehr von der Nahrung die Berger streut gesättigt wird.

Ein Versprechen von Gegenwart -
Ein Versprechen von Gegenwart – erotische Nachsicht

Clemens Berger wirft den Leser in einen regelrechten Wörterfluss der durch und durch prickelt. Ein Roman mit Nachsicht aus der Perspektive des Kellners erzählt, welcher nicht nur auf das Pärchen schaut, sondern immer wieder von seinen Gedanken dazu veranlasst wird, in sein eigenes Liebes- und Beziehungsleben zu blicken. Während er umfangreich das Verhältnis der Wildkatze und des Löwen offen legt und Stein für Stein aufeinandersetzt, traut er sich nach und nach an die bruchstückartige Öffnung seines eigenen Lebens.

Wer bisher zu wissen dachte, was Erotik ist, kann dieses Wissen nach diesem Roman vernichten. Clemens Berger definiert Erotik neu und was er schreibt, ist Erotik, facettenreiche Erotik.

Auf jeder Seite hätte ich Post´its unterbringen können, solche Zitatefluten strömten mir entgegen. Bergers Worte möchte man am liebsten in sich tief verankern und mit seinen Worten sprechen. Es fällt schwer, Worte für seine Worte zu finden, denn für seine im Roman verwendeten gibt es einfach keine anderen.

Ein Versprechen von Gegenwart - Clemens Berger
Ein Versprechen von Gegenwart – Clemens Berger

Als Frau habe ich mich in den Roman verliebt und einem Mann dürfte dies mittels der gewählten Erzählperspektive ebenso leicht fallen. Erotik muss kein Sex sein, aber auch dieser wird in einigen Szenen beschrieben und zwar so treffend, wie alle anderen Szenen zuvor.

Am Ende dieser knapp 160 Seiten hängen die Gedanken immer noch im Roman und die Augen öffnen sich weit. Ein erneutes Lesen ist wohl die Krönung des Lesegenusses, denn genau dann werden sich weitere Wortäste finden, die noch tiefere Details ausleuchten und Kleinigkeiten aufsaugen lassen.

„Ein Versprechen von Gegenwart“ aus dem Hause Luchterhand ist ein Roman voller Nachsicht – und um in Clemens Bergers Worten zu sagen: „der in ein Reich der Lust und Verführung führt, auf einen Spielplatz gegen den Alltag, gegen die Wirklichkeit, gegen ihre Geschichten, in dem alles außer Kraft gesetzt war.“

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