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Beim Lesen entstehen Bilder, Bilder die wir versuchen genauso umzusetzen, wie wir sie vor unserem Auge sehen. Kuckucksmädchen hatte ich noch nicht mal richtig in der Hand, da legte ich es auch schon wieder beiseite, denn ein Bild musste einfach erstellt werden. Bereits auf der zweiten Seite, begegnete mir dieses wundervolle Zitat: „Ein ganzes Bett voller Zeit“.

Jonathan bringt Wanda sonntags das Frühstück ans Bett und sagt dies zu ihr, wenn er sie im Bett vorfindet, mit den Seiten ihrer Tageszeitung um sich verteilt. Sprachlich schleicht sich der Roman sofort in mein Herz. Wanda allerdings ist ein schwieriger Charakter, mit dem ich mich von Seite zu Seite mehr versuchte anzufreunden.

Wanda ist 30 Jahre und beginnt von einer Sekunde auf die andere ihr Leben in Frage zu stellen. Ihr wird es zu eng, obwohl sie eigentlich seit drei Jahren mit Jonathan eine glückliche Beziehung führt. Dies dachte sie eigentlich. Nichts steht einer gemeinsamen Zukunft im Weg. Durch den Tod ihrer Großeltern, deren Wohnung sie gerade ausräumt, hat das Paar die Möglichkeit sich dort gemeinsam einzurichten. Jonathan möchte Kinder mit ihr und er möchte sie heiraten. Doch genau dieser Punkt, lässt Wand einen großen Schritt zurückgehen und es gibt Streit. Aber auch ihr Alter bringt sie ins Grübeln, die Vergänglichkeit, welche eine ungerechte Sache ist, wie sie findet.

Der Alltag nimmt ihr eindeutig zu viel Platz ein, ihr fehlt die Frische aus der Anfangszeit mit all ihren liebevollen Facetten  und auch ihr Herz scheint sich nicht mehr sicher zu sein, ob er der Mann ihres Lebens ist. Die zunehmenden Pärchenabende langweilen Wanda und die Tatsache, dass im Freundeskreis immer mehr Nachwuchs das Licht der Welt erblickt, macht sie zweifelnd und nachdenklich. Vielleicht ist Jonathan ihre falsche Option, vielleicht rauben sie sich gegenseitig die Zeit, Wanda umhüllt sich selbst immer mehr mit Unsicherheit.

Zukunftsweisende Entscheidungen muss Wanda treffen, die Flucht davor, scheint ihr zum jetzigen Zeitpunkt die geeignetste. Wehmütig schaut sie auf ihre Vergangenheit zurück, ihr beschwingtes Leben vermissend. Hätte sie heute vielleicht ein anderes Leben, wenn sie mit einem ihrer Exfreunde noch zusammen wäre?

Wanda beschließt eine Art Projekt durchzuführen und nimmt mit ihren ehemaligen Freunden Kontakt auf. Sie möchte wissen, wie es ihnen geht, wie sie leben und ihre Zukunftswege malen wollen. Bei ihren Begegnungen ist sie immer wieder im Dialog mit ihrem Herz und beide wissen, dass die Wege und Leben, gegen die sie sich entscheiden, begrenzt sind.

Sie weiß nicht was sie will, doch was sie nicht will, ist ihr bewusst. Sie möchte nicht in einem Nest wohnen, was funktioniert, wie alle anderen Nester in der Stadt und vor allem kein Bullerbü-Zuhause.

Kuckucksmädchen Wanda beginnt von Nest zu Nest zu fliegen und fragt sich, ob sie noch reinpasst. Sie lässt ein paar Federn und fliegt weiter.

Wanda steckt voller Zweifel und ist sich bewusst, dass der Mann, mit dem sie zusammen zieht, mehr ist, mehr sein muss. Es ist die Wohnung ihrer Großeltern, es ist die Fortsetzung, es ist eine Ansage.

Eva Lohmann hat mich mit ihrem Schreibstil total gefesselt. Wundervolle magische Zitate fließen von allen Seiten in den Haupthandlungsstrom hinein. Poetisch, kräftig, malerisch wie auch direkt. Ihre Protagonistin Wanda allerdings ist ein Charakter der wohl nicht jedem Leser liegt. Zudem ordne ich ihren Roman als absoluten Frauenroman ein. Nicht im Sinne von Unterhaltungsfrauenroman, sondern als Roman der besonders den weiblichen Leserinnen nah gehen soll. Mir gingen Wandas Gedanken sehr nah, denn täglich werden neuen Entscheidungen von uns allen abverlangt, vor allem in Sachen Beziehung und Familiengründung.

Auch die Auflösung der Wohnung ihrer Großeltern und die damit verbundenen Gedankengänge, sind emotional und machen nachdenklich. Ihr ganzes Werk regt zum Nachdenken an und lässt innehalten, zurückblicken und einen schwachen Blick nach vorn wagen. Der Dialog mit dem Herz, bringt die nötigen Lockerungen und regt ab und an trotz verzwickten Situationen zum Schmunzeln an. Eine gute Brücke, um alle Entscheidungswege zu verbinden.

Ich hätte mir allerdings gewünscht, mehr von Jonathan zu erfahren. Er war mir zu blass gezeichnet, er war mir persönlich bei all dem was ihm passierte, zu passiv. Wenn ich eine Person liebe und das über alles, dann kämpfe ich, dann suche ich das Gespräch, dann möchte ich Klartext.

Kuckucksmädchen, erschienen im Piper Verlag, lässt mich weiter denken. Eva Lohmann hat mich mit ihrem Sprachstil bewegt und mir mit ihrem Roman auch ein tiefes Eintauchen in mich selbst erschaffen. Die sechs langen Kapitel sind jeweils mit Zitaten verziert, welche an sich bereits schon nachdenklich machen. Ihr Nachwort ist magisch und diese macht mir zudem die Autorin selbst, sehr sympathisch.

Kuckucksmädchen – nachdenken, entscheiden, zweifeln, leben, lieben, den Schritt wagen.

3 Comments on Eva Lohmann – Kuckucksmädchen

  1. Ich habe mich sehr gefreut darüber, mit Hilfe deiner schriftlichen aber auch visuellen Eindrücke noch einmal in das Buch und die Geschichte abzutauchen. Sprachlich habe ich das „Kuckucksmädchen“ auch sehr gerne gelesen und mir viele Sätze angestrichen. Leider ist es mir nicht gelungen, mit Wanda warm zu werden – ich mochte sie einfach nicht. Interessant, dass es dir da scheinbar ganz anders ging …

    Viele Grüße
    Mara

  2. Liebe Mara,

    ich habe deine Rezension auch gelesen und mir hat sie ebenfalls sehr gut gefallen. Wanda ist schwierig, auf jeden Fall. Sie hat an einigen Stellen auch genervt und doch konnte ich sie irgendwie verstehen…

    Manchmal sind die Lebenswege nicht leicht und ab und an dauert es, bis die Zukunft sich öffnet bzw. der richtige Weg.

    Ich zweifelte stellenweise mehr an Jonathan…er hätte doch gerade weil er sie liebt, etwas kämpfen müssen oder? Wenn ich er wäre und mich gerade mit ihr getroffen hätte, hätte ich sie wohl versucht bei mir zu halten bzw. ein tiefes Gespräch gesucht, um über Probleme zu sprechen…

    Die wundervollen Zitate sind einfach grandios, ich habe einige Postits eingeklebt.

    Danke für deine Worte und dein Bilderlob 🙂

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