„Große Erwartungen“ mit Mister Pip und „Mister Pip“ über Mister Pip…

Mister Pip – wer ist Mister Pip?

Was hat Charles Dickens mit diesem Buch zu tun, zumal der Autor von „Mister Pip“ Lloyd Jones ist?

Zwischen diesen beiden Autoren ist ein dickes Wortband verknüpft, denn Pip ist eine dickens`sche Romanfigur aus „Große Erwartungen„. Literatwo hat sich in der Weihnachtszeit Charles Dickens zugewendet und zudem haben wir im Feburar seinen 200. Geburtstag gefeiert.

Mr. Rail hat sich tief in Große Erwartungen hineinfallen lassen und immer und immer wieder haben wir über dieses großes Werk gesprochen. Der zusätzliche Tiefgang wird durch Gespräche und das darüber Schreiben erzeugt und im Fall „Mister Pip“ gab das Schreiben den Ausschlag.

Mandy Ehrentraut hat auf Facebook mit uns Kontakt aufgenommen, als sie sah, dass Mr. Rail Große Erwartungen liest und empfahl uns beiden, unbedingt in Mister Pip einzutauchen. Sie selbst hat im Roman von Jones einen wahren Buchschatz entdeckt und nach diesem Roman die Lust verspürt sich bald in Große Erwartungen zu begeben, um Pip wieder zu treffen.

Mr. Rail ging auf der Buchstraße zuerst ins Haus Große Erwartungen und dann ins Haus Mister Pip, ich selbst ging teils auf der Straße Mr. Rails, teils auf der Straße Mandys, oder besser ich ging mit den Gedanken und Erzählungen zu Große Erwartungen in das Haus des Mister Pip.

Und so kommen wir auf der literarischen Straße gemeinsam an – Mister Pip & Pip – neben uns laufend.

Matilda zieht es förmlich mit einem Ruck aus ihrer Depression, aus ihrer tagelangen Schlafphase. Sie befindet sich in London und beginnt zu schreiben.

„Alle nannten ihn Pop Eye.“

Diese fünf Worte lösen in Matilda eine Welle des Schreibens aus. Matilda denkt zurück, an ihre Kindheit in Bougainville – dem eigentlich paradiesischen Idyll im Südpazifik. Ihr Leben verlief ruhig und unspektakulär. Sie ging zur Schule, half ihrer Mutter und verbrachte stundenlang Zeit mit ihren Freunden. Ihr Vater ist seit einigen Jahren fort, zum Arbeiten in Townsville. Er muss Geld verdienen und sobald er eine neue Heimat aufgebaut hat, wollten Matilda und ihre Mutter nachreisen. Doch daraus wurde nichts, denn die Rothaut-Soldaten von Port Moresby fielen über die Insel her und blockierten sie.

„Wenn alles was wir tun, sinnvoll wäre, sähe die Welt anders aus.“

Es gab kein Hereinkommen oder Herauskommen mehr, die letzten Boote legten so schnell es ging von der Insel ab, darunter in einem davon auch ihr bisheriger Lehrer. Die Zeit der Ruhe und Stille legte sich über die Insel, die Schule geschlossen, keine Perspektiven – die Leben der Inselbewohner müssen sich neu ordnen.

Mr. und Mrs. Pop Eye erregen täglich die Aufmerksamkeit der Kinder. Eigentlich heißen die beiden Grace und Tom Christian Watts, aber da sie so ein ungleiches und merkwürdiges Paar sind, haben die Kinder sie umgetauft. Keiner möchte etwas mit den zurückgezogen Lebenden zu tun haben, vor allem die Erwachsenen nicht.

Als Mr. Watts den Schullehrer ersetzt und die Kinder in seinen Unterricht kommen, ist dieser noch mehr ein Dorn in den Augen der Erwachsenen. Vor allem Matildas Mutter ist empört, doch sie muss hinnehmen, dass ihre Tochter die Schule besucht. Kein anderer Mensch der auf der Insel lebt, hätte die Fähigkeit zu unterrichten und schließlich müssen die Kinder etwas lernen. Mr. Watts gestaltet den Unterricht so, wie er es für richtig hält und nutzt seine ihm gegebenen Mittel dazu. „Große Erwartungen“ von Charles Dickens stellt er den Kindern vor und möchte es mit ihnen zusammen lesen. Zudem lädt er nach und nach die Eltern der Kinder in den Unterricht ein, denn diese sollen teilhaben, mitwirken beim Öffnen neuer Welten, fernab des bisherigen Daseins.

Matilda lässt sich immer mehr in den Roman fallen, ihre großen Erwartungen werden erfüllt und Pip schleicht sich immer mehr in ihr Herz. Pip wird zu ihrem besten Freund und Begleiter und er eröffnet ihrer Fantasie und ihren Gedanken eine ganz eigene kleine Welt. Sie fühlt sich wohl und hätte Pip gern immer um sich. Bei ihm findet sie Zuflucht, was ihr und auch den anderen Kindern den Verstand rettet.

Auf der Insel scheint etwas Frieden einzukehren und das Gleichgewicht unter den Bewohnern und das Leben im Allgemeinen bekommen eine neue Basis. Doch der Frieden währt nicht lange, denn die dünne Schale die sich um die Insel gelegt hat, um sie zu schützen, wird aufgebrochen und auch unter den Bewohnern wird das Feuer des Unglaubens und Misstrauens angeschürt.

Dank Theresa Engel sind wir Mister Pip literatwoisch gefolgt…

Wir Literatwos haben uns auf eine Insel begeben und sofort wohl und zuhause gefühlt. Lloyd Jones schreibt poetisch, malt mit seinen Worten Inselbilder und bringt tiefe Gefühlswelten ins Leserherz.

Ein Buch im Buch hat der Autor uns geschenkt, eine ungewohnte Romanart, die aber genau mit dieser Eigenschaft besticht. Die Atmosphäre der Insel und deren Bewohner sind so lebendig, dass man das Gefühl hat, sich jeden Abend auf der Insel schlafen zu legen und jeden Morgen auf der Insel zu erwachen, selbst wenn man gerade nicht im Buch liest. Lloyd weiß wie er den Leser mit Poesie und einem Mädchen namens Matilda fesselt, ergriffen macht und zum Nachdenken bringt. Doch nicht nur Matilda, sondern auch die Rolle des Mr. Watts ist purer Tiefgang. Tränen können am Ende einfach nicht unterdrückt werden, denn das Leserherz ist gefühlig angespannt und hätte die letzte Seite nie erreichen wollen. Es war einfach zu schön…

„Mister Pip“ hat sich zum Herzensbuch entwickelt, Literatwo an die Hand genommen, entführt und eine Welt entblättert, in der sich auch Charles Dickens wohlgefühlt hätte. Ja – das glauben wir und es wäre schön zu wissen, was Dickens dazu sagen würde, Pip in einem weiteren Roman über den Weg zu laufen.

Danke an Mandy Ehrentraut für diese Buchempfehlung die wir sicher nie alleine entdeckt hätten und Danke an Theresa Engel, denn sie hat unsere Inselharmonie aufgegriffen und ein Bild für uns gezeichnet, das uns immer das lebendige Inselleben bei Matilda und Pip in Erinnerung behalten lässt.

Das schönste Zitat aus Mister Pip, das wir absolut unterschreiben können ist:

„Wer von einem Buch gefesselt ist, vergisst einfach zu atmen. Da mag das Haus in Flammen stehen, ein versunkener Leser wird erst aufblicken, wenn die Tapete Feuer fängt.“

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