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Stella ~ Takis Würger

Stella ~ Takis Würger

Tatsächlich habe nun auch ich „Stella“ von Takis Würger gelesen. Natürlich habe ich mitbekommen, dass Würgers zweiter Roman in den Medien sehr heiß diskutiert wird. Wohl auch zerrissen und getreten, bewusst habe ich mir wie das kleine Äffchen, welches wir doch alle gern bei Whatsapp nutzen, die Augen und Ohren zugehalten. Keine Ahnung, ob ich „Stella“ (HANSER) lesen wollte oder nicht – ich habs einfach getan und die knapp 220 Seiten recht schnell inhaliert.

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Die Unsterblichen ~ Chloe Benjamin

"Die Unsterblichen" ~ Chloe Benjamin // Verlag: btb // Preis: 20€

Zu einigen Bücher wird man via Zufall geleitet. Wie ich zu diesem Buch kam, ist aber letztendlich egal. Fakt ist: ich hätte es nie gelesen, da es mir im hiesigen Bücherland nie begegnete und der wohl heftigste Fakt ist, dass es eines der besten Bücher des Jahres ist. Wahnsinn. Ich bin noch total im Taumel, denn nur wenige Minuten ist es her, dass ich den letzten Satz gelesen habe. Knapp 500 Seite in kaum zwei Tagen, eine Geschichte die mich vom Hocker gerissen hat, vier starke Charaktere die mich regelrecht atemlos gemacht haben. Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube die ersten 200 Seiten habe ich ganz ohne atmen verbracht. Versteh mich nicht falsch, es handelt sich hier weder um einen Thriller, noch um einen Krimi. Nüchtern betrachtet ist es eine Familiengeschichte, die ganz harmlos beginnt, aber so viel in mir ausgelöst hat – puh…

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Mein Ein und Alles ~ Gabriel Tallent

Mein Ein und Alles ~ Gabriel Tallent

Wenn du kurz überlegst, fällt dir bestimmt ein, wann du das letzte Mal zu jemanden „Mein Ein und Alles“ gesagt hast. Richtig? Diese wenigen Worte klingen nicht tief und bedeuten doch so viel. Du bist mein Ein und Alles – diese Worte hört die 14-jährige Julia Alveston, Turtle genannt, sehr oft von ihrem Vater. Ihr Vater liebt sie, seine Tochter, die er nach dem Tod der Mutter ganz alleine aufzieht. Ja, es gibt noch den Großvater, der mit auf dem Anwesen lebt, welches immer mehr verwildert. Er trinkt gern, ist aber ein herzensguter Mensch, der seine Enkelin ebenfalls liebt, allerdings so wie man seine Enkelin lieben sollte. Ihr Vater liebt Turtle nicht nur wie seine Tochter, er liebt sie auch wie er seine Frau geliebt hat. Mit diesen Worten möchte ich ausdrücken, was dich grob erwartet und spreche eine Triggerwarnung aus.

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Fayvel der Chinese ~ Philippe Smolarski

Fayvel der Chinese ~ Philippe Smolarski

Fayvel hat mir aus dem Messestand des Liesmich Verlages regelrecht entgegen gegrinst. Zu meiner Schande gestehe ich, dass ich vom Leipziger Verlag erst auf der Buchmesse im März 2018 erfahren habe. So konnte ich auch Fayvel nicht eher kennenlernen. Aber nun ist hier und heute doppelte Premiere.

Mag sein, dass das Cover nicht gerade dafür gemacht ist, Aufmerksamkeit zu erregen. Aber es geht schließlich um einen Ganoven, um einen Schmuggler, um einen Bandenchef. Da sind zurückhaltende Farben angebracht, die Tarnung soll nicht auffallen. Dafür ist der Inhalt rasant und natürlich bunt, denn Autor Philippe Smolarski treibt uns Leser durch sein Roadmovie und bringt uns von der einen brenzligen Lage in die andere.

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Auster und Klinge ~ Lilian Loke

Auster und Klinge ~ Lilian Loke

Knallpinker Untergrund mit knallorangem Herz – Farben die ins Auge stechen und genauso ungewöhnlich in ihrer Kombination sind, wie die zwei Protagonisten von Autorin Lilian Loke.

Völlig unbefangen begann ich während der Autofahrt mit dem Roman „Auster und Klinge“ (C.H. Beck Verlag). Nach wenigen Seiten musste ich so lachen, dass ich kurz unterbrechen musste, um dann das Gelesene erneut, aber laut, vorzulesen. Ich musste den Inhalt von Anfang an teilen, zu komisch, zu bösartig, zu außergewöhnlich.

Doch bevor ich dir erzähle, mit wem du es im Roman zu tun bekommst und warum ich dir den Roman ans Herz lege, frage ich dich: Einbruch und Kunst sind sich ähnlich, richtig? Man muss schon eine Art Künstler sein, um in Wohnungen einzubrechen. Ob Einbrecher oder Künstler – beide Typen sind für mich speziell und haben außergewöhnliche Denkweisen. Für mich sind diese nicht völlig nachvollziehbar, müssen sie aber auch nicht sein. Oder was sagst du?

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Herz auf Eis ~ Isabelle Autissier

Herz auf Eis ~ Isabelle Autissier

Mein Herz fühlte sich beim Lesen sehr oft eisig an. Ein ganz neuartiges Gefühl habe ich kennenlernen dürfen. Ich kann mir kaum erklären, warum mich diese unglaublich negative Stimmung überfallen hat. Aber ich stimmte Louise zu, feuerte sie an, schickte ihr Kraft und dachte kaum an ihren Mann Ludovic. Ohne weitere Wertung halte ich für mich fest, dass dieser Roman mich forderte, an meinen unteren Gefühlsschichten kratzte und auf keinen Fall so unschuldig ist, wie man anhand des Covers meinen könnte.

Der Roman „Herz auf Eis“ (mare) wurde mir in der Buchhandlung „Der Buchladen Rügen“ in Gingst empfohlen. Ohne zu überlegen, nahm ich ihn mit und fand mich wenige Minuten später bereits auf einer einsamen Insel wieder. Gestrandet. Ohne Schiff. Es ist nass, es ist nicht wirklich warm und es gibt keinen Kontakt zur Außenwelt. Ich bin mit Louise und Ludovic gefangen, es fühlt sich an, als ob wir jetzt alle den Namen Robinson Crusoe tragen und jeden Moment Freitag um die Ecke kommt. Wäre die Situation nicht so tragisch, könnte man drüber schmunzeln. Es gibt keine Einheimischen, nur ein paar Tiere und die alte Walfangstation. Louise und Ludovic sind auf sich allein gestellt, auf die Insel nähe Kap Hoorn verirrt sich niemand, ab und an höchstens ein Forscherteam.

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Das Mädchen aus der Metro ~ María Jeunet

Das Mädchen aus der Metro ~ María Jeunet

Meinst du, dass „Das Mädchen, das in der Metro las(Dumont Verlag), „Das Mädchen aus der Metro“ (Thiele Verlag) kennt? Irgendwie ein schöner Gedanken, denn Bücher verbinden doch. Zumindest habe ich mich das gefragt und ich gebe zu, dass ich die zwei Titel gern miteinander verwechsele. Zweimal Mädchen, zweimal Metro – das kann schon passieren, finde ich.

Heute möchte ich dir das andere Mädchen vorstellen, darum komm mit mir nach Paris. Bevor wir das besagte Mädchen, eher die Frau mit den blonden Haaren und dem safrangelben Mantel treffen, lernen wir zuerst Nico kennen. Nicolas Cambril ist gerade umgezogen, nicht gerade positiv gestimmt und Kinderbuchautor. So darf er sich noch nennen, obwohl er schon längst sein zweites Buch veröffentlicht haben soll. Da es mit dem Schreiben gerade nicht klappt, muss unser 32-jähriger Erzähler arbeiten gehen. Sein Job ist selten spannend und doch lässt er es zu, dass er sich Hals über Kopf verliebt.

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Mausmeer ~ Tamara Bach

Mausmeer ~Tamara Bach

Es gab eine Zeitlang hier auf meinem Blog fast nur Jugendbuchempfehlungen. Der Hauptgrund war schlicht und ergreifend, dass die Jugendromane oftmals viel mehr Tiefgang hatten, als Gegenwartsromane und zudem auch lockerer, realer, unverstaubter. Es war einfach so, ich surfte lesend eben auf der Jugendbuchwelle. Eine Welle ist nicht endlich und die Literatur ist wahnsinnig vielseitig und obwohl ich keine schlechten Erfahrungen machte, fand ich mich mitten im Gegenwartsliteraturdschungel wieder und fühlte mich wohl. Und jetzt?

Scheinbar bin ich gerade in einer Phase in der ich auf und ab tauche und fröhlich hin und her springe. In Leipzig auf der Buchmesse habe ich Tamara Bach auf dem Carlsen-Bloggertreff kennenlernen können. Erst wurde die Autorin ein wenig interviewt, dann hat sie gelesen, später ein Foto mit mir gemacht, kurz geplauscht und am Ende gab es noch eine schokoladige Überraschung – passend zum Buch, versteht sich.

Tamara Bach lässt gleich zu Beginn spüren, dass ihr Buch nicht zu denen gehört, die man aufschlägt, regelrecht durchfliegt und schwupps die wupps ist man fertig. Nein – sie fordert, sie provoziert uns Leser regelrecht damit, einige Sätze zweimal zu lesen. Wollen wir das? Ohja – auf jeden Fall, denn „Mausmeer“ (Carlsen Verlag) knistert gleichmäßig geheimnisvoll und spricht auch ein wenig in Rätseln, so möchte ich es nennen. Strandlektüre sieht anders aus, ich empfehle dir eher die Bank an einem Teich oder See.

Gedankenstrom statt Ich-Perspektive

Bevor ich dir mehr erzähle, bekommst du fürs Gefühl einfach mal die ersten Sätze – okay?

„Er sagt „Hey“, sagt es laut.

Ich bin wach. Ich mache die Augen auf und er fragt: Bist du wach?“ Er macht das Licht an, sitzt neben meinem Bett.

Zappelt.

Ich muss blinzeln, zu hell.

„Ich bin durchs Fenster geklettert“, sagt er.“

(Seite 5)

Mausmeer ~Tamara Bach

Und? Was sagst du? Tamara Bach bringt uns durch ihren Erzählstil wahnsinnig nah an die Geschwister Ben und Anni. Sie wählt nicht die einfache Ich-Perspektive, sondern lässt uns im Gedankenstrom treiben. Für mich eine ganz neuartige Erfahrung. Anfangs noch verwirrend, dann immer klarer werdend und letztendlich fühlt sich dieser Stil recht normal an und öffnet gleichzeitig neue Blickwinkel.

Bist du schon neugierig oder soll ich doch noch ein paar Worte über den Inhalt verlieren?

Tamara Bach schreibt nicht über eine Liebesbeziehung, sondern über die Geschwister Anni und Ben, das Erwachsenwerden und nervige Eltern und natürlich über Entscheidungen die an bestimmten Lebensabschnitten getroffen werden müssen. Der Geruch von Opas altem Haus soll die Kindheit ein wenig auferstehen lassen – es ist Ostern, die Eltern sind im Urlaub und Ben entführt seine Schwester in die Einöde, um endlich mit ihr reden zu können. Die Geschwister sind wie Tag und Nacht, wie hell und dunkel, wie warm und kalt – es gibt kaum eine Verbindung und Ben muss und will Anni so viel sagen, ihr wieder näher sein.

Mausmeer

Bist du eher der Typ der die Schule geschmissen hat, einfach raus und frei sein will oder bis du eher der Typ der studiert und auf den man sich verlassen kann? Kleiner Bruder oder große Schwester?

Mit beiden Charakteren konnte ich mich persönlich gut identifizieren, auch wenn ich sie mir vor meinem inneren Auge nicht vorstellen konnte. Aber braucht es ein Bild, wenn es Gefühle gibt und Reibungspunkte die tief wirken?

Die Autorin gibt uns Lesern sehr viel – sie präsentiert uns keine Geschichte die wir gut oder schlecht finden können, sie zieht uns eher genau dazwischen und klopft parallel unsere Gedanken ab, welche das Buch intensivieren. 140 wuchtige Seiten mit kurzen Sätzen die nicht immer leicht zu lesen und sogar manchmal verdreht sind. Doch letztendlich ergeben die Perspektivwechsel, der Stil und natürlich der Inhalt ein ganzes Puzzle.

Der Sprung ins Mausmeer braucht Mut, da er sich erst kalt anfühlt. Doch es mangelt nicht an Luft, das Wasser ist klar und das Auftauchen ist besonders. Trau dich!

Eure
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Dunkelgrün fast schwarz ~ Mareike Fallwickl

Dunkelgrün fast schwarz ~ Mareike Fallwickl

Zwar bin ich keine Farben-Synästhetin, aber ich bin vor vier Jahren einer begegnet. Ihr Name ist Sophie und ich habe sie im Roman „Der Geschmack von Sommerregen“ von Juli Leuze getroffen. Ein wahnsinnig tolles Mädchen, denn Sophie kann Gefühle in Farben sehen. Jetzt fragst du dich wahrscheinlich, warum ich hier Sophie erwähne. Die Antwort liegt auf der Hand – ich denke nämlich, dass sich Sophie gut mit Protagonist Moritz verstehen würde und sie sich hervorragend austauschen könnten.

Moritz sieht seinen ehemaligen besten Freund Raffael nach 16 Jahren wieder und sieht ihn grün.

„Das Grün ist dunkler geworden, viel dunkler, tief und massiv, fast schwarz. … Einst war Raffael knospengrün, raupengrün, wie Zuckererbsen in ihrer frisch geöffneten Schote, an manchen Tagen limonenhell.“ (Seite 39)

Mit diesem Grün färbt Raffael allerdings alles grau ein. Moritz wird aus seiner heilen Welt gerissen, als der Mann wieder in sein Leben tritt, der ihn damals einfach so, ohne viele Worte, verlassen hat. Jahrelang waren die beiden Jungs unzertrennlich, dann kam der Schnitt und Moritz musste damit klar kommen und seinen Lebensweg finden. Jetzt steht Raffael vor ihm, als ob sie sich erst gestern zum letzten Mal gesehen hätten und bleibt kurzfristig über Nacht. Moritz scheint hypnotisiert, ihm fehlen protestierende Worte, er ist sprachlos und überlässt die Gastfreundlichkeit seiner hochschwangeren Freundin Kristin.

Teufelsdreieck

Moritz fällt zurück in sein damaliges ICH und wird erneut zum Hinterherläufer. Seine Mutter Marie war nie froh über die Freundschaft, die sich recht schnell entwickelte. Sie erkannte sofort, dass Raffael nicht nur ein Lausebengel, sondern ein regelrechtes Arschlochkind ist, was nur selten auf frischer Tat ertappt wird. Moritz seht Raffael treu zur Seite und die schon recht explosive Mischung bekommt zusätzlichen Zündstoff, als Johanna dazukommt. Ein Trio – ein Teufelsdreieck ohne Ausweg.

Dunkelgrün fast schwarz ~ Mareike Fallwickl

Boahr…einatmen, ausrasten ausatmen…

In meinem Inneren hat es stellenweise so gebrodelt, dass ich das Gefühl hatte zu platzen. Ich habe mich von Raffael so verdammt provoziert gefühlt. Entschuldige darum auch den Ausdruck Arschlochkind – aber eine andere Bezeichnung wäre nicht angebracht. Er hat wie ein Torero mit dem roten Tuch gewedelt und ich habe wie der Stier mit den Hufen gekratzt und Anlauf genommen. Dabei habe ich mich vor Moritz und vor seine Mutter Marie gestellt. Doch ich bin nicht auf ihn losgegangen, verzeihen konnte ich ihm aber auch nicht. Autorin Mareike Fallwickl hat es geschafft, mich richtig aufzuwühlen. Sie hat intensiven Szenen gern noch eine Art Nachschlag gegeben, damit sie sich einbrennen. Ich habe wütend gelesen, verzweifelt, schockiert und bodenlos traurig.

Dunkelgrün fast schwarz

Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass mich das Buch nicht gefesselt hat. Innerhalb von wenigen Stunden habe ich es verschlungen, was einfach der Erzählperspektive und den Zeitsprüngen geschuldet ist. Ich musste einfach wissen, wie es weiter geht – erst treffen wir Protagonist Moritz in der Gegenwart, dann finden wir uns in der Vergangenheit bei Marie wieder und letztendlich stehen wir neben Johanna. Die Fäden verbinden sich nach und nach und jeder Erzählstrang ist voller Spannung und gibt uns immer mehr Aufschluss, warum die Leben sich genauso und nicht anders entwickelt haben. Und selbstverständlich findest du dich selbst zwischen den Zeilen, nickst zustimmend oder schüttelst frustriert den Kopf.

Freundschaft, Lügen, Bosheiten, Blendung, Liebe, Gefühle, Hass – eine spezielle Mischung, zwei gegensätzliche Charaktere die sich anziehen und eine wirklich poetische, aber auch nüchterne Sprache. Schonungslos, offen, gefühlvoll und ab und an vorhersehbar mit kleinen Schwächen, die dem Roman nicht schaden, ihn eher authentischer machen. Ich habe „Dunkelgrün fast schwarz“ (FVA) sehr gern gelesen und bekommen, was ich als Leser wollte und mir erhoffte.

Mareike Fallwickls Worte schneiden tiefe Wunden, verheilen zu Narben die immer wieder daran erinnern, was damals passiert ist und hinterlassen gewaltigen Eindruck.

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4321 meins! Hast du den Auster gelesen?

4321 ~ Paul Auster

Ihr lest den Auster? Das ist ja mal eine Hausnummer und ich glaube, ich trete gern in euren Buchclub ein und ja, ich bin beim Auster dabei. Die nicht vorhandene Lesezeit für „andere Bücher außer der Literatworeihe“ hielt mich wohl ab, in den Literaturclub Novelle in Dresden einzusteigen. Der Auster lockte mich letztendlich und es macht wirklich großen Spaß, über so ein Meisterwerk, so einen Wälzer, zu sprechen. Okay, bei über 1000 Seiten ist es nicht so einfach, einen Anfang zu finden, erst Recht nicht, wenn es 4 verschiedene Leben darin zu finden gibt und doch hat es richtig gut funktioniert. 4321…

Was will ich dir jetzt hier eigentlich über den Auster erzählen? Gute Frage – ich fange einfach mal mit meinen Gefühlen an und dann wirst du schon merken, ob du weiter liest oder nicht. Ganz egoistisch möchte ich hier nämlich für mich festhalten, wie es mir erging und locker darüber schreiben, was dieses Buch mit mir gemacht hat.

4321 – meins

Boahr – was für ein dickes Buch mit wahnsinnig dünnen Seiten. Stolze 1300 Gramm bringt der Auster auf die Waage, nicht immer gut zu halten – ein Kraftakt. Auch lesend? Nein – ich glaube inzwischen sogar, dass dicke Bücher richtig gut mit mir harmonieren. Ich sag nur die gute „Brilka“ oder „Ein wenig Leben„. Zwei Romane die ebenfalls mehr als 1 Kilogramm Gewicht mitbringen und den Leser mit vielen Worten füttern, bekräftigen und stabilisieren. Der Auster passt perfekt neben die zwei benannten Bücher und hat mich genauso wenig enttäuscht. Klar, es gibt immer ein paar Längen in einem Buch oder einige Themen gehen nicht ganz mit unseren Interessen Hand in Hand. A B E R – darum lesen wir doch, um uns zu erweitern und um neue Weg zu begehen. Zumindest geht es mir so.

Knapp über 14 Tage habe ich in „4321“ gelesen. Ja, ich hatte Urlaub und doch hätte ich wohl nicht wesentlich länger gebraucht, denn ich habe mich recht schnell in die vier verschiedenen Leben eingelesen und Archibald Ferguson ist mir ans Herz gewachsen. Alle 4? Hier muss ich natürlich ganz klar sagen: J A E I N.

Die Leben vom jugendlichen Protagonisten sind natürlich nicht komplett gegenteilig. In jedem der Erzählstränge sind ein paar Parallelen zu finden und Ferguson ist schon irgendwie Ferguson. Nach den ersten knapp 160 Seiten kennst du alle vier Archies. Ich lege dir gleich ans Herz, dir eine Übersicht zu erstellen. Natürlich bist du hier nicht in der Schule und du willst das Lesen genießen und keine wissenschaftliche Ausarbeitung machen – A B E R – die Übersicht wird dir sehr helfen. Ich habe mich anfangs wirklich gesträubt, da ich einfach nicht der Typ Leser bin, der sich bestimmte Verläufe aufschreibt. Mich stresst das irgendwie, da ich mir lieber die Stellen im Buch markiere.

4x Archibald Ferguson

Paul Austens Werk ist besonders und es ist auf jeden Fall richtig fordernd. Das bedeutet nicht, dass du nicht gut unterhalten wirst, aber wenn du 4x dem selben Charakter begegnest, er sich aber immer anders verhält und vor allem die vier Leben ganz anders verlaufen, ist es schon praktisch zu wissen, was im jeweiligen Kapitel davor passierte. Als ich zum Beispiel am Anfang von Kapitel 2.2. stand, war es richtig schön kurz die Stichpunkte aus Kapitel 1.2. zur Hand zu nehmen und mir DIESEN Archie in Erinnerung zu rufen.

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Paul Auster hat hier ein echtes Werk für uns geschrieben, was sich in die Reihe der Lebensbücher einreiht. Im Leseclub haben wir da recht ähnliche Ansichten. Und wir haben uns fast alle in den gleichen Archie verliebt. Der dritte Archie, der auch der rebellischste und extremste ist, hat mein Herz erobert. Ich habe eben eine Vorliebe für das Extreme und die Seiten habe ich nur so verschlungen. Was für ein krasses und aufregendes Leben. Keinesfalls sind die anderen drei langweilig, falls das jetzt so klang. Sie sind schlicht und ergreifend normaler.

Wie wäre nur mein Leben oder gar dein Leben, wenn wir immer irgendwie der oder die Selbe bleiben würden, aber die Leben so anders verliefen? Ich habe oft mich selbst betrachtet und mit meinem Leben andere Variationen durchgespielt – beruflich, privat – stundenlang könnte man darüber nachdenken und doch haben wir nur das eine Leben, was ja auch irgendwie gut so ist. Es ist so verdammt faszinierend, vier verschiedene Leben eines einzigen Protagonisten zu erlesen. Was muss Auster für einen Spaß beim Schreiben gehabt haben. Jeder Archie erlebt die Liebe, einige Schicksalsschläge, ist bescheiden, kämpferisch, künstlerisch, politisch und muss sich dem Unglück stellen. So viele Facetten, so viele außergewöhnliche Begegnungen, Gefühle und Situationen.

Chapeau – Herr Auster!

Dieser Roman ist einfach ein Meisterwerk. Jeder der ihn gelesen hat, hat keine Seite bereut, keine Leseminute verschwendet – zumindest ist mir nichts Gegenteiliges bekannt. Doch welcher Archibald Ferguson ist denn nun der richtige?

Das verrät uns Paul Auster. Natürlich aber erst am Ende und natürlich nicht auf einem Tablett serviert, sondern mit einem geschicktem Kunstgriff. Mich hat er überrascht, auch wenn ich voller Vorahnung war. Und ja, es tat weh, sich nach und nach von den drei anderen Archies zu trennen. Jeder ist so verdammt besonders.

Und das Treffen mit den Mädels und Jungs aus dem Leseclub? Es war ganz klasse. Es waren noch nicht alle fertig, aber das war keinesfalls schlimm. Wir haben alle so viele Stellen markiert, dass man szenenweise und in kleinen Gruppen darüber sprechen konnte. Zudem haben wir unsere Stichpunktzettel, Stammbäume und Diagramme verglichen. Total herrlich, wie jeder seinen Leseweg und vor allem die vier Leben von Archie festgehalten hat. Ein bunter Abend und immer wieder wurde eine neue Stelle gefunden, über die man unbedingt sprechen musste. Einfach richtig grandios, genau wie das Werk selbst.

Du solltest den Auster gelesen haben, glaub mir. Und wenn du ihn schon kennst, lies Brilka von Nino Haratischwili.

Wenn dir der dicke Wälzer zu teuer ist oder du sowieso lieber Taschenbücher magst, dann kannst du seit März zugreifen. Ich empfehle allerdings das Hardcover, da der Buchrücken nicht geknickt wird und es bei dem Gewicht einfach handlicher ist. Verrate mir doch im Kommentar, welcher Archie dir ans Herz gewachsen ist oder warum du bisher „4321“ von Auster noch nicht kennst.

Eure
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