Monat: November 2016

Altes Land – Gummistiefelwelt

Altes Land ~ Dörte Hansen
Altes Land ~ Dörte Hansen

Ich habe es nun endlich gelesen. Das war auch schon lange überfällig, denn von diesem Roman schwärmten mir schon gefühlt hunderte Leute vor. Lies es, du wirst es lieben. Altes Land? Was für ein wundervoller Roman.

Warum ich nicht eher zu diesem Buch griff – keine Ahnung. Lesewege sind nicht immer zu erklären. Und nun reihe ich mich bei den Leuten ein, die mich immer entsetzt angesehen haben, wenn ich sagte, dass ich Dörte Hansens Buch nicht kenne. Ihr müsst es lesen und zwar bald. Zieht euch Gummistiefel an, denn es geht raus aus der Stadt und rein ins Dorf, rein in die Gummistiefelwelt.

Hildegard und Vera – Mutter und Tochter – Flüchtlinge aus Ostpreußen, 1945.

Anne und Leon – Mutter und Sohn – Flüchtlinge aus Hamburg, heute.

Alle vier suchen ein neues Leben und stranden in dem alten Haus auf dem alten Land. Ida Eckhoff, Besitzerin von Hof und Haus, hält das Leben mit Hildegard nicht mehr aus. Sie nimmt sich kurzerhand das Leben und lässt ihren Sohn mit den zwei Frauen zurück. Hildegard geht es ohne Ida besser, aber nicht gut genug. Sie flüchtet weiter in die Stadt und lässt ihre Tochter zurück. Vera bleibt an Karls Seite und erbt letztendlich den großen Hof und das alte Haus. Vera wird zur Einzelgängerin. Sie hat das Haus nie geliebt. Vera fürchtet sich darin, lässt es verwildern und sitzt ihre Zeit darin ab. Sie widmet sich den Pferden, der Jagd und Heinrich Lührs, ihrem Nachbarn, denn ganz ohne sozialen Kontakt lässt es sich auch nicht leben. Das Leben ist kalt, düstere Träume von der damaligen Flucht plagen sie und Liebe und Wärme sind die zwei großen Unbekannten.

Altes Land ~ Dörte Hansen
Altes Land ~ Dörte Hansen

Auf dem Land sollte man nicht immer nur hinschauen, sondern wegschauen.

„Kiek man nicht hen.“ (Seite 208)

Neue Stadt – Altes Land

Anne dachte, dass sie fest im Leben steht. Ihre berufliche Laufbahn kann zwar nicht als solche bezeichnet werden, denn sie hat zwar Tischlerin gelernt, arbeitet aber als nicht wirklich talentierte Musiklehrerin. Sie hat einen Sohn mit Autor Christoph und wohnt in Hamburg zwischen Ökomüttern.

„Sie waren zwei Leute mit einem Kind, lose verhäkelt, drei Luftmaschen.“ (Seite 70)

Christoph zieht scheinbar seit einiger Zeit seine Lektorin vor, welche relativ schnell Leon zum Halbbruder macht. Marlene war Anne nie eine richtige Mutter, das Verhältnis zu Bruder Thomas ist kein richtiges Verhältnis. Tante Vera scheint der einzige Ankerpunkt zu sein. Hamburg-Ottensen im Rücken – das alte Land vor der Brust.

Viel mehr möchte ich vom Inhalt nicht erzählen. Der Roman lebt von den Charakteren, die so verschieden sind, dass sie sich ähneln. Die Robustheit vom Dorf, trifft auf die Zärtlichkeit der Stadt. Verletzlichkeit, Verzweiflung und Verdrängung fühlen sich fast überall gleich an. Dörte Hansens Protagonisten leben sich aus und schleichen sich ins Leserherz, egal wie eigenartig sie sind. Sie wollen kein Mitleid, sie wollen keinen Platz für seitenlange Gefühlsduselei, sie wollen erlesen und erlebt werden und ab und an Plattdeutsch sprechen. Gerade Vera ist eine Person, über die man stundenlang reden könnte, sie lässt sich in kein Muster drängen, so unvorhersehbar außergewöhnlich ist sie. Der Roman lebt von der bildlichen Sprache, dem Sarkasmus und der Ironie. Der trockene Humor ist bei diesem Inhalt Pflicht und Dörte Hansen kann ganz wunderbar mit ihm umgehen.

Altes Land ~ Dörte Hansen
Altes Land ~ Dörte Hansen

Gummistiefelwelt

Beim Lesen stehen wir in Gummistiefeln neben dem alten Haus, riechen die Landluft und wollen nicht mehr in die Stadt zurück. Ankommen – so heißt das Zauberwort, von dem Anne und Vera nur träumen können. Ein gemeinsames Projekt könnte das Ziel einer langen innerlichen Reise sein. Einer Reise bei der immer wieder hoffnungslos versucht wurde, die richtigen Wurzeln zu finden, das jeweilige Mutterherz zu erobern. Die Quittung war die Fremde, die Ruhelosigkeit und die Enttäuschung.

Auch außerhalb der großen Stadt ist die Welt nicht heile. Aber sie blüht mit jedem Jahr neu auf, auch wenn das Dorf nicht jeden Gast mit offenen Armen begrüßt. Doch dafür gibt es Bauern, wie Dirk zum Felde. Er findet den richtigen Umgang mit Stadtmenschen, die sich gern als leidenschaftliche Landwirtschaftsmenschen ausgeben und das Land in die Stadt tragen wollen.

„Altes Land“ ist ein ruhiges Buch, welches am Kaminfeuer gelesen werden möchte. Es darf ruhig regnen, der Wind ums Dach fegen und die bunten Herbstblätter dürfen gern vorm Fenster tanzen. Bei einer Tasse Tee lässt sich dieses durch und durch lyrisch literarische Werk außerordentlich gut genießen. Nach der letzten Seite wirkt das Gelesene intensiv nach und lässt uns nicht sofort in das schnelle Stadtleben zurück kehren. Einige Leser bringt Dörte Hansen vielleicht sogar dazu, ihre High-Heel-Gedanken in Gummistiefel-Realitäten zu wandeln.

Eure
literatwo_banner

Letztendlich geht es nur um dich

Letztendlich geht es nur um dich ~ David Levithan
Letztendlich geht es nur um dich ~ David Levithan

„Letztendlich geht es nur um dich“ – was für ein schöner Titel. Aber Moment mal, der kommt mir doch bekannt vor. Klar, David Levithan holt uns wieder zu sich. Nachdem er mit Letztendlich sind wir dem Universum egal mehr als überzeugt hat, zeigt er uns jetzt, wie es die ganze Zeit in Protagonistin Rhiannon ausgesehen haben muss. An dieser Stelle bitte ich alle LeserINNEN, die besagten Titel noch nicht gelesen haben, ihn zu lesen. Das Jugendbuch ist grandios und ein MUSS. Alle LeserINNEN die mit dem „Universum„, so nenne ich es mal, vertraut sind, dürfen gern weiterlesen.

Ähm – brauchen wir das eigentlich? Ein Gegenstück zum ersten Buch? Ich mein, wir kennen alle die Geschichte, sind begeistert und absolut gut unterhalten worden. Wozu dann noch diesen „zweiten Teil“, der fast identisch ist? Wir kennen doch Rhiannon – oder?

So dachte ich, als ich das neue Werk in den Händen hielt. Das Universum hat sich so in mir festgebrannt, dass ich den Inhalt auch nach zwei Jahren noch wiedergeben kann. Wozu dann zurück kehren? Die Fragen haben sich alle schnell beantwortet, denn kehren wir nicht immer gern an die Orte zurück, die uns beeindruckten, die uns einfach gefallen und an denen wir uns wohl fühlen? JA!

Letztendlich geht es nur um dich ~ David Levithan
Letztendlich geht es nur um dich ~ David Levithan

Rhiannons Perspektive

David Levithan hat es einfach drauf, falls ich das noch nicht sagte. Der zeitliche Abstand von zwei Jahren könnte nicht besser sein, auch wenn ich den Inhalt noch im Kopf hatte. Es ist so schön, endlich mehr von Rhiannon zu erfahren. Auf den Inhalt möchte ich hier in diesem Artikel nicht tief eingehen, eher auf die Lesestimmung, die Levithan mitbringt.

Rhiannon kannten wir bisher nur aus Sicht von A. Nun kommt sie selbst zu Wort und wir können ihre Beziehung zu Freund Justin aus der Nähe betrachten. Zudem waren wir damals nur in A und sind von Körper zu Körper gesprungen. Jetzt erleben wir wie es ist, wenn wir A begegnen. Der weiblichen A, dem männlichen A, dem A der überhaupt nicht passt und dem A der uns total entspricht. Was für ein Gefühlschaos. Ebenso intensiv und vielleicht stellenweise sogar schwerer und komplizierter, als aus der A-Perspektive.

Rhiannon und A schreiben sich Emails. Der einzige zuverlässige Weg, um Kontakt zu halten. Während des Lesens habe ich ab und an in beiden Büchern verglichen, ob die Mails gleich sind. Schließlich müssen diese ja 1:1 passen. Es gab minimale Abweichungen oder ich habe schief geguckt, da oft im „Gegenbuch“ die jeweilige Mail von Gedanken durchbrochen war. Es hat mir echt Spaß gemacht, zwischen den Büchern hin und her zu springen. Erst habe ich mit Rhiannon gefühlt, dann mit A oder umgekehrt. Grandios.

Letztendlich geht es nur um dich ~ David Levithan
Letztendlich geht es nur um dich ~ David Levithan

Gefühlswirbelsturm

Ich muss einfach schwärmen, obwohl ich anfangs wirklich skeptisch war. Es ist so schön, an einen buchigen Ort zu kommen, den man kennt. Alles ist vertraut und wir intensiviert und erneut in Erinnerung geholt. Keinesfalls gibt es langweilige Stellen, da Rhiannon uns diesmal nah ist und allerhand zu erzählen hat.

Die Gefühle spielen mindestens genauso verrückt, wie im ersten Buch, als A Hauptprotagonist war. Alle Fans vom Universum müssen es lesen und alle LeserINNEN die jetzt doch bis hier hin gelesen haben, sollten dringend zum Universum greifen. Aus meiner Sicht, sollte „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ zuerst gelesen werden, da es nunmal das erste Buch ist und einfach der beste Einstieg ist.

LESEN!!!

Eure
literatwo_banner

Porno – keine Literatur

Göttin und Held ~ Gustaaf Peek
Göttin und Held ~ Gustaaf Peek

Ja, der Titel von dieser Rezension soll provozieren. Wenn nicht euch, dann eben mich selbst, denn ich frage mich immer noch, ob es hier mehr um Porno, als um Literatur geht oder ob dieser Roman einfach pornografische Literatur oder literarische Pornografie ist.

Der Roman von Gustaaf Peek (DVA) schlägt in den Niederlanden hohe Begeisterungswellen. Ich bin mir nicht sicher, ob diese auch hier nach Deutschland schwappen können. Bei mir hat der Roman Wellen erzeugt, aber keine mit Begeisterung. Schon der Einstieg war holprig und ich kam erst nach knappen 40 Seiten richtig in Fahrt. Immer mehr konnte ich mich mit dem Aufbau des Romans anfreunden. Die Schreibe Peeks hat mir keine Probleme bereitet, auch nicht, dass er die wörtliche Rede nicht kennzeichnet. Wohl aber, dass der Roman am Ende beginnt und am Anfang aufhört. Es ist nicht so, dass ich damit nicht zu Recht komme, der Einfachheit halber hätte ich auch einfach mit Seite 332 – Kapitel 0 – beginnen können. Nein – das war es eigentlich auch nicht. Mir fehlte es an Inhalt in den regelrecht kurzgeschichtenartigen Kapiteln.

Der Sex lockte mich allerdings immer tiefer und tiefer ins Geschehen. Tessa und Marius. Marius und Tessa. Sex von oben nach unten. Von rechts nach links. Von schräg über quer. Mal schnell und mal langsam. Zart und wild, heftig derb und liebevoll zärtlich. Es wird keine Lebenslage ausgelassen, nicht nur das Bett wird im Hotelzimmer getestet und auch außerhalb ist alles möglich. Beide wollen mehr, wollen alles, wollen sich durch und durch und immer wieder neu und in allen möglichen Facetten.

Pornografische Literatur? Literarisches Porno?

Okay – der Sex ist gut, der Sex ist aufregend schön und ja, wer mag keinen Sex. So – und sonst? Irgendwann kommt doch der Punkt, an dem ich mich nach Inhalt gesehnt habe. Wie Tessa und Marius aussehen, egal in welcher Stellung, habe ich voll und ganz verinnerlicht. Ob Eichel, ob Vulva, ob Anus, ob Nippel oder Lippen – ich bin umfassend über sämtliche Körperteile informiert und kann mir nach letztendlich ähnlichen Beschreibungen vorstellen, wie diese spritzen, feucht werden und schmecken können. Tessa und Marius treffen sich oft, die Szenen wiederholen sich, aber wer sind denn eigentlich Tessa und Marius?

Göttin und Held ~ Gustaaf Peek
Göttin und Held ~ Gustaaf Peek

In „Göttin und Held“ stelle ich fest, dass Sex tatsächlich langweilig werden kann. Dies ist aber nur möglich, weil wir als Leser nicht selbst beteiligt sind, sondern ständig und intensiv zu lesen müssen und mehr wollen. In dem Fall nicht mehr Sex, sondern mehr von Tessa und Marius. Gustaaf Peek geht in den 5 Teilen mit insgesamt 50 Kapiteln eher sparsam mit den Gedanken und Gefühlen der Protagonisten um, zumindest außerhalb des Geschlechtsverkehrs.

Tessa und Marius kennen sich ihr ganzes Leben lang. Tessa macht mit Marius ihre ersten Erfahrungen, sie verbringen ihre Jugend miteinander und auch im Erwachsenenleben sehen sie sich oft. Manchmal heimlich und manchmal öffentlich, mal mehr und mal weniger. Doch wieso hat Tessa einen Sohn mit Paul und wieso hat dieser sich das Leben genommen? Wieso bedarf es einer Prostituierten und wie war das mit Billy?

Tiefgang?

Die Lebensgeschichten mit Tiefgang bleiben einfach verborgen, da die Details den sexuellen Handlungen gehören. Fragen bleiben offen. Es fehlen schlicht und ergreifende die Hintergründe, die Wandlungen im Gefühlsleben, allgemein sämtliche Beziehungsverbindungen. Die Charaktere bleiben grau und der rote Faden wird ständig zerschnitten.

Natürlich spüren wir als Leser den langsamen Verlust der Lebensliebe und merken, welche verpassten Wege im Alter nachhängen. Peek verdeutlicht das ständige Hin und Her zwischen zwei Menschen, die sich lieben und begehren oder doch eher nur um den Trieb zu stillen, benutzen…?!

Mir hat schlicht und ergreifend die inhaltsreiche Literatur gefehlt. Schade. Schade. Schade, denn Peek kann schreiben. Er spielt mit der Länge der Sätze, verschachtelt und verkompliziert genauso stark, wie er vereinfacht. Er schürt die Neugierde und das spannungsgeladene Verlagen, lässt uns dann aber wie auf einer Wippe mit der Frage „Warum?“ verhungern.

Eure
literatwo_banner

84, Charing Cross Road ~ Helene Hanff

84, Charing Cross Road ~ Helene Hanff
84, Charing Cross Road ~ Helene Hanff

84, Charing Cross Road“ von Helene Hanff – ihr habt es doch sicher schon in einer Buchhandlung gesehen oder in den Weiten des Internets angetroffen? Oder? Egal wie, es wird jetzt endlich Zeit, dass ihr den Roman, dieses wundervolle Büchlein, bestehend aus vielen Briefen, kennenlernt. Gemeinsam mit Lesebienchen habe ich es gelesen und wir haben uns natürlich darüber unterhalten. Ganz locker und recht kurz und knapp, so wie es sich für ein schmales Buch gehört.

Vor gefühlt einer halben Stunde bin ich in Helen Hanffs Briefe eingetaucht. Als ich auftauchte, hatte ich alle Briefe regelrecht inhaliert, eine Lesepause war unmöglich. Ging es dir ähnlich oder hast du dir die Briefe eingeteilt?

Mir ging es ähnlich. Das Buch liest sich aufgrund des flüssigen Schreibstils sehr schnell und ich habe es relativ rasch hintereinander weg gelesen. Und außerdem wollte ich, wie es ja bei guten Briefromanen meistens ist, schnell wissen, wie die jeweilige Antwort lautet.

Einfach mal einen Brief mit einer Liste voller buchiger Probleme an eine Buchhandlung in einem anderen Land schreiben. Wäre das heute noch möglich?

Wenn man an eine kleine Buchhandlung schreibt, die persönlich und mit Herzblut geführt wird, kann ich mir das gut vorstellen. Bei großen Ketten stell ich mir das schwierig vor.

Wenn du an das Antiquariat geschrieben hättest – welche Bücher hättest du auf die Liste der „Probleme“ gesetzt?

Da fallen mir auf Anhieb entweder zu viele oder gar keines ein. Heutzutage stehen wir ja zum Glück oder auch Pech? nicht mehr vor dem Problem, irgendetwas nicht bekommen zu können, denn dank bekannter Riesenunternehmen kann man heute bestellen und bekommt es morgen oder vielleicht noch am selben Tag geliefert. Die entschleunigte Art und Weise des Romans führt einem aber noch einmal sehr deutlich die Gehetztheit und permanente Verfügbarkeit unserer Gesellschaft vor Augen.

84, Charing Cross Road ~ Helene Hanff
84, Charing Cross Road ~ Helene Hanff

Brieffreundschaft

Die Briefe sind voller Humor, voller Ironie und Witz und stellenweise richtig schön trocken geschrieben. Findest du auch? Magst du Helens Schreibe?

Absolut. Helen Hanff schreibt frisch von der Seele weg und nimmt kein Blatt vor den Mund. Da muss dann auch mal der Antiquar eine kleine Schimpftirade über sich ergehen lassen.

Könntest du dich über einen Brief, über mehrere Briefe lang verlieben? Mir hat es stellenweise beim Lesen im Bauch gekribbelt…

Ehrlich gesagt nein, weil ein Mensch für mich in der Realität verankert sein muss.

Das Buch gibt es in zwei verschiedenen Ausgaben. Welche gefällt dir persönlich besser?

Die Ausgaben sind beide schön. Ich habe die eher altmodische aus dem Hause btb, du die aus meiner Sicht neumodische aus dem Hause Atlantik. Deine ist heller und sieht nach Buchhandlung aus, meine eher dunkel und antiquarisch angestaubt. Man kann herrlich über die Cover diskutieren und sich ausdenken, um was es geht. In beiden Büchern finden wir wahnsinnig tiefe, lustige und lebensechte Briefe.

Helen Hanff lebt in New York und korrespondiert mit einem Antiquariat in London. Welche Stadt bevorzugt dein Leserherz?

Schwer zu sagen. Ich glaube mein Leserherz ist nicht stadtabhängig. Ich habe in beiden Städten schon gelesen und ich war in beiden Städten in Buchhandlungen. Gleichstand würde ich sagen.

84, Charing Cross Road

Merkt euch den Namen vom Buch, nur merkt euch den Namen nicht als Adresse, es sei denn, ihr wollt in London zu McDonalds gehen. Ihr solltet es einfach lesen, denn Bücher mit Briefen lockern das Leseleben neu auf und machen so viel Lust, selbst zu schreiben und Briefe zu bekommen. Ein rasantes und durch und durch buchiges Lesevergnügen wartet auf euch. 160 Seiten gespickt mit wachsender Freundschaft und völlig facettenreichen Briefen.

Eure
literatwo_banner

Amoz Oz erobert das Kino und ihr könnt gewinnen

Eine Geschichte von Liebe und Finsternis
Eine Geschichte von Liebe und Finsternis

Amoz Oz – ein Name den wohl jeder Literaturliebhaber kennt. Kann man das so sagen? Ich habe immer nur von ihm gehört, nie von ihm gelesen, aber jetzt von ihm gesehen.

Seit Donnerstag – 03.11.2016 – ist der Film „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ in den Kinos. In Dresden wird er in der Schauburg, einem sehr gemütlichen Kino, ausgestrahlt. Nun habe ich den Film zwei Tage auf mich wirken lassen und erzähle euch heute darüber.

Der 10-jährige Amos kann seine Kindheit nicht wirklich genießen und ausleben. Er lebt mit seinen jüdischen Eltern, Fania und Arieh, in Palästina. Der Krieg und die Flucht haben Spuren hinterlassen und nicht nur Hoffnung und hohe Erwartungen gebracht. Vor allem seine Mutter Fania verkraftet ihr Leben nicht. Oft versucht sie Aufheiterung in das Familienleben zu bringen. Sie erfindet gern Geschichten unterschiedlicher Art. Amos hört ihr gern zu und wird dadurch von ihr sehr geprägt. Er soll später Schriftsteller werden.

Sein Vater Arieh ist Schriftsteller und ein sehr gebildeter Mann. Er und Fania haben zwar den gleichen Bildungsstand, aber Liebe gibt es zwischen dem Ehepaar nicht mehr. Obwohl Israel nun unabhängig ist, geht es Fania immer schlechter. Ihre Hoffnungen sind erloschen, sie vereinsamt in sich selbst und leidet unter schweren Depressionen. Weder Amos noch Arieh können ihr helfen. Doch eines ist klar: Amos muss sein Leben leben und einen Neuanfang wagen, auch wenn ihm seine Mutter und ihre vielen Geschichten fehlen werden.

Film oder Buch

Die Basis des Films „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ ist der gleichnamige Roman von Autor Amos Oz. Im Jahr 2008 ist im Suhrkamp Verlag eine Sonderausgabe zum 60. Jahrestag der Gründung des Staates Israel am 14. Mai 2008 erschienen. Da ich das Buch nicht gelesen habe, ist mir kein direkter Film-Buch-Vergleich möglich.

Ich muss gestehen, dass ich eine Weile brauchte, um den tiefen Inhalt des Films zu verarbeiten und zu überdenken. Ohne jegliche Vorinformationen habe ich das Geschehen auf der Leinwand auf mich wirken lassen. Der Film ist leise, traurig, bedrückend und von vielen aufeinanderfolgenden Szenenwechseln geprägt. Durch das Wissen, dass der Film eine autobiografische Basis hat, ist Gänsehaut vorprogrammiert.

Hätte ich das Buch gelesen, wäre der Inhalt wohl intensiver auf mich eingeströmt, so denke ich nun im Nachhinein.

Eine Geschichte von Liebe und Finsternis - Film und Buch
Eine Geschichte von Liebe und Finsternis – Film und Buch

Charaktere und Fazit

Natalie Portman spielt nicht nur die Hauptrolle der Fania, sondern hat auch hinter den Kulissen einen großen Anteil am Film, denn sie gehört zum Produzententeam. Persönlich liegt ihr der Film sehr am Herzen. Eine bessere weibliche Besetzung könnte der Film wohl kaum bekommen, denn Natalie Portman besticht durch ihre Schönheit und spielt die Rolle der depressiven Fania die immer mehr den Boden unter den Füßen verliert, sehr gut. Authentischer Gleichklang.

Die Rolle des Amos wird von drei Schauspielern gespielt, da wir diesen nicht nur als 10-jährigen Jungen, sondern auch als 16-jährigen jungen Mann und als über siebzig jährigen alten Mann in der Gegenwart erleben. Amos – der Junge der den Verlust der Mutter hinnehmen musste und sich sein Leben lang fragte, warum sie sich selbst verlieren konnte. Diese Frage machte ihn zum Schriftsteller.

Schauspieler Gilad Kahana verkörpert den intellektuellen Arieh. Er versucht Amos zu einem Genie zu machen und sieht in ihm ein Wunderkind. Dabei raubt er ihm ein Stück Kindheit und erhofft sich selbst großen Erfolg.

„Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ ist eine tiefgründige und facettenreiche Familiengeschichte. Im Mittelpunkt steht das Erwachsenwerden in einem Elternhaus, in dem die Liebe fehlt und in einem Land, in dem gerade ein Neubeginn stattfindet.

Ein Film der wohl kein Bestseller unter den Filmen wird, aber durchaus sehenswert ist und lange nachwirkt, da einzelne Szenen für Gesprächsbedarf sorgen.

Schauburg Dresden
Schauburg Dresden

Ihr wollt Kinokarten gewinnen?

Kein Problem, denn KOCH MEDIA präsentiert nicht nur den Film, sondern stellt den Lesern von Literatwo zwei Kinokarten zur Verfügung. Verratet mir doch, ob ihr das Buch gelesen habt und ob ihr ins Kino gehen wollt. Schickt parallel eine Email an literatwo@aol.de und erfahrt am 10.11.2016 ob ihr gewonnen habt.

Update: Vielen Dank für eure Kommentare und Empfehlungen. Über die Kinokarten darf sich Ute freuen! Viel Freude im Kino.

Eure

literatwo_banner