Monat: Januar 2018

Bestseller ~ Beka Adamaschwili

Bestseller ~ Beka Adamaschwili

Verzeih mir dieses dicke Grinsen im Gesicht, aber der Bestseller von Beka Adamaschwili hat mir so einiges abverlangt und entspricht nicht im Geringsten meinen ursprünglichen Erwartungen. Dennoch ein dickes Grinsen. 🙂

Kennst du das, wenn du dich zwischen den Seiten fallen lassen willst, die Seiten aber gar nicht dafür gemacht sind? Der Roman ist überhaupt kein richtiger Roman und trotzdem bin ich recht angetan. Ich erzähl dir gern warum, erst aber noch ein wenig Kummer und augenzwinkernde Kritik.

Du kennst das oder? Das Leben ist laut und du willst einfach nur richtig gut unterhalten und in eine Geschichte tief reingezogen werden? Lieber die Probleme und Sorgen von Romanpersonen aufgabeln und eine große Runde raus aus der fordernden Realität?! Klar, da ist „Bestseller“ (Voland & Quist) bestimmt gut, so war mein Gedanke.

Schließlich geht es um einen jungen Schriftsteller, mein Alter, nur das er sich das Leben nehmen möchte und es auch tut. Ohne lange zu zögern reist er an seinem Geburtstag nach Dubai und springt von einem Hochhaus. Kurzer Prozess. Tot. Fertig. Aus die Maus. Endlich hat er sein Zeil erreicht – berühmt werden, nach einem tragischem Tod. Schließlich gibt es wahnsinnig viele Autoren, die zu Lebzeiten noch nicht so befeiert wurden, wie nach dem Ableben.

Literatenhölle statt Bestsellerhimmel

Pierre Sonnage ist sich sicher gewesen, in den Bestsellerhimmel zu kommen. Das mit dem Tod hat geklappt, allerdings ist aus dem Bestsellerhimmel die Literatenhölle geworden. Nunja, kann eben passieren. Was ist heutzutage schon sicher. Ich sag mal so: Pech gehabt. Doch dann geht es so richtig los, denn er trifft Autoren-VIPs (Conan Doyle, Orwell, Shakespeare, Saint-Exupéry etc.) wohin das Auge reicht. Und er erfährt, warum er überhaupt in der Hölle gelandet ist. Doch damit nicht genug, denn er muss Rätsel lösen, die ihm von der Machart her aus seinen eigenen Romanen bekannt sind. In der Hölle wird eben jeder Autor bestraft und zwar damit, womit er im Leben seine Leser gestraft hat. Logisch?

Bestseller ~ Beka Adamaschwili

Doch wir treiben uns nicht nur lesend in der literarischen Hölle herum, sondern springen ab und an zu Lucy. Mit ihr hat Pierre als er noch lebte eine zaghafte Verbindung geführt. So bekommen wir Leser das Leben und das Leben nach dem Leben von Hauptprotagonist Pierre Sonnage verknüpft. Ein amüsanter Wechsel, der von Ironie und Wortwitz durchzogen ist.

Bestseller

Wer denkt, dass Autor Beka Adamaschwili mit dem Plot und den Figuren schon zufrieden ist, denkt falsch. Als ob die literarische Krönung noch nicht ganz perfekt ist, lässt er den Autor selbst noch ein wenig mitmischen. Er bringt sich ins Geschehen ein, ihm unterlaufen Fehler und er gibt gern wissend seinen Senf in Fußnoten dazu. Manch ein Leser findet diese störend, so ging es mir anfangs, aber hier sei gesagt, dass diese keinesfalls zu ausladend sind und gern das Leserlächeln auffrischen.

„In der Bibliothek der toten Bücher befanden sich hauptsächlich Bücher, deren Lektüre die Leser nach der Hälfte aufgegeben hatten.“ (Seite 115)

Zudem gibt es Zitate und auch Illustrationen, kursiv gedruckte Briefe, 10 Gebote und auch Bildtafeln zu finden und der 172 Seiten umfassende Roman ist recht luftig gestaltet. Rundum ein kleines schmales Meisterwerk für Literaturliebhaber die gern auf Buch-Überraschungseier stehen, gut unterhalten, gleichzeitig aber auch gefordert werden wollen.

Den gewünschten Roman hat mir der georgische Autor Adamaschwili nicht beschert, dennoch überzeugt und darin bestätigt, dass aus Georgien gute Literatur stammt. Ihr wisst ja, dass ich Fan von Nino Haratischwili bin. 😉

Literarischer kann ein Buch wohl kaum sein. Ein Literaturfest für Liebhaber der gedruckten Seiten – ein vergnügliches Spiel mit der Literatur und ihren Facetten. Unterhaltsam durch und durch, eben kein richtiger Roman, dafür viel Spaß, Ironie, Wortwitz, klassische Autoren, literarische Hintergründe und Begebenheiten.

Kurz: herrlich und gut zum Verschenken geeignet.

Eure
Bestseller ~ Beka Adamaschwili

Magazin No. 1~ Buchhandlung Findus

Magazin Frühjahr 2018 ~ Buchhandlung Findus
Magazin Frühjahr 2018 ~ Buchhandlung Findus

Verrückt und total genial – so dachte ich, als ich vom Magazin Frühjahr 2018 der Buchhandlung Findus hörte. Und ich war richtig baff, denn Literatwo gehört dazu! Zwei Buchempfehlungen aus meiner Feder sollten abgedruckt werden. Das war im Jahr 2017 – jetzt schreiben wir das Jahr 2018 und das Magazin wurde weit um die Buchhandlung Findus in Tharandt gestreut. Einige enge Literatwo-Lesefreunde haben es von mir voller Stolz geschickt bekommen.

Ich freue mich immer noch so wahnsinnig darüber, dass ich den Kunden und Neukunden der Buchhandlung gleich zwei Bücher offline, im Magazin, schmackhaft machen durfte. Du bist sicher neugierig welche das wohl sind und da ich immer noch stolz bin und finde, dass das Magazin auch über die örtlichen Grenzen hinaus bekannt sein sollte, zeige ich sie dir jetzt.

Die Wahl war schon ein wenig Qual, denn 2017 hatte guten buchigen Lesestoff zu bieten. Es war nicht einfach, aber ich denke, dass die von mir ausgewählten Bücher besonders sind und natürlich wollte ich zwei meiner absoluten Highlights in 2017 nehmen. Das diese zwei Bücher tatsächlich aus dem gleichen Verlagshaus kommen, fällt mir erst jetzt so richtig auf. Aufbauende Literatur sozusagen. 😉

ABER – es haben natürlich noch mehr Bücher den Sprung ins Magazin geschafft. Auf dem ersten Bild hier im Artikel könnt ihr alle Bücher sehen. Dieser wundervolle Büchertisch wurde extra zum Magazin dekoriert und ist in der Buchhandlung Findus zu finden.

Magazin Frühjahr 2018 ~ Buchhandlung Findus
Magazin Frühjahr 2018 ~ Buchhandlung Findus

Ganz klar – das Buch von Simon Strauss „Sieben Nächte“ (Aufbau Verlag/Blumenbar) ist dabei. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du bisher noch nicht von dem Buch gehört oder gelesen hast. Wenn nicht, dann ändere ich das jetzt und hier, in dem ich dir empfehle, meinen Artikel zu lesen. Natürlich kannst du auch das Bild ganz groß zoomen und direkt aus dem Magazin erlesen, warum ich dir das Buch so ans Herz lege. 🙂

Mein Lieblingszitat und meine Aufforderung an dich, zeige ich dir gleich hier. Mit einem Klick darauf, bist du direkt im Artikel zum Buch.

„Vielleicht hat er ja doch Recht. Vielleicht ist Träumen irgendwann nicht mehr genug.“ (Seite 127)

LEBT – STELLT EUCH DER ZUKUNFT.

Magazin Frühjahr 2018 ~ Buchhandlung Findus
Magazin Frühjahr 2018 ~ Buchhandlung Findus

Ohja – meine „Kukolka“ von Lana Lux (Aufbau Verlag) musste natürlich auch unbedingt einen Platz im Magazin bekommen. Definitiv eines meiner Highlights und ich glaube, dass mir dieser Roman noch sehr lange im Gedächtnis bleibt. Sag mal, wie findest du das Cover? Ich mag es ja total, aber Buchhandlungsinhaberin Annaluise Erler meint, dass es viele Kunden nicht wirklich mögen. Geschmäcker sind verschieden und letztendlich geht es um den Inhalt. Wenn du das Cover auch nicht magst, dann lass dich trotzdem von mir verleiten, denn der Inhalt wird dich bewegen. Trau dich und klick auf das Zitat:

Kukolka … – … schön wie eine Puppe (Seite 219)

Wie gefallen dir denn meine Buchvorstellungen? Bist du neugierig geworden? Hat deine Lieblingsbuchhandlung auch ein Magazin für die Kunden und würdest du gern selbst mal im Magazin der Buchhandlung Findus blättern? Ich würde mich sehr freuen, wenn du hier nicht nur still liest, sondern auch Antworten im Kommentarfeld hinterlässt. Deine Meinung ist mir wichtig!

Das nächste Magazin ist schon in der Planung, das erste Buch habe ich sogar schon ausgesucht und hinter den Literatwo-Kulissen besprochen und auf der Buchmesse in Leipzig gibt es einen geheimen Termin der mit dem zweiten Buch zu tun hat. Ihr dürft euch freuen und ich bin schon ganz aufgeregt.

Danke fürs Lesen und ich selbst DANKE Annaluise für die gedruckte Möglichkeit!

Eure
Magazin Frühjahr 2018 ~ Buchhandlung Findus

Rattatatam, mein Herz – ist das Angst?

Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst ~ Franziska Seyboldt

trigger, engl.: Auslöser. Wenn man eine Triggerwarnung bei einem Buch über Angststörung ausruft, bedeutet das dann, dass man meint, Betroffene sollten es lieber nicht lesen? Ich bin mir da ziemlich unsicher und glaube kaum, dass Franziska Seyboldt mit ihrem Buch die Angst schürt, eher hilft sie zu verstehen. Sie regt zum Nachdenken an und zeigt, dass man mit seiner Krankheit oder dem Zustand den man noch nicht Krankheit nennen möchte, definitiv nicht allein ist.

Ich habe keine Angst, zumindestens dachte ich das bis gestern. Also ich habe keine Angststörung, das trifft es eher. Zudem war ich schon ein wenig skeptisch, ob das Buch „Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst“ (Kiepenheuer & Witsch), was mehr oder weniger zur Gattung Sachbuch gehört, etwas für mich ist. Aber gelb zieht mich magisch an und die Aufmachung an sich – dicker Pappeinband – finde ich ganz prima. Und dann auch noch große Schrift und zwischen den Kapiteln oftmals eine leere Seite – vermutlich zum Atmen, zum Reflektieren. Gut so. Also los…

„Wer fliegen kann, fällt nicht einfach runter.“ (Seite 83)

Habe ich eine Angststörung? Das habe ich mich beim Lesen wirklich oft gefragt, denn so einige Stellen kamen mir wirklich sehr bekannt vor. Ich werde nicht ohnmächtig wie Franziska Seyboldt und nein, ich rede nicht mit meiner Angst, ich habe keine dauerhaften Symptome. Aber ab und an wird mir schon schwindlig, ich habe das Gefühl zu ersticken. Manchmal. Einfach so. Kurz vorm Einschlafen, manchmal auch mitten am Tag – ich denke, dass ich keine Luft mehr bekomme, nicht mehr schlucken kann. Dann ist es wieder gut und wenn überhaupt, dann passiert das einmal in der Woche. Aber viel schlimmer sind die Zukunftsgedanken die ich seit Januar 2013 habe.

Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst ~ Franziska Seyboldt

Kennst du das? Du denkst, dass du unbedingt den Weg von A nach B gehen musst, weil es ja sein könnte, dass Person X dort entlang kommt und wenn du Weg C gehst, verpasst du sie vielleicht und ihr passiert was und nur DU bist verantwortlich dafür, denn DU hast spontan was anders gemacht und darum bist DU Schuld. Oder ich denke, dass ich ab und an verdammtes Pech habe, weil ich gern mal übertreibe, gern Rebell bin, statt vorbildlich und brav zu sein.

Rattatatam

Langweile ich dich? Tut mir leid, aber ich schreibe das jetzt einfach mal nieder, da mich die Autorin gerade gelehrt hat, dass es besser ist, nicht zur anonymen Masse ohne Gesicht zu gehören, damit dieses verdammte TABU ausstirbt.

„Angst hat immer mit etwas zu tun, das passieren könnte, nicht mit etwas, das gerade geschieht. Du bist im Hier und Jetzt, während dein Verstand in der Zukunft ist. Dadurch entsteht eine Lücke, die sich mit Angst und Sorge füllt.“ (Seite 153)

Ob das Zitat mir gewidmet ist? Genau das ist es, genauso geht es mir, ich kann diese Zeilen zu 100% unterschreiben und ich erzähle euch hier davon – ganz offen und keinesfalls anonym. Ja – diese beschissene Angst kenne ich sehr wohl, auch wenn ich mich nicht direkt mit ihr unterhalte. Aber sie ist da. Mal mehr und mal weniger und ich versuche frei zu leben, trotzdem spontan zu handeln und mehr den Kopf auszuschalten und im Hier und Jetzt zu leben.

Und was denkst du nun? Ich bin froh, dieses Buch gelesen zu haben. Ich finde die Offenheit verdammt mutig, ich mag das noch persönlichere Nachwort der Autorin und ich mag gelb – nicht den Neid oder die Eifersucht, sondern das Licht und den Optimismus.

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Eure

Ein Baum wächst in Brooklyn ~ Betty Smith

Ein Baum wächst in Brooklyn ~ Betty Smith

Manchmal braucht es einfach eine Veränderung. Da lässt man Dresden hinter sich und reist kurzerhand nach Brooklyn. Das klingt gut oder? Ich bin allerdings nur gedanklich gereist, aber das tat sehr gut. Manchmal braucht es einfach ein Buch, was da ist und sich ganz ruhig und gemütlich verhält und somit einlädt, genau dann einzutauchen, wenn man einen Ruhepohl sucht. Das alles bietet der Roman von Betty Smith (Insel). Er krallt nicht, er beißt nicht, er ist wie eine Decke, die sich um den Leserkörper hüllt.

Wenn ich dir jetzt sage, dass ich 21 Tage lang für die 621 Seiten brauchte, wirst du abwinken und mit dem Kopf schütteln. Warum so lange für ein Buch, auf welches ich mich so verdammt dolle gefreut habe? Es liegt daran, dass das Leben sich so trubelig wie nie gezeigt hat und mal wieder die ein oder andere Überraschung parat hatte. Es fehlte an Lesezeit und doch hätte kein anderes Buch so gut an meiner Seite verweilen können. Atempausen hat es mir gegönnt, mich immer sofort dort abgeholt wo ich aufgehört habe und es war, als ob ich nie pausiert habe. Klingt nach Lesebalsam und das ist es auch.

Brooklyn 1912

Wenn du Francie Nolan (ich mag den Namen total) triffst, wirst du merken, was ich meine. Obwohl sie zu Beginn kaum Zeit für mich hatte, habe ich zwischen uns schon Freundschaft gefühlt. Sie ist einfach eine Herzensperson, die in armen Verhältnissen lebt und sich die Pennies hart mit Trödel verdienen muss. Ihre Eltern schleppen sich mit schlecht bezahlten Jobs durch das Leben und Francie und Bruder Neeley müssen eben helfen. Francies Traum ist es, Schriftstellerin zu sein und sie liebt es zu lesen, vor allem am Fenster bei der Feuerleiter, um die sich mitten in Brooklyn ein Baum rankt. Dieses Gefühl alleine ist pures Glück, pures Lebensreichtum. Kennst du das Gefühl? Ein Buch, eine wundervolle Umgebung, die Realität ausgeschaltet?

„Wir sind einander zu ähnlich, um uns zu verstehen, weil wir uns nicht mal selbst verstehen.“ (Seite 490)

Doch auch Francie muss auftauchen und sich dem Leben stellen und wenn sie eins kann, dann das. Sie ist ein selbständiges, wissbegieriges und vor allem ehrgeiziges Mädchen. Sie macht vor keiner Türe halt, auch wenn sie noch so sehr klemmt und das macht sie so sympathisch. Natürlich ist es hart, andere schlecht über sich reden zu hören, doch Francie hält an ihrem Traum und an ihrem Lebensweg fest, sucht sich sogar eine andere Schule, um mehr Bildung zu erfahren. Ihr Vater trinkt, ihre Mutter versucht alle Fäden in der trostlosen Umgebung beieinander zu halten. Willkommen in Brooklyn im Jahr 1912.

Ein Baum wächst in Brooklyn ~ Betty Smith
Ein Baum wächst in Brooklyn ~ Betty Smith

Generationsroman

Die ganze Zeit überlege ich, welches Buch ein wenig mit Betty Smiths Roman zu vergleichen ist. Tatsächlich handelt es sich hier um einen Klassiker, der sich aber so liest, als wurde er erst vor kurzer Zeit verfasst. Es ist ein Wohlfühlbuch, ein Generationsbuch und zwischen den Seiten fühlt man sich einfach geborgen, auch wenn in den 6 Jahren nicht wahnsinnig viel passiert. Wir leben an Francies Seite und lernen Charaktere kennen, die uns nicht nur schmunzeln, aber auch nicht verzweifeln lassen. Wir treiben durch die Seiten.

„Sag die Wahrheit und schreib die Geschichte.“ (Seite 253)

Jede Menge Markierungen habe ich vorgenommen, denn es gibt so wundervolle Sätze im Roman von Betty Smith zu finden. Doch nicht nur die Zeit an Francies Seite macht den Roman so besonders. Es sind die Zwischentöne, die anderen Charaktere aus ihrem Umfeld und es sind die Sprünge in die Vergangenheit. Wir haben nicht nur an der Geschichte ihrer Eltern teil. Wir erfahren Glück, hoffen und ja, wir bangen auch, aber durchgehend geht es uns gut. Das Buch geht ans Herz, ist mehr entspannend als fordernd und dennoch hat es Anspruch. Es ist einfach rund und verlangt nach keinem besonderen Lesetyp. Francie wartet einfach auf DICH!

„Es musste ja dunkle und trübe Gewässer geben, damit die Sonne einen Hintergrund für ihre strahlende Herrlichkeit hatte.“ (Seite 210)

Und jetzt setze dich am besten unter einen Baum und lies dich zu Leserin Francie nach Brooklyn und lass dir von ihr das Leben zeigen. Du wirst mit einem Lächeln auf dem Gesicht und leicht beschwingt zurück kehren. Glaub mir.

„Hier in Brooklyn ist es mysteriös. Es ist wie – ja – wie ein Traum. Die Häuser und Straßen wirken unwirklich. Auch die Leute.“ (Seite 515)

Eure
Ein Baum wächst in Brooklyn ~ Betty Smith

König der Marionetten ~ Joanne Owen

König der Marionetten ~ Joanne Owen
König der Marionetten ~ Joanne Owen

Dong. Dong. Dong.

Die astronomische Uhr auf dem Altstädter Ring in Prag schlägt fünf. Davor steht Milena Prochazka, hat die Hände tief in den Taschen ihres roten Mantels und wartet auf ihren Freund Lukas. Eigentlich sollte er schon längst da sein. Während Milena wartet, schweifen ihre Gedanken ab und sie denkt wie jeden Tag an ihre geliebte Mutter. Ludmilla, ihre geliebte Maminka, ist verschwunden und auch ihr Vater ist nicht mehr bei ihr. Sie lebt bei ihrer Oma, Baba, die für sie sorgt, genau wie ihre beiden Tanten Tereza und Katerina.

Milena gibt die Hoffnung nicht auf, ihre Mutter wieder zu treffen und sucht den transparenten Faden, der sie zu ihr hin führt. Sie geht die Zelezna-Straßen entlang, denn auf dieser befindet sich ihr Lieblingsplatz: „Das Haus der schönen Träume“, das Marionettentheater ihres Vaters. Doch ihre volle Aufmerksamkeit hat das Plakat, was sie dort vorfindet. Ein Meister der Marionetten ist in der Stadt, ein Wandertheater. Ihr Herz füllt sich mit Freude und sie hat Sehnsucht nach einem Stück mit vielen Marionetten und will unbedingt diese Aufführung sehen. Plötzlich spricht eine Stimme zu ihr. Eine Person, so groß wie ein Riese und mit leuchtenden Augen, sieht sie an. Der Meister der Marionetten. Seit dieser Begegnung ziehen die unsichtbaren Fäden an Milena, denn der Meister und seine Zwillinge Zdenko und Zdenka haben keine guten Absichten mit ihr und ganz Prag.

Marionetten sind Macht, Legenden die Zukunft

König der Marionetten ~ Joanne Owen
König der Marionetten ~ Joanne Owen

Der 12. bis 18. Januar 1898 ist ein wirklich besonderer Zeitraum. Sieben Tage voller Abenteuer, sieben Tage die Stadt Prag, sieben Tage voller Hoffnung, sieben Tage lauert die Gefahr.

Danke Joanne Owen, danke Mutt Ink. Dieses Romandebüt ist nicht nur inhaltlich besonders und unnachahmlich, nein, auch das Buch selbst und jede einzelne Seite ist ein wahres Meisterwerk. Schon anhand des Gewichtes des Buches merkt man, dass es in seinem Inneren viel bereit hält.

Ein malerischer Blick über die Stadt, ein Überblick über den Inhalt und über die Mitwirkenden im Roman ist der erste Vorgeschmack. Der Hauptteil überschlägt sich förmlich. Die Illustrationen von Mutt Ink sind mit Liebe gemacht, sogar persönliche Gegenstände und Unterlagen der Autorin sind Bestandteil. Verschnörkelte Seitenzahlen, ein Rezept, kurze Geschichten und Briefe sind gerade erst der Anfang von dem, was den Leser als Bonus erwartet. Obwohl man am Ende des Buches noch ganz umgarnt von den Fäden ist, wird man noch tiefer in das Geschehen gedrückt, indem der Anhang Hinweise zur Aussprache bereit hält, tschechische Nachnamen erklärt sowie die Stadt Prag und die Marionettentradition tief in das Holz des Lesers schnitzt.

Etwas gruselig ist es trotzdem. 😉

Eure
König der Marionetten ~ Joanne Owen

Großmama packt aus ~ Irene Dische

Großmama packt aus ~ Irene Dische
Großmama packt aus ~ Irene Dische

Irene Diesches Großmutter gibt mir nach 10 Jahren immer noch Spaß. 2007 habe ich das Buch gelesen, nur wusste ich nicht mehr ganz genau, um was es ging. Aber ich wusste, dass ich es sehr gern gelesen habe, dass ich viel gelacht und vor allem viel mit meiner damaligen Kollegin Birgit darüber gesprochen habe. Wir haben es geliebt und im Jahr 2017 liebe ich es immer noch, so viel steht fest. Es ist einfach grandios und ich lese selten Bücher ein zweites Mal. Das mag was heißen!

Irenes Mutter hat zwei Fehler. Schon bei der Geburt werden sie offenkundig. Zum einen ähnelt das Neugeborene Irenes Großmama nicht in jenen Dingen, auf die es ankommt: „Es hatte Carls riesige dunkle Augen, seine Nase und außerdem ganz von allein — ich weiß nicht, woher sie kamen — rote wulstige Lippen“. (Seite13) Zum anderen, und das ist der größte Schock: Irenes Mutter ist ein Mädchen! Kein allzu guter Start ins Leben.

Großmama packt aus

„Es war schlimm genug, dass ich ein Mädchen war und kein Offizier und Kriegsheld werden sollte“ (Seite 14), sagt Irenes Großmama über sich. Sie selbst ist schon völlig anders als ihre Brüder und Schwestern, fliegt oft von der Schule und ist unkeusch. „Otto badete immer nackt, aber ich sollte die Unterhose anbehalten, damit man nichts sah. Ich zog sie trotzdem aus“ (Seite 14), heißt es in Irene Disches unglaublich komischen, aber auch traurig-schönen Roman.

„Meine Schwestern waren immer schon nach fünf Minuten wieder aus dem Beichtstuhl. Ich nicht.“ (Seite 14) – So geht es weiter in „Großmama packt aus“, ein Buch über die unkeusche Katholikin Elisabeth Rother aus dem Rheinland, die wirklich viel zu beichten hat. Und dabei munter drauflos plappert, über den lieben Gott, Juden und Nazis, und vor allem über ihre eigene Familie, mit allen Vorurteilen, die ihr in die Wiege gelegt worden sind.

Großmama packt aus ~ Irene Dische
Großmama packt aus ~ Irene Dische

Herrlich – und das ist erst der Anfang! Ob Elisabeth, Renate oder Irene – alle drei Frauen wachsen uns ans Herz. Irene Dische hat uns aus der Sicht ihrer Großmutter ein wunderbares Buch beschert, das von der ersten bis zur letzten Seite verblüfft, erheitert, rührt und gut unterhält. Es ist verdammt schonungslos, ehrlich und beim Lesen habe ich mir vorgestellt, dass ich Großmama am Kaffeetisch gegenüber sitze.

Kein Mindesthaltbarkeitsdatum

„Ich fürchte, meine Enkeltochter Irene hat meinen Charakter geerbt. Der Unterschied zwischen uns besteht nur darin, daß ich mich mein Leben lang bessern wollte, während sie dafür überhaupt keinen Grund sah. Dazu später mehr.“ (Seite 14/15)

Trotz der heiteren Sprache erinnert uns das Buch an eine schreckliche Zeit im vergangenen Jahrhundert und deren Auswirkung auf die Familien, selbst wenn Ihnen die Flucht aus Deutschland möglich war. Eine ergreifende Komödie die so nur das echte Leben schreiben kann. Irene Dische hat sich fantastisch in ihre Großmutter versetzt und als Leser können wir kaum glauben, wie ungeschönt sie sich selbst und ihre ganze Familie darstellt.

Was habe ich beim Lesen gelacht – so eine erfrischende Sprache, so grandiose Lebenswendungen und was blieb mir auch oft der Mund offen stehen. Rasant erzählt, ohne Tabus und Themen wie Flucht nach Amerika und zweiter Weltkrieg inklusive. Rebellisch, zynisch, ernst und doch so nah und greifbar.

„Großmama packt aus“ (dtv) ist wahnsinnig lebendig, harmoniert mit jeder Jahreszeit, mit jedem weiblichen Lesertyp und es gibt wirklich kein Mindesthaltbarkeitsdatum.

Eure
Großmama packt aus

Die uns lieben ~ Jenna Blum

Die uns lieben ~ Jenna Blum
Die uns lieben ~ Jenna Blum

„Die uns lieben“ (Aufbau Verlag) von Jenna Blum habe ich nun seit 2015 unglesen im Regal stehen. Oft habe ich es zur Hand genommen, mir das Cover angesehen und wieder zurück gestellt. Welch Fehler wie ich nun weiß, denn ich habe die über 500 Seiten recht schnell gelesen und bin wirklich emotional bewegt und das hätte ich schon viel eher haben können. Ja, ich selbst lese viel und doch bin ich der Meinung, dass diesen Artikel hier Leser lesen, die ebenfalls „Die Bücherdiebin“ und „Die Nachtigall“ kennen. Richtig?

Auf den ersten Seiten musste ich gerade an die zwei genannten Bücher denken. Ein gutes Lesegefühl im Sinne von 1 (Bücherdiebin) + 1 (Nachtigall) = 2 (Die uns lieben) machte sich in mir breit und begleitet mich noch über die Seiten hinaus. Warum ist Jenna Blums Buch so besonders, obwohl es doch schon so viel gute Literatur über die grausame Vergangenheit gibt? Ich glaube es liegt an den zwei Protagonistinnen – Anna und Tochter Trudy, es liegt an der Verschwiegenheit, an der fehlenden Liebesgeschichte und der tiefgründigen Recherche der Autorin selbst.

„Backe, backe Kuchen!“

Der Bäcker hat gerufen.

„Wer will guten Kuchen bbacken,

Der muss haben sieben Sachen:

Eier und Schmalz,

Zucker und Salz…“ (Seite 389)

Die uns lieben ~ Jenna Blum
Die uns lieben ~ Jenna Blum

Bevor ich euch mehr über den Inhalt erzähle, solltet ihr wissen, dass die Autorin selbst Amerikanerin ist und keine richtige familiäre Verwurzelung nach Deutschland hat. Die Großeltern ihrer Mutter sind aus Deutschland und doch liegt Jenna die Geschichte der damaligen Zeit im Blut und im Herzen und aus diesem Grund bereiste sie nicht nur Deutschland, sondern interviewte für Steven Spielbergs Survivors of the Shoah Foundation eine Vielzahl von Überlebende/Zeitzeugen. Einige der Interviews sind im Roman zu finden, allerdings nicht im Original, aber Jenna Blum hat die emotionale Atmosphäre und die Bandbreite der Emfpindungen natürlich eingebracht. Warum die Interwievs nicht 1:1 abgedruckt sind hat natürlich einen Grund und dieser steckt unter anderen in der Antwort auf die Frage „Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Buch gekommen?“. Ich bin bestimmt kein Verfechter von Nachworten und gern überblätter ich diese. Hier allerdings ist die Nachwort die Krönung.

Krönendes Nachwort

Ohne bisher ein Wort über den Inhalt und doch schon so viel drumherum geschrieben zu haben, zeigt, dass der Roman nicht spurlos vorbeigeht und schon komplex ist. Es schließen sich eben Kreise und der Roman ist eindeutig heftig und auch schön, denn auch zwischen schwarz und schwarz gibt es kleine helle Punkte.

Es ist mir kaum möglich, mich kurz zu fassen, denn zu sehr wirkt der Inhalt noch nach. Jenna Blum hätte sich an einigen Stellen bestimmt knapper ausdrücken können, jedoch würde ihr Roman dann nicht so gewaltig auf die Leserseele drücken.

„Die Vergangenheit ist tot, und es ist besser, wenn das auch so bleibt.“ (Seite 95)

Annas Tochter Trudy ist geschieden, hält vor einer Gruppe recht lahmer Studenten Seminare Die Rolle der Frauen in Nazi-Deutschland, ihre Mutter hat sie in ein Altersheim abgeschoben und in ihrem allgemeinen Lebenschaos versucht sie ein Deutsch-Projekt zu verwirklichen, um zu wissen, was in den Überlebenen vorging. Sie ist auf der Suche nach dem Warum und sie beschäftigt das Familienporträt (Obersturmführer, Anna und Trudy) in der Schublade, welches nie thematisiert wird. Doch auch Trudy ist ab und an wie ihre Mutter Anna: unnahbar, steif, kalt, zwanghaft auf Ordnung bedacht.

Die uns lieben ~ Jenna Blum
Die uns lieben ~ Jenna Blum

Anna ist im Altersheim und möchte dort weg. Sie schweigt, schweigt und schweigt, doch wir Leser erfahren in Rückblicken ihre tragische Geschichte und das Puzzle bis zum besagten Familienportät wird nach und nach sichtbar und letztendlich gibt es ein Ende. Ein Ende was mehr als gut zum Buch passt, ein Ende, was auch ein Anfang sein könnte und den Leser erfüllt. Gewaltig!

Gewaltig!

Die Entwicklung der beiden Protagonisten ist einfach gewaltig und dazu das damalige Schicksal, die Ungewissheit, der Mord und die Gnadenlosigkeit – Atemraubend. Stellenweise musste ich zum Luftholen nach draußen gehen. Und doch kehrte ich schnell zurück, um wieder bei Anna oder Trudy zu sein. Jenna Blum lässt uns bei Trudy in der Gegenwart (Ende 90iger Jahre) bei Interviews mit Überlebenden dabei sein und bei ihren oft schweigenden Auseinandersetzungen und Begegnungen mit ihrer Mutter. Und sie lässt uns in den 40iger Jahren bei Anna sein, Vergewaltigungen, Ernidriegungen und die ständig in der Luft schwebende Gefahr spüren. Es ist so oder so heftig und doch bewegend durch und durch. Puh…

Ein Roman der nicht ohne Liebe, aber doch ganz ohne Liebesgeschichte auskommt, was ich erneut betonen möchte. Ich glaube, dass die Tatsache den Roman auszeichnet. Die Beziehung von Anna und Trudy wird im Licht der Gegenwart beleuchtet. So viele ungesagte Dinge rücken aus dem Schatten hervor und bringen neben Sehnsucht und Entsetzen auch Erfurcht mit sich.

Und nun stelle ich euch die Frage, die Jenna ihrer Mutter gestellt hat: „Was hättest du getan, wenn du während des Krieges in Deutschland gelebt hättest?“

Lest den Roman, lasst eure Augen offen und ich schließe jetzt so, wie die meisten Überlebenden Jenna Blums Berichte abschließen wollten:

Die Welt soll wissen, was wir durchgemacht haben, damit es nie wieder geschieht. (Seite 517)

Eure
Die uns lieben ~ Jenna Blum

Der Weg des Bogens ~ Paulo Coelho

Der Weg des Bogens ~ Paulo Coelho
Der Weg des Bogens ~ Paulo Coelho

Coehlo hier, Coelho da, immer wieder läuft mir dieser Coelho über den Weg und das ist auch gut so. Es ist viel zu lange her, dass ich ein Buch von ihm gelesen habe und eigentlich war ich immer mit ganz vorn dabei, wenn es einen neuen Roman von ihm gab. Seit einiger Zeit ist das nicht mehr so, umso besser also, dass mich „Der Weg des Bogens“ (Diogenes) direkt von Astrolibrium´s Coelho getroffen hat.

Natürlich liegt es auf der Leserhand, dass ich das kleine Minibüchlein mit Zeichnungen von Christoph Niemann sofort durchgelesen habe. Zaghaft bedruckte Seiten, dafür mit geballter Wortladung – ein Coelho eben. Einteilen zwecklos, erneut lesen von Vorteil und Coelho tut gut. Ja, so spirituell er auch ab und an sein mag, er tut gut, gibt Mut und Kraft und steht ganz für sich.

Es gibt immer Menschen die sich mit uns messen wollen. Bewusst und unbewusst. Tsetsuya ist Tischler, lebt friedvoll in einem Tal in Japan und trägt ein kleines Geheimnis in sich. Er ist der beste Bogenschütze des Landes, doch niemand in seiner Umgebung ist sich dessen bewusst.

Ein Junge bringt einen fremden Mann zu Tsetsuya und kann es selbst nicht glauben, als dieser seinen Bogen hervorholt und einwilligt, sich mit dem Fremden zu messen. Der Fremde zeigt sein Talent und ist sich siegessicher, dass er ab sofort der beste Bogenschütze ist. Tsetsuya staunt, behauptet sich allerdings und geht über seine Grenzen hinaus, denn er lehrt den unerfahrenen Jungen und natürlich seine Leser…

Nehmt den Bogen in die Hand, zielt, lasst los…

Traut euch, habt Mut und seid stark – manchmal leicht gesagt und schwer umgesetzt, aber aufgeben ist nie die Lösung. Bei mir hat das Buch große Wirkung gezeigt, ich habe tief gedacht und einige Sätze immer wieder gelesen.

Der Weg des Bogens ~ Paulo Coelho
Der Weg des Bogens ~ Paulo Coelho

Im Dschungel der Literatur kann vor allem mit diesem Coelho nichts falsch gemacht werden. Coelho ist speziell, klar, doch dieses kleine Hardcover, edel in Leinen gebunden, ist ein Stück Auszeit. Das Buch fühlt sich an, als ob man tief ein- und ausgeatmet, einen Moment ganz alleine mit sich und seinen Gedanken war. Der Weg des Bogens tut einfach gut, viele Sätze lassen lange innehalten, mit unserer Welt spiegeln und sie prägen.

Die Zielscheibe ist der Spiegel und Coelho verbindet blog- und zitatübergreifend, denn nicht nur meine erste Makierung ist an dieser Stelle:

„Ein Meister ist nicht derjenige, der etwas lehrt, sondern jemand, der seinen Schüler dazu anregt, sein Bestes zu geben, um ein Wissen zu entdecken, das er bereits in seiner Seele trägt.“ (Seite 25)

Und wer sollte sich nun diesem besonderen Coelho nähern? Natürlich alle Bogenschützen des echten Lebens – logo!

Du bist wirklich noch skeptisch? Dann genieß die ersten Worte mit dem Klick zu Diogenes in die Leseprobe und bade dich in einigen schönen Zitaten, natürlich mit den Zeichnungen von Niemann versehen.

Eure
Der Weg des Bogens ~ Paulo Coelho