Monat: Februar 2018

Ich war im Haus am Leinsee

Leinsee ~ Anne Reinecke

Wie singt Peter Fox so schön über das Haus am See? Meint er das Haus am Leinsee? Mal raus und ab zum Leinsee, dachte ich mir. Zusammen mit Karl Sund, dem Hauptprotagonisten von Anne Reinecke. Wir sind fast gleiches Alter, er kommt sympathisch rüber und ihm geht es finanziell überhaupt nicht schlecht. Er ist Künstler und ich belächele ihn ein wenig, da ich selbst mit Vakuumplastiken nicht wirklich etwas anfangen kann. Wie siehst du das? Bist du selbst mit künstlerischen Genen ausgestattet?

Unser Ausflug steht allerdings nicht wirklich unter einem guten Stern und vorerst soll es auch wenig Erholung am Leinsee geben. Raus aus der Hauptstadt, weg von der Freundin und rein in die traurige Welt. So richtig schlimm fühlt sich für Karl nicht an, was mir allerdings komplett die Beine wegziehen würde. Sein Vater August hat sich erhangen. Er hat nicht verkraften können, dass seine geliebte Ehefrau Ada an einem unheilbaren Hirntumor erkrankt ist und dabei ist sie noch nicht einmal tot.

Erhangen – Schluss – Aus. Ada lebt allerdings weiter und Karl muss nun die Rolle von seinem Vater einnehmen und da sein. Er muss da sein, obwohl seine Eltern nicht wirklich für ihn da waren. Sie waren lebenslang ein Team und durch und durch gefangen in ihrer Künstlerwelt. Das Ehepaar brauchte nur ihre Ruhe, keine Freunde, keinen Sohn, einfach nur sich und das im Haus am Leinsee.

„Sie waren Ada und August, August und Ada, und das war größer als alles andere. Sie wollten voneinander lernen und miteinander arbeiten.“ (Seite 53)

Haus am Leinsee

Karl wollte nicht lange im Elternhaus bleiben, sondern zurück zu Freundin Mara nach Berlin. Seine Mutter hat allerdings andere Pläne – sie lebt einfach weiter, obwohl sie doch sterben sollte. Und nun? Karl nähert sich seiner Mutter, wie er sich ihr nicht nähern dürfte. Sie denkt, dass er ihr geliebter August ist. Karl lässt geschehen, was geschieht und noch eine Begegnung verändert ihn. Tanja schleicht wie eine verspielte Katze in sein Leben. Leichtfüßig, ohne viele Worte – das achtjährige Nachbarskind erobert sein Herz und Freundin Mara setzt ihm die Pistole auf die Brust.

Sein Ausflug an den Leinsee sollte ganz anders aussehen, doch als ihre Geduld sich dem Ende neigt, passiert es…

Leinsee ~ Anne Reinecke

„…war es eindeutig so, dass sie ihn küsste. Nicht sie küssten einander, nicht er küsste sie, sie küsste ihn. Und er ließ sich küssen und hielt die Hände im Schoß gefaltet.“ (Seite 149)

Was für ein lebendiger Roman (Diogenes Verlag). Ich muss sagen, dass ich das Haus am Leinsee regelrecht vor mir stehen sah. Anne Reinecke hat mich tief zwischen die Seiten geführt und mit ihren Worten lebendige Bilder gemalt. Ganz zart beginnt die Reise zum Leinsee. Harte Fakten und Geschehnisse erschlagen uns nicht, sondern schleichen eher heran. Ja, Reineckes besonderer Ton macht hier die Wörtermusik und lässt uns manche Stellen doppelt lesen, um wirklich glauben zu können. Es gibt so markante Ereignisse, die wir erst verinnerlichen müssen. Sieht der Roman äußerlich unschuldig aus, lässt er im Inneren das Gegenteil an die Oberfläche.

Bewegend und bunt

Anne Reinecke versteht ihr Handwerk und bedient sich einem farbenfrohen Kunstgriff. Jedes Kapitel hat eine eigene Farbe und ebendieser Farbton, dieser Anstrich, bringt zusätzliche Lebendigkeit. Ein locker und leichtes Lesevergnügen, was ihre melodisch-humorvollen Worte betrifft. Bitter und zart sind allerdings die Themen die sie anspricht. Menschlich sind die Charaktere, die unser Herz erobern und denen wir nicht böse sein können. Ein künstlerischer Roman mit künstlerischen, keinesfalls aber künstlichen Protagonisten, die in unser Leserleben Farbe bringen und uns aufhorchen lassen, auch ohne besondere Kunstkenntnisse zu besitzen. Verstörend und wahrlich schön zugleich.

Ein Regenbogen aus Worten der uns gefangen nimmt und am Ende facettenreich über dem Haus am Leinsee schillert. Bewegend und bunt!

Eure
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Der Letzte im Dresdner Bombenhagel

Der Letzte von uns ~ Adelaide De Clermont-Tonnerre

Als ich gelesen habe, das im Roman „Der Letzte von uns“ (Aufbau) Dresden eine Rolle spielt, wollte ich ihn natürlich lesen. Ich habe einen Hang zu diesen Romanen, da sich das Lesen natürlich noch intensiver anfühlt, wenn man sich in der Stadt wiederfindet, in der man auch lebt.

Bomben fallen vom Himmel, als ich im Roman in Dresden, im Jahr 1945, ankomme. Es brennt überall, die Menschen sind auf der Flucht, die Angst liegt in der Luft und Luisa ist schwer verletzt. Doch nicht nur das, sie ist auch noch schwanger und ihr Sohn schafft es kurz vor ihrem Tod auf die Welt. Ein Säugling namens Werner, mitten im Krieg, ohne Mutter, ohne Vater – er ist der Letzte…

Während in Dresden die Menschen bangen und auf Frieden hoffen, jagt der junge Wern(er) in Manhattan im Jahr 1969, jedem jungen Rock hinterher. Er liebt die Frauen, er ist charmant und er ist ein aufstrebender Unternehmer, der die Freiheit und sein Leben genießt. Als ihm allerdings die junge Rebecca über den Weg läuft, steht sein Herz in Flammen. Ein Katz- und Mausspiel beginnt, bei dem sich Wern mächtig ins Zeug legt. Die zwei scheinen füreinander geschaffen, bis zu dem Tag, als Wern seine zukünftigen Schwiegereltern kennenlernt. Ein Zwischenfall mit Rebeccas Mutter, eine merkwürdig kalte Begegnung mit ihrem Vater und die Krönung des Treffens – Rebecca ist weg, die Familie scheint untergetaucht und Wern ist alleine und verzweifelt – er ist der Letzte…

Dresden ~ Manhattan

Während in Manhattan die Luft nach Liebe riecht, atmen wir in Dresden Asche ein. Autorin Adelaide De Clermont-Tonnerre lässt uns zu Beginn zwischen diesen zwei Orten große Zeitsprünge vollführen und löst damit nach und nach auf, wie aus dem Säugling ein wohlhabender Mann wird. Und dann bleiben wir vorerst in Amerika, denn Wern muss sich nicht nur seiner Vergangenheit stellen…

Der Letzte von uns ~ Adelaide De Clermont-Tonnerre

Der Roman ist auf jeden Fall spannend, wie du merkst, aber natürlich auch emotional und der Unterhaltungsfaktor ist sehr groß. Dadurch sind die über 450, recht großzügig bedruckten, Seiten schnell weggelesen. Dennoch muss ich sagen, dass ich das Buch fast abgebrochen hätte. Die französische Autorin schafft es nicht, dauerhaft zu fesseln und zu überzeugen, obwohl die Neugierde entfacht ist und es an Spannungsbögen nicht mangelt. Einige Passagen sind selbst mir zu unrund gewesen, die Charaktere vor allem wegen des Themas stellenweise zu sprunghaft, irgendwie flattrig und darum auch nicht immer glaubwürdig. Die Hauptprotagonisten Wern(er) und Rebecca sind mindestens so liebenswert wie anstrengend und ich hätte ab und an beiden gern mal was erzählt. 😉

ABER – ich möchte dich keinesfalls davon abbringen den Roman zu lesen. Das muss ich hier an dieser Stelle hervorheben, denn die Autorin unterhält wunderbar trotz des nicht einfachen Themas und ich bin regelrecht durch die Seiten gerast. Die Sprache ist einfach und doch spüren wir sofort, ob wir uns im Jahr 1945 oder im Jahr 1972 befinden. Die Charaktere sind beide nicht einfach, wie bereits angedeutet, aber genau aus diesem Grund auch irgendwie herausragend und natürlich gibt es Randpersonen die sich ins Herz schleichen. Wichtige Literatur mit einem wichtigen Thema und mit doch hohem Unterhaltungsfaktor.

Perfekter Einstiegsroman

Eine große Empfehlung für alle Leser die sich aufgrund der Schwere oder der Komplexität oder der Grausamkeit nicht immer trauen, Literatur zu lesen, die sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigt. Der perfekte Einstiegsroman mit viel Spannung und Gefühl!

„…im Nachhinein ist es meist leicht, den richtigen Weg zu erkennen, doch entscheiden muss man mitten im Geschehen.“ (Seite 374)

Ich selbst bin froh, diesen Roman gelesen und nicht abgebrochen zu haben. Er unterhält hervorragend trotz des sensiblen Themas, eine Kombination für die nicht jeder Autor das nötige Fingerspitzengefühl mitbringt.

Wenn du thematisch anspruchsvoller, emotionaler und vor allem viel komplexer lesen möchtest, solltest du dir unbedingt die zwei Romane „Die Nachtigall“ von Kristin Hannah und „Die uns lieben“ von Jenna Blum ansehen. Ich muss diese zwei Titel immer und immer wieder erwähnen, es bleiben eben unübertreffbare Highlights.

Eure
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Was hat Hilde mit Ildikó von Kürthy zu tun?

Hilde: Mein neues Leben als Frauchen. Sehnsucht an der Leine, Irrsinn auf der Hundewiese und spätes Glück mit Gassibeutel ~ Ildikó von Kürthy

Hilde? Ildikó von Kürthy? Moment mal, ist das nicht die Autorin, deren Liebesromane ich früher gelesen habe? Ganz richtig – ich sag nur „Mondscheintarif„, „Herzsprung“ oder „Freizeichen“. Jetzt ist die Autorin auf den Hund gekommen. Hast du eigentlich einen Hund? Ich zwar (noch) nicht, aber trotzdem kann und muss ich euch „Hilde“ vorstellen, auch wenn ich das Buch nicht komplett gelesen habe. Warum ich es euch dennoch vorstelle? Das hat einen ganz besonderen regionalen Grund!

Bevor ich euch also erzähle, womit uns die Autorin auf über 315 Seiten erfreut, erwähne ich Illustratorin Nicole Iwanov. Sie wohnt zwar inzwischen in Hamburg, kommt aber aus dem Osten, aus dem schönen Tharandt, um genau zu sein. Tharandt? Ganz genau – da befindet sich meine Herzensbuchhandlung Findus und genau das ist die Verbindung, auf die ich hinaus will. Inhaberin Annaluise Erler verkauft „Hilde“ (rowohlt) mit noch viel mehr Freude, denn sie kennt die Familie Iwanov und ist mächtig stolz auf den Erfolg von Nicole Iwanov. Zurecht, denn die Illustrationen sind grandios.

Wahnsinn – schaut euch mal die nachfolgenden Bilder an. Eine starke Mischung – sehr lebendig, künstlerisch und mindestens so turbulent bunt wie die Worte von Frau von Kürthy. Sogar ein ganzes Schaufenster der Buchhandlung wurde mit den Büchern und Plakaten von „Hilde“ gestaltet. Das ist doch mal ein Statement und wenn ihr mehr über die Illustratorin wissen möchtet, schaut doch auf ihrer Homepage vorbei.

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Ich verspreche dir richtig viel Spaß mit diesem Buch. Als Hundebesitzer wird man wohl genauso viel lachen können, wie ein noch hundeloser Leser. „Hilde“ ist einfach köstlich und wenn du schon auf Buchebene mit Autorin Ildikó von Kürthy Kontakt hattest, kennst du ihre federleichte Schreibweise und ihren herrlichen Humor.

Hilde

Grandios beschreibt sie ihre ersten Erfahrungen mit Hilde und sie ändert bewusst den Ton, wenn die Themen den nötigen Ernst benötigen. Von Oktober bis August begleiten wir die zwei und erfreuen uns an allerhand Abenteuern. In Tagebuchform gibt die Autorin die besten Geschichten wieder und um das Buch noch lebendiger zu machen, finden wir neben den bereits erwähnten Illustrationen noch Angaben über den jeweiligen Ort, den Gemütszustand, die Begleitung, den Dresscode und die Stimmung. Ein passendes Lesebändchen findest du natürlich auch zwischen den Seiten. Stylisch!

Klick dich doch gleich mal in das Interview rein – es lohnt sich:

Herrlich, was? Ich konnte mich gar nicht satt sehen und habe mich genauso sehr amüsiert, wie beim Lesen. Mag ich noch einen Hund haben? Das frage ich mich doch glatt nach diesem Buch. 😉 Frauchen sein hat aber vorwiegend positive Seiten und Hunde bringen so viel Freude. Als Hundehalter findest du dich auf jeden Fall zwischen den Seiten wieder. Bestimmte Dinge passieren eben mit jedem Hund, auch wenn er nicht Hilde heißt. Stimmts?

Doch Ildikó von Kürthys Roman eignet sich auch hervorragend zum Verschenken – für Hundehalter genauso wie für Menschen die mit dem Gedanken spielen, sich einen Hund anzuschaffen. Ein wirklich hervorragendes Sachbuch. Auch Tanja vom Blog nichtohnebuch ist begeistert und kann so einige eigene Erfahrungen beitragen. Lest selbst. 😉

…und nun muss ich Gassi gehen.

P.S. ein dickes Danke an den Verlag für die Leckerlies im Hilde-Style 🙂

Eure
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Wasser für die Elefanten ~ Sara Gruen

Wasser für die Elefanten ~ Sara Gruen

Beim Stöbern in meinem eigenen Bücherregal bin ich gerade dem Roman „Wasser für Elefanten“ von Sara Gruen begegnet. Das Buch habe ich 2011 im Bertelsmann Club gekauft und sofort gelesen. Heute ist es bei Dumont erhältlich. Vorgestellt habe ich es bisher nur auf Lovelybooks und heute möchte ich meine Worte hier auf Literatwo holen. Es tut immer gut, einen Blick zurück zu werfen und nicht nur die aktuelle Literatur, sondern auch einen älteren Schatz zu empfehlen.

Ich gehe nicht wirklich oft ins Kino, bin kein Filmegucker. Aber – den Film möchte und werde ich im Kino schauen. Ich möchte Jacob Jankowski auf der Leinwand sehen – den 93-jährigen Jacob, wie er im Altersheim seine letzten Lebenstage verlebt, und ich möchte den 23-jährigen Jacob sehen, wie er im Zirkus lebt. Ins Kino habe ich es tatsächlich nicht geschafft, wie ich heute feststelle und doch ist der Film noch auf meiner Liste der Filme, die ich unbedingt sehen mag.

70 lange Lebensjahre liegen zwischen 23 und 93. 70 lange Lebensjahre, in denen er, Jacob, so viel gesehen und so viel erlebt hat. Doch erzählt hat er davon nie. Niemandem. Dann kommt der besondere Tag, an dem er die Zirkusluft riecht und diese löst in ihm Gefühle aus, die sein Leben bedeuten.

Eigentlich wollte er Tierarzt werden, er stand kurz vor seinem Abschluss, das Examen ganz nah. Dann sollte er mit seinem Vater Hand in Hand arbeiten, mit ihm Tiere in seiner Praxis behandeln. Doch dann kommt alles anders, ein schwerer Unfall nimmt beiden Eltern das Leben, die Praxis ist überschuldet. Jacob ist alleine, ganz alleine und sein weiteres Leben scheint aussichtslos zu sein. Er verkraftet den Tod seiner Eltern nicht, kann nicht einfach weiter machen. Das Studium bricht er ab, schafft den Weg ins normale Leben nicht. Nachts bricht er auf in Richtung Eisenbahngleise…

Als der Zug kommt, wirft er sich nicht davor, sondern springt auf. Er schafft es mithilfe der Menschen, die im Waggon leben in den Zirkuswaggon. Das Zirkusvolk von „Benzinis Spektakulärster Show der Welt“ ist sehr eigen. Er wird vorerst mit zur nächsten Stadt genommen und ob er bleiben darf, ist ungewiss. Jacob schafft es aber die ersten Tage zu überstehen, denn Arbeit gibt es genügend und wenn er diese verrichtet, wird er auch einen Platz zum Schlafen bekommen. Das anstrengende Zirkusleben wird für Jacob kein Problem und er fügt sich ein. An die Tiere hat er gleich sein Herz verloren, er kümmert sich, und auch mit Walter und seinem Hund Queenie hat er nach Anfangsschwierigkeiten, eine Freundschaft geschlossen. Dass er keinen Abschluss als Arzt hat ist für Al kein Problem, er ist stolz einen Tierarzt zu haben, denn welcher andere Zirkus kann schon einen vorweisen?

Wasser für die Elefanten ~ Sara Gruen

Jeder Tag ist turbulent und als er Marlene sieht, weiß er, es wird gefährlich, aber er ist am richtigen Platz. Sein Herz schlägt für sie, aber die Frau zu bekommen, würde den Untergang für ihn bedeuten. Doch dann tritt noch eine Frau in sein Leben. Die Elefantendame Rosie, die nicht mal ein Elefantenkutscher bewegen kann. Jacob kommt hinter ihr Geheimnis und als Rosie eine bühnenreife Zirkusnummer gelernt hat, wird der Zirkus, den Al leitet, berühmter. Endlich scheint etwas Geld in die Zirkuskasse zu kommen und alle führen vielleicht bald ein besseres Leben. Doch dann passiert etwas Unvorhersehbares, nicht nur Jacobs Leben gerät aus den Fugen, der ganze Zirkus scheint verrückt zu spielen…

Mitten im Zirkusleben

Von Anfang an habe ich mich mitten im Zirkusleben gefühlt, mich sofort in Jacob versetzen können. Eigentlich war sein Lebensplan ausgeschmückt, er musste ihn nur leben. Aber er wählt den Abstieg ins Zirkusleben, ohne festes Gehalt, ohne festen Zukunftsplan, dafür mit viel Herzblut. Die Tiere, die Menschen, ein großes Gewimmel und das täglich. Im Zirkus scheint nicht täglich die Sonne, bei Onkel Al im Zirkus herrschen harte Regeln und es herrscht eine Rangordnung. Rivalität wie Liebe, schöne Momente, aber auch Unfälle zeichnen Jacobs neues Leben. Emotionen und Gefühle kommen trotz der nicht immer würdigen Lebensbedingungen nicht zu kurz.

Eine im wahrsten Sinne zirkusreife Lebensgeschichte, bei der ich am Ende tief ein- und ausatmen musste.

Meine eigene Leinwand ist bebildert und hat bereits einen farbenreichen Anstrich. Der Film wird mir hoffentlich weitere schöne Bilder zum Buch geben und mich noch einmal in den Bann des Zirkus ziehen und mich am Ende sagen lassen: The Show must go on.

Du hast Zirkusluft geschnuppert und suchst eine weitere Empfehlung? Dann komm mit in den Zirkus der Stille

Eure
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Nur drei Worte ~ Becky Albertalli

Nur drei Worte ~ Becky Albertalli

Ich liebe Oreos! Nein, das sind nicht die drei Worte, die der Buchtitel meint. Allerdings könnte man das vermuten, wenn man die leckeren kleinen schwarzen Kekse mit der weißen Crémefüllung auf dem Bild sieht. Ich sage dir, die waren sehr lecker. Doch das spielt hier alles keine Rolle, denn Fakt ist: DU BRAUCHST DAS BUCH! Ich liebe es! Auch wenn das ebenfalls nicht die drei Worte sind, die der Buchtitel meint. Soll ich sie dir verraten? Wirklich?

ICH BIN SCHWUL!

Ja, so ist es – Hauptprotagonist Simon Spier ist schwul und bis jetzt weiß es nur einer und das ist der größte Mist, der überhaupt passieren hätte können. Martin hat entdeckt, dass Simon mit Blue Emails schreibt. Natürlich keine normalen Emails, sondern sie flirten miteinander. Besser hätte es für Martin nicht laufen können, denn er hat nun die Möglichkeit Simon zu erpressen, denn natürlich will dieser auf keinen Fall zum Gerede der Schule werden in dem ein anderer bekannt gibt, dass er schwul ist.

Seine Forderung ist total unmöglich, denn er will mit Abby zusammen kommen. Gefühle kann man nicht erzwingen und Simon ist nun in der totalen Zwickmühle. Seine beste Freundin Abby mit Martin verkuppeln – keine einfach Aufgabe und dazu noch total unfair. Abby müsste sowieso zuerst erfahren, dass ihr bester Freund in einen geheimnisvollen Jungen namens Blue aus dem Internet verliebt ist…

„Denn wen man mag, lässt sich nicht erzwingen oder herbeireden oder manipulieren.“ (Seite 263)

Was jetzt noch total unromantisch und meinetwegen auch nicht nach einer total neuen Story klingt, hat mein Herz total überquellen lassen. Der Roman von Becky Albertalli hat zu Recht Auszeichnungen bekommen, denn so herzerfrischend und unverkitscht ist selten ein Jugendroman. Das der Schreibstil total erfrischend und authentisch und das Buch obendrauf noch verdammt spannend ist, kommt noch dazu.

Unverkitschte Liebe

Ich weiß gar nicht, wo ich mit dem Schwärmen anfangen soll und am liebsten würde ich dich gleich in die nächste Buchhandlung schleifen, damit du es dir gleich kaufst und gleich noch dort vor Ort liest. Die ersten Seiten, das gebe ich zu, waren holprig und ich habe darauf gewartet, gepackt zu werden. Doch dann konnte ich es einfach nicht mehr zuklappen und ich habe es an einem Tag verschlingen müssen. Zu groß war meine Neugierde, wer denn nun eigentlich Blue ist, ob Simon sich outen wird, was seine beste Freundin Abby und vor allem seine Familie dazu sagen würde und natürlich, ob Martin es schafft, ihn zu erpressen.

„Menschen sind wie Häuser mit riesigen Zimmern und winzigen Fenstern. Und das ist vielleicht auch gut so, denn so können wir einander immer wieder überraschen.“ (Seite 300)

Nur drei Worte ~ Becky Albertalli

Emails und Oreo Kekse – die ziehen sich quer durch das Jugendbuch und sorgen für Spannung und dem Running Gag zwischen den zwei flirtenden Jungs. Was hatte ich beim Lesen vielleicht Schmetterlinge im Bauch und am Ende habe ich mich so wahnsinnig gefreut, dass Blue genau der Junge ist, den ich mir gewünscht habe. Dabei ist der Roman absolut unvorhersehbar und bis kurz vor Schluss ist nicht wirklich offensichtlich, wer hinter Blue steckt. Doch nicht nur die Emails spielen im Buch eine Rolle, denn Simon geht schließlich normal zur Schule, hat einen Freundeskreis und natürlich Eltern. Außerdem wird er erpresst und muss sich einigen Situationen stellen, die nicht gerade angenehm sind. Es geht nicht nur um Liebe, auch um die Sexualität und natürlich sind auch alle anderen Protagonisten charakterstark, wie auch liebenswert und geben dem Buch die besondere Würze.

Emails & Oreo-Kekse

Simon ist ein super starker Charakter der uns Lesern so viel Mut macht, dass wir diesen mit ins Leben außerhalb des Buches nehmen. Mir ist Simon sehr schnell ans Herz gewachsen und ich konnte mich so viel mit ihm freuen, wenn auch die Gesellschaft versucht hat, alles kaputt zu machen. Sei wie du bist und sei stark und geh deinen Weg – so wie Simon. Er hat es stellenweise vielleicht recht einfach, da er auf viel Toleranz stößt und doch gibt es auch bei ihm steinige Zeiten. Was für ein Buch – so frisch wie der erste Schnee.

Zwischen den Seiten treffen der Ernst des Lebens und Humor aufeinander und ich hatte stellenweise das Gefühl, dass sich mein Grinsen an den Ohren verhakt hat. Ich konnte einfach nicht mehr aufhören zu lesen und zu grinsen und letztendlich bin ich vor Glück fast geplatzt. Mit so einem sensiblen Thema so offen, realistisch, ehrlich, ungeschönt und einfach grandios umzugehen, ist wirklich fabelhaft. Gerade auch wenn du nicht schwul bist, solltest du den Roman lesen. Ich sag nur: Pflichtlektüre!

In dem Umfang ist mir das Herz wohl zuletzt bei „Eleanor & Park“ von Rainbow Rowell übergequollen. Einfach so toll und schön und liebevoll und hach. Liese es, du wirst es lieben und vielleicht gehst du danach sogar ins Kino. Im Sommer ist es soweit und der Trailer ist schon mal klasse:

Kennst du diesen genialen Jugendroman schon und bist du genauso begeistert?

Eure
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Marina Bellezza ~ Silvia Avallone

Marina Bellezza ~ Silvia Avallone
Marina Bellezza ~ Silvia Avallone

Wer zu einem Roman von Silvia Avallone greift, kann sich sicher sein, dass er nicht enttäuscht wird. Schon mit ihrem Debüt „Ein Sommer aus Stahl“ konnte sie mich sehr begeistern und mit „Marina Bellezza“ (Klett-Cotta) schafft sie es erneut.

Er, Andrea. ist völlig anders als sie, Marina, und doch waren die beiden mal vor Jahren ein Paar und doch ziehen sich beide mit ihren Gegensätzen immer noch an. Auf dem Volksfest von Camandona sollten sie sich wiedersehen, ganz unverhofft und zufällig.

In manchen Augenblicken denkst du an nichts, weißt du nichts und bist niemand. (Seite 14)

Andrea, mit seinen Freunden unterwegs, hat einen Wildunfall zu verdauen, als er die Stimme von Marina hört. Marina, oft alleine unterwegs, hat das Treffen mit ihrem Vater und dessen Freundin zu verdauen, steht auf der Bühne und nimmt mit ihrer Stimme am Galá della Canzone teil. Ein einsames Leben und ein wildes Leben treffen nach dem Ende des Programms flüchtig aufeinander und verabreden sich.

Eine kurze Begegnung die für uns Leser und auch für die zwei Protagonisten Wellen schlägt. Andrea und Marina grübeln beide, ob sie sich treffen sollten, ob die Idee eine gute Idee war und beinahe hätte Andrea vergeblich auf Marina gewartet. Doch sie kommt und sie präsentiert sich wie ein Star, als ob sie bereits die Gewinnerin der Castingshow ist. Andrea ist unsicher, eher der ruhig lebende Typ, doch er kann nicht von der aufgedrehten Marina lassen und sein Herz ist entflammt, war nie erloschen.

So unterschiedlich beide sein mögen, eins haben sie gemeinsam: ein nicht wirklich intaktes Elternhaus. Marina hat eine Alkoholiker-Mutter und einen Vater der sich lieber in Monte Carlo aufhält und sich selten für sie interessiert, geschweige denn Zeit mit ihr verbringt. Andrea steht schon immer im Schatten seines Bruders und kommt den Erwartungen seiner Eltern nicht nach. Zwei gebrannte Kinder die eigentlich nur geliebt und geachtet werden wollen. Zwei gebrannte Kinder, die dennoch Träume haben und dafür kämpfen. Und die Liebe?

Marina Bellezza ~ Silvia Avallone

Bis zur besagten Begegnung müssen wir über 100 Seiten lesen, was keinesfalls viel ist. Silvia Avallone wickelt ihre Leser schnell um den Finger. Rasant startet der Roman, wir finden uns durch die bildliche Erzählweise dort wieder, wo ihre Charaktere zuhause sind und es fällt schwer, eine Pause einzulegen. Nach nur wenigen Seiten fühlt man sich, als ob man mit dem Buch verwachsen ist, es besteht eine Vertrautheit, es ist spannend und ihre Worte sind eindringlich leise und sehr melodisch.

Fast 570 Seiten dürfen wir an den Leben von Andrea und Marina teilhaben. Wir erfahren einfach alles, ohne das es uns langweilig wird. Autorin Avallone wechselt die Perspektiven und lässt uns nicht nur an der Vergangenheit teilhaben, sondern auch gefühlvoll in die Protagonisten und deren Seelenleben schauen. Wir fiebern mit, wir verstehen, wollen nicht immer akzeptieren und wir erfahren den Schmerz, denn nicht alle Handlungen sind vertretbar und vorhersehbar.

Katastrophen kommen nie, wenn man sie erwartet, sondern immer am Tag danach, wenn man hilflos, gelassen und ruhig ist, und nicht im Traum daran enkt, dass die Welt über einem zusammenbrechen könnte. (Seite 348)

Wir erfahren das nackte Leben und verspüren ein einzigartiges Lesegefühl durch diese zwei so komplett unterschiedlich tickenden Charaktere – Andrea & Marina. Mit ihren jungen Jahren haben sie schon so viel erlebt, erkämpft und einfach erdulden müssen.

Beide sind noch immer nicht erwachsen, suchen die Liebe und wissen, dass es immer irgendwo ein Stück Hoffnung gibt. Sie machen Fehler, rennen auseinander, zueinander und das Ende ist, wie es ist.

Ein sehr starkes, italienisches, sehnsuchtsvolles, einfach grandioses Stück Literatur. Keine Seite, kein Gefühl, keine Handlung ist zu viel oder zu wenig. Es passt einfach – alles!

Eure
Marina Bellezza ~ Silvia Avallone