
Puzzleteile: Aufstieg und Fall großer Mächte
Manche Bücher brauchen einen besonderen Zugang, eine besondere Art der Besprechung. Puzzleteile müssen sich zusammenfügen, um ein großes Ganzes zu ergeben. So auch in diesem außergewöhnlichen Meisterwerk von Tom Rachman „Aufstieg und Fall großer Mächte“ (dtv).
Eine „normale“ Rezension wird diesem Roman über Erinnerung, Wahrheit und Verlust nicht gerecht. Vielmehr müssen einzelne Bausteine zusammengesetzt werden, um einen Zugang zu diesem Buch zu finden.

Puzzlebaustein 1: Der Inhalt
Worum geht es in diesem Werk? Wer ist die Hauptfigur? Am besten spricht der Autor selbst zu diesen Fragen.

25 Jahre im Leben von Tooly vor dem Panorama der Weltgeschichte.

Eigene Identität und weltumspannende Ereignisse werden in diesem Roman kongenial miteinander verknüpft, wobei Rachman durch alle Zeiten springt, in Fragmenten schreibt und erst am Ende, wenn das Erinnerungspuzzle Toolys sich zusammengesetzt hat, wird sich ein Lebensbild ergeben.

Puzzlebaustein 2: Der Stil
Wie liest sich dieses mehr als 400 Seiten starke Werk? Am besten eigenen sich kleine Zitatepuzzle aus dem Roman, um den klaren, präzisen und dennoch humorvollen Stil zu illustrieren. Es sind Worte über Bücher, über Erinnerung, über Identität.
„Wenn ich mir ein Buch ausleihe und es mir gefällt […] wird es kraft Gesetz zu meinem Buch.“ (S. 82)
„Beziehungen, auf die es ankam, waren jene, die man sich selbst aussuchte. Freundschaft knüpfte folglich die wichtigsten Bande, da beide Seiten sie lösen konnten, ein Risiko, das sie besonders wertvoll machte.“ (S. 101)
„Tooly wünschte sich, sie würde nicht länger existieren, würde ausgelöscht werden, gefangen, wie sie sich in diesem ungeliebten Ramschhaufen eines kleinen Mädchen fühlte, ermattet von der Beständigkeit des eigenen Ichs.“ (S. 252)
„Menschen sahen die Welt nicht, wie sie war; sie sahen sie so, wie sie selbst waren.“ (S. 283)
„Einstmals du, mit der Zeit allen ein Fremder.“ (S. 401)
Puzzlebaustein 3: die Leser- und Autorenerinnerung
Was bleibt von diesem Roman haften? Woran erinnert man sich als Leser, was will der Autor vermitteln?
Zwei Erinnerungsbilder, die vielleicht etwas Aufschluss geben.

„Es gibt Romane, von denen man wünscht, sie würden niemals enden. Tom Rachman ist dieses Kunststück eines solchen Romans gelungen…Man muss dieses Buch einfach lieben.“ (The Telegraph)

Taucht ein in diesen Roman und setzt die Puzzleteile gemeinsam mit Tooly zusammen und betrachtet ihr Lebensbild. Vielleicht fügen sich eure Puzzleteile ganz anders zusammen, ergeben ein anderes oder auch gar kein Bild. Wie auch immer eurer Erinnerungs- und Leseweg aussehen wird, „Aufstieg und Fall großer Mächte“ lohnt sich. Es sind Worte und Gefühle, die bleiben.
Hey,
was eine spannende und völlig andere Herangehensweise an diesen tollen Roman! Ich habe ihn damals sehr, sehr gerne gelesen und war begeistert von den verschiedenen Facetten 🙂
Liebe Grüße
Anna
Vielen Dank. Hab lange überlegt, wie ich die Besprechung gestalte und das schien mir am geeignetsten.☺