Das brennende Mädchen ~ Claire Messud

Brennende Freundschaft

Ich brenne für gelbe Bücher, ich brenne für gute Titel und ich brenne vor allem dann, wenn der Inhalt mich so ansteckt, dass ich mit meiner Meinung in anderen Lesern Flammen zum Lodern bringe. Geht es dir ähnlich? Claire Messud hat es mir allerdings nicht leicht gemacht oder vielleicht habe ich mich auch selbst mit zu viel Wasser übergossen, um nicht in Flammen zu stehen?

Gelb – die Farbe des Neides, die Farbe von Verrat und Irrsinn. Strahlend, hell, freundlich, hoffnungsvoll – gelb. Gelb – stimuliert den Geist, steht für Pracht und Kraft. Facettenreich und vielfältig – gelb.

Claire Messud transportiert die Eigenschaften der Coverfarbe in ihre Charaktere. Wir treffen auf Julia, die immer noch an der Freundschaft mit Cassie hängt. Sie waren unzertrennlich, die beiden Mädchen aus recht unterschiedlichen, gar gegensätzlichen Familien. Julia wächst gut behütet, in einer intakten Familie auf. Cassie allerdings kennt nur ihre Mutter und die kommt mit einem Mann zusammen, der erst richtig signalisiert, wie überflüssig sie eigentlich ist.

Die beiden Mädchen halten zusammen, sie verbringen viel Zeit miteinander und entfernen sich gern vom Hauptweg des Lebens. Sie laufen Hand in Hand in Richtung Erwachsenenleben, bis der Sommer kommt.

Brandwunde Freundschaft

Warum sie nicht mehr Hand in Hand laufen, hat Julia nie verstanden. Wieso Cassie sich so verändert hat und warum sie so wurde, nie verinnerlicht. Verstehst du, warum du deine Freundin, deinen Freund verloren hast? Habt ihr euch nicht so gekannt, wie ihr dachtet? Gibt es Gründe, Erklärungen? Einige Antworten wollen nicht kommen, können nicht kommen und sollten vielleicht auch nicht kommen. Egal wie – Brandwunden bleiben.

„Man konnte sich nicht das ganze Leben wegnehmen lassen. Aber gleichzeitig war unsere Freundschaft wie eine Stadt, die man lange nicht mehr besucht hat, wo man die Straßen kennt wie seine Westentasche, die Läden und Restaurants aber gewechselt haben, sodass man zwar problemlos den Weg von der Kirche zum Marktplatz findet, aber plötzlich nicht mehr weiß, wo man ein Eis oder ein anständiges Sandwich bekommt.“ (Seite 145)

Das brennende Mädchen ~ Claire Messud

Brennen wollte ich. Ich bin traurig, weil ich nicht in Flammen stehe, weil ich nicht für den Inhalt brenne und somit keine Empfehlungsbrandwunden hinterlassen kann. War es der falsche Moment? Waren es die hohen Erwartungen durch die brennenden Empfehlungen? Warum konnte mich der Inhalt nicht richtig entzünden? Es brodelte, es gab kleine Flammen und doch wurden die Brände schnell erstickt. Trotzdem glühe ich noch nach.

Protagonistin Julia versteht nicht, warum die Freundschaft mit Cassie auseinander ging. Es gibt nicht den einen Grund – es gibt aber auch nicht viele Gründe. Das WARUM schwebt ständig zwischen den Zeilen. Das sich das Freundschaftsband eines Tages löst, hätte Julia nie geglaubt. Cassie war ihre Freundin, eine Art Schwester, Familie – blindes Verstehen. Durch ihre Augen blicken wir auf die Freundschaft zurück, suchen mit ihr nach den Antworten und versuchen dabei nicht zu blinzeln. Ein Wimpernschlag und alles ist anders, es gibt nicht immer die benötigten Erklärungen – das Leben dreht und wendet sich. Freundschaft prägt und der Verlust zerstört.

WARUM?

Thematisch hat mich die aus einer kanadisch-französichen Familie stammende Autorin wirklich packen können. Auch ich suche noch nach Erklärungen, vermute, akzeptiere und fange wieder an zu suchen. Man erhofft sich immer diesen Knalleffekt – den Moment in dem man weiß, jetzt ist es so und jetzt bleibt es so. Der Roman spiegelt und doch fehlt auch in ihm dieser Knalleffekt. Es gibt große Spannungen, der Funke springt, aber er springt nicht über.

Bis zur letzten Seite habe ich gehofft und gewartet, habe mich gegen das Abbrechen entschieden und die langweiligen Stellen schön geredet. Ich habe wundervolle Sätze genossen, mich selbst darin gefunden, ich habe nachvollzogen und gegrübelt. Brennen wollte ich – denn was Julia mit Cassie passiert, ist mir keinesfalls fremd.

Ich brenne nicht, aber ich glühe nach.

Eure
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3 Comments on Das brennende Mädchen ~ Claire Messud

  1. Halli hallo,
    das ist aber sehr schade, dass dich das Buch einfach nicht packen konnte! Die Sehnsucht nach dem Funken, der deine Begeisterung fürs Buch entfachen sollte, den hast du in deiner Rezi ganz wundervoll beschrieben! 🙂 Sehr schade! Aber so Bücher gibt es einfach.
    Ich hatte mit kürzlich mit „VOX“ so Pech! Wollte, dass es mich begeistert, da mir die Idee so grandios vorkam. Aber ich fühlte mich enttäuscht und betrogen. hihi
    Somit teilen wir jetzt einfach unser Buchleid, dann geht´s uns gleich besser, oder?
    GlG, monerl

    • Meine liebe Monerl,

      sehr gut, wenn man die Sehnsucht nach dem Funken, hast du schön gesagt, herausliest. So soll es sein. Ich hätte es gern gemocht.

      Ohja – wir sind Buchleidverbündete und wegen VOX, ich lese es gerade. Derzeit bin ich auf Seite 120 und finde es gut, aber ich habe ein komisches Bauchgefühl. Alle Erwartungen auf null gestellt. Meine Kollegin hat es begeistert gelesen, nun haben wir heute ein wenig ausgewertet, aber ich muss ja noch bis zu Ende lesen. Derzeit bin ich recht angetan und könnte den Sohn wegen der Milch ein paar klatschen – nein, Gewalt ist Mist, aber du weißt sicher, wie ich das meine. Und die Tochter mit dem Worte sparen – da hat es echt im Herz gerissen…seufz…

      So gleich lese ich weiter, ich melde mich gern zurück, vielleicht teilen wir ja dann noch ein Leid gemeinsam. Danach finden wir aber ein Buch über das wir mehrere Tage schwärmen können.

      Fühl dich umarmt – Bini

  2. Huhu!

    Ich habe das Buch eben beendet und direkt deinen Beitrag gelesen, nachdem du mich gestern darauf hingewiesen hast.

    Im Endeffekt muss ich sagen, dass es mir ähnlich geht wie dir. Ich habe die ganze Zeit auf irgendeinen Knall gewartet. Es kamen so viele Anfänge von möglichen Fäden, aber alles verwirrt sich nur und das Ende ließ mich sehr unglücklich zurück. Als hätte man verbrennen sollen, aber wurde vorzeitig gelöscht.

    Fakt ist, dass ich mir mehr erhofft und am Ende etwas anderes erwartet hatte. Sehr schade, denn den Schreibstil fand ich sehr gut und ich hatte prinzipiell eine gute Lektüre mit diesem Buch.

    Liebe Grüße
    Franziska

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