von Dichtern und einem Maler und Liederkomponisten

Feusisgarten – Im Sommer (©IG Pro Feusisgarten)

Der Feusisgarten blickt hoch oben am Waldrand in die Weite. Hoch über dem Zürichsee, hoch über der Insel Ufenau, dem Grab des Ulrich von Hutten. Seit bald zweihundert Jahren steht er da, Sommer und Winter, ein Wächter, der die Menschen am Abhang des Berges beschützt, bei Tag und bei Nacht. In der Nacht kann man sein Leuchten weithin sehen.

Richtig – heute erwartet dich keine Buchvorstellung, sondern ein Herzensprojekt. Mich erreichten vor ein paar Tagen die bittenden Worte von Clara Luisa Demar, über den Feusisgarten zu berichten. Clara Luisa Demar hat zuletzt 2015 den Gastartikel [Oda Schaefer] VON DER HOFFNUNG, EINE NEUE WELT ZU BAUEN veröffentlicht, in dem sich ein Kreis schließt. Sie ist noch heute fest mit Oda Schaefer und Horst Lange verbunden. Dank auch an Arndt – er hat Oda über den Film Poll „entdeckt“ und 2011 den literarischen Stein ins Rollen gebracht!

Lest selbst, was Clara Luisa Demar auf dem Herzen brennt und noch viel wichtiger: handelt!

Feusisgarten – Im Winter (©IG Pro Feusisgarten)

Immer war es der Auftrag, die Aufgabe des Feusisgartens, Menschen zu helfen, in Krankheit, in Trauer, in menschlicher Not. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Feusisberg ein Luft- und Molkenkurort, und der Feusisgarten war ein Kurhaus. Die Molke ist ein Nebenprodukt der Käseproduktion. Man schrieb ihr Gesundheitsförderndes zu. Und so kam man in den Feusisgarten, zur Molkenkur, an die frische Luft, um sich zu bewegen; wohl auch, um Abstand zu gewinnen, neue Bekanntschaften und Verbindungen zu knüpfen.

Feusisgarten

Blick vom Feusisgarten (©IG Pro Feusisgarten)

Nach dem ersten Weltkrieg wurde der Feusisgarten ein Erholungsheim, für gesundheitlich Angegriffene und Erholungsbedürftige. Artur Beul (1915 bis 2010) hat den Blick von der Terrasse des Feusisgartens gemalt.

Artur Beul war ein Lehrer aus Einsiedeln, der für seine Schulkinder Lieder zu dichten und zu komponieren begann. Bald waren seine Lieder in aller Munde. Sie sind meist einfach, die Lieder von Artur Beul, einfach und tief und wahr. Und so wurde er zum berühmtesten Liederkomponisten der Schweiz, mit internationalem Ruf.

Eines seiner berühmtesten Lieder ist:Nach em Räge schint Sunne

Das Lied ging um die Welt. Auch in den USA wurde es gesungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg rief Beuls Produzent ihn eines Tages an und fragte, ob Lale Andersen kurz bei ihm wohnen könne. Sie war aus Deutschland gekommen. Um Aufnahmen zu machen. Kurz danach stand der Star von «Lili Marleen» vor Beuls Haustüre in Zollikon, am Zürichsee. Sie hatte einen schäbigen Kartonkoffer in der Hand und war armselig gekleidet. 1949 heirateten sie. Ihre Ehe lebte vierundzwanzig Jahre, bis zum Tod von Lale Andersen, 1972.

Artur Beul (©A. B. aus Einsiedeln)

Artur Beul

Für sie hat Beul Lieder geschrieben, wie «In unserm Garten blühen Rosen».

Lale Andersen starb 1972. Danach verließ Artur Beul die Schweiz. Er lebte nun zehn Jahre in Südfrankreich. Er malte, das Meer, die Küste. Nach zehn Jahren kehrte er in die Schweiz zurück und lebte bis zu seinem Tode in Zollikon. Er mag wohl oft oben auf der Terrasse des Feusisgartens gesessen haben und über das weite Land geschaut haben. Und da hat er das dann auch gemalt. Es ist in den Liedern von Artur Beul etwas so Wohltuendes. Sie geben mir ein Gefühl von Einfachheit, von Geborgenheit, von Vertrauen und Zuversicht, trotz allem Schweren, das das Leben für den Menschen meist auch bereithält.

Zu der Zeit, als Lale Andersen bei Artur Beul in Zollikon vor der Haustüre stand, kamen auch Oda Schaefer und Horst Lange in die Schweiz. Das Schauspielhaus Zürich hatte sie zu einem Erholungsurlaub in die Schweiz eingeladen. Sie kamen erschöpft, ausgehöhlt…

Horst Lange & Oda Schaefer

Horst Lange war schwer kriegsversehrt. Er hatte sein linkes Auge verloren und zudem eine Hirnverletzung.

Oda Schaefer (1900 bis 1988), die große deutsche Schriftstellerin und Lyrikerin. Ihre Werke wurden mit vielen Preisen ausgezeichnet, unter anderem auch mit dem Bundesverdienstkreuz 1.Klasse.

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Horst Lange (1904 bis 1971), sein Roman «Schwarze Weide» gilt als ein Werk von europäischem Rang. Sie waren verheiratet von 1933 bis zum Tode von Horst Lange, bis 1971.

Oda Schaefer hat im zweiten Teil ihrer Autobiografie «Die leuchtenden Feste über der Trauer» den Aufenthalt im Feusisgarten beschrieben. Er dauerte acht Monate.

Max Frisch

Max Frisch wurde nun beauftragt, für die Dichter einen Ort zu finden, wo sie ungestört arbeiten konnten. Und Max Frisch fand ihn, den Ort, den Feusisgarten!

Eines Tages fuhren Oda und Max Frisch dann mit dem Zug den See hinauf. Sie stiegen an der sanften Anhöhe des Etzel empor. Frisch voran, im Pfadfinderschritt, so dass Oda kaum folgen konnte. Plötzlich wies Frisch mit der Hand auf die gut getarnten Kriegsbunker im Wald und sagte: «Für jeden von diesen Bunkern hätte sich eine Schweizer Familie ein Häuschen bauen können.» Dann stiefelte er weiter, Oda ratlos und verletzt hinterher. Auf dem Feusisgarten mietete Oda sofort zwei Mansardenzimmer, für sich und für Horst Lange. Der Pensionspreis betrug 7 Franken pro Tag. Und Oda schreibt: «…dann liefen wir über die Wiesen bergab, deren reiche Flora mich entzückte. Ich liebte dieses Stück Land vom ersten Augenblick an, es war von üppiger Fruchtbarkeit und zarter Lieblichkeit.

Funkelnde Illusion

Max Frisch setzte zuletzt in grossen Sprüngen über Blumen und Gras, ohne sich nach mir umzusehen. Hatte ich etwas falsch gemacht? … Müde fuhren wir nach Zürich zurück … und ich dankte Frisch, dass er uns geholfen hatte.» Und Oda schreibt weiter: «Horsts Zimmer lag neben dem meinen, von ihm aus konnte man über den See bis hin nach Zürich sehen. Nachts war der Anblick der Lichterkette am anderen Ufer von besonders grossem Zauber, alles schien zu schweben wie eine funkelnde Illusion. Doch die Tage waren hart und voller Sorgen. Wir lebten still dahin, arbeiteten und durften die Schreibmaschine des Kurhauses benutzen (die Langes hatten ihre Schreibmaschine in Konstanz, an der Schweizer Grenze, zurücklassen müssen. Sie hatten in der Schweiz Arbeitsverbot).

Ansichtskarte (© Siegfried Hettegger)

Diesen Menschen, den Besitzern, hatten wir zu danken. Eines Tages erhielt Horst die Nachricht, dass eine Postsendung für ihn gekommen sei. Der Postbeamte ließ sich, obwohl er mich kannte, meinen Ausweis zeigen und sagte dann in seiner gemächlichen Art, es handle sich um eine Geldsendung aus den USA. Es war ein irrealer Augenblick, wie ich ihn niemals wieder erlebt habe. Mir, der besitzlosen Deutschen, wurden siebenhundert Franken in Hundertfrankenscheinen ausbezahlt.

Ich begann schneller zu gehen und lief dann fast den steilen Weg zum Feusisgarten hinauf. Fassungslos starrte Horst mich an, bis er endlich begriff, dass unsere Not ein Ende hatte. Das Geld war ein Geschenk des Regisseurs William Dieterle, der, als er noch den Vornamen Wilhelm trug, in Berlin große Erfolge als Schauspieler in Theater und Film gehabt hatte. Er wurde in Hollywood ein gesuchter Regisseur.» Die Langes hatten freundlichen Kontakt mit den anderen Gästen im Feusisgarten. Man schenkte ihnen sogar Stoffreste, aus denen sie sich Kleidungsstücke machen konnten. Damals war es nicht selbstverständlich, dass man zu Stoff kommen konnte. Auch Nähnadeln, mit denen man sich hätte ein Kleid nähen können, waren in Deutschland praktisch nicht aufzutreiben.

Verlöschende Feuer

Und Horst Lange sollte nun an seinem neuen Roman «Verlöschende Feuer» arbeiten, der von den letzten Kriegsjahren in Berlin handelt. – Die Feder stockte, als Horst die Bombenangriffe hätte beschreiben sollen. Er hatte sie wachen Sinnes erlebt; da er sie nun in seinen Worten zum schauerlichen Leben erwecken wollte, versagte wohl sein Kopf, das innere Chaos machte ihn wortlos, sprachlos. Horst mag sich, umgeben vom Frieden des oberen Zürichsees, gefühlt haben, wie auf einem fremden Planeten.

Der Feusisgarten beschützte den geschlagenen und zutiefst verletzten Dichter. Was Horst schließlich dann schrieb, ist heute, 75 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, von größter Bedeutung. Es kann uns ein Stück weit miterleben lassen, was auf diesem Planeten möglich sein kann.

Folgen wir Horst Lange in die Bombennacht.

Feusisgarten (©Clara Luisa Demar)

«Und nun pflügte es sich heran, auf breiter Front, zwei, drei Geschwader, vielleicht noch mehr, ruhig, unbeirrbar, mit einer unerbittlichen Hartnäckigkeit. … ohne dass Hans gehört hatte, wie die Sprengbomben gefallen waren, schlugen die ersten Detonationen zu wie harte Fäuste, aus Luft geballt, … jetzt konnte er auch das Sausen vernehmen, das, einem Glissando ähnlich, welches vom Diskant in den Bass fährt, sämtliche Töne aneinander reihend, das Fallen der Bomben hörbar werden liess, die auf allen Seiten aus dem Himmel stürzten; jenes infernalische Geräusch, dessen Tiefpunkt von einer kurzen Pause markiert wurde, nach der dann endlich die Erde erschauerte und die Häuser auseinander barsten.

Bomben

Als es Hans endlich bewusst wurde, dass das Motorengeheul längst aufgehört hatte, dass keine Bomben mehr fielen, überfiel ihn eine jähe Angst, die deswegen, weil sie so spät kam, doppelt erbarmungslos war. Er konnte nicht erkennen, wie es jenseits der Feuervorhänge aussah, die die Stadt verhängten, dort, wo der Grunewald lag, dort, wo Blanche, auf sich selbst gestellt und völlig schutzlos, das über sich hatte ergehen lassen müssen. … Er hörte hinter den fauchenden Atemzügen der Flammen das dünne, lächerlich wirkende Klingeln der Feuerwehrautos …»

«Verlöschende Feuer», Hans und Blanche, eine Liebesgeschichte, die inmitten der zunehmenden Zerstörung erblüht, wie eine zarte, verletzliche Blume, und die dann im allgemeinen Untergang mitgerissen wird. Ein winziges Zeichen echter Menschlichkeit …

Die Langes kehrten 1948 nach Deutschland zurück und gerieten in die Währungsreform. Mit 40 Mark begannen sie von Neuem den «Kampf ums Dasein».

Clara Luisa Demar mit Oda Schäfers Buch (©Clara Luisa Demar)

Der Feusisgarten, dieses wunderschöne, freundliche, beschützende Haus, mit seiner wohltuenden, aufbauenden Seele, befindet sich heute in Not! Er soll abgerissen werden. Dagegen regt sich Widerstand! Viele Stimmen werden laut, die das kulturhistorisch wertvolle und menschenfreundliche Juwel verteidigen wollen. Einem modernen Zweckbau soll es weichen. Das darf nicht sein! Vielmehr soll es vermehrt ein Ort der Begegnung werden. Für Viele, die Ruhe, Gespräch, Hoffnung, Neues, Kultur und wohl auch gutes Essen suchen. Wenn auch Du zur Verteidigung des Feusisgartens beitragen willst, dann gib der untenstehenden Petition

Deine Stimme, ruf auch andere Stimmen herbei. Der Feusisgarten dankt Dir von ganzem Herzen. Er freut sich auch, wenn Du ihn in der Zukunft einmal besuchen willst.

Rettet den Feusisgarten

PETITION «Rettet den Feusisgarten!» Wir fordern den Gemeinderat von Feusisberg auf, alle erforderlichen Massnahmen zum Schutz des äusseren Erscheinungsbildes (Fassade) des Feusisgartens und seiner Einbettung in die Landschaft zu ergreifen und beim Regierungsrat einen Antrag auf Aufnahme in das kantonale Schutzinventar zu stellen (nach § 16 Denkmalschutzgesetz).

Darüber hinaus fordern wir den Gemeinderat auf, dass er nach seinen Möglichkeiten alles unternimmt, damit der Feusisgarten als Restaurant, Ausflugsziel, Veranstaltungsort und Treffpunkt für die Bevölkerung erhalten bleibt. Die gesamte Petition finden Sie auf www.feusisgarten.ch. Bitte unterzeichnen Sie die Petition online oder schriftlich (Formular kann heruntergeladen werden).

Mich bewegen Oda Schaefer und Horst Lange schon eine ganze Zeit. Clara Luisa Demar ist ebenfalls ein Herzensmensch und seit ihren Worten fühle ich mich mit dem Feusisgarten verbunden. Eines Tages werde ich vor Ort sein und selbst den Ausblick genießen. Meine Unterschrift habe ich abgegeben und zwar ganz einfach über den LINK zu Petition.

12 Tage kannst du noch mitmachen, bis zum 05. April 2020. Deine Stimme zählt und die ist in weniger als einer Minute abgegeben! Danke für deine Stimme und auch im Kommentar würde ich mich über deine Stimme, Worte zum Artikel, freuen.

Vielen Dank für deine Unterstützung!

Eure
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