In der Nacht hör‘ ich die Sterne ~ Paola Peretti

Ob wir heute Nacht die Sterne sehen können? Wenn ich in den Himmel schaue, wenn ich die Sterne sehe, dann denke ich an Mafalda. Ich selbst bin Brillenträger und damit meine ich, dass ich eine Brille habe, die richtig stark ist. Ohne Brille bin ich aufgeschmissen und kann nur grob, sehr grob sehen, wo ich bin. Gesichter sehe ich keine mehr, geschweige denn Konturen. Ich würde sagen, dass ich ohne Brille mehr oder weniger eine verschwommene bunte Masse sehe. So geht es mir nun schon mehrere Jahre und ich lebe damit, ich habe mich damit arrangiert und es hätte ja noch schlimmer kommen können.

Mafalda, Paola Perettis Protagonistin ist noch keine 10 Jahre jung und steht kurz vor der völligen Erblindung. Mittlerweile ist ihr bewusst, dass der Stargardter-Nebel sich immer mehr und mehr ausbreitet und sie bald überhaupt nichts mehr sehen kann. Auf den Kirschbaum hat sie sich geflüchtet, als sie von der Krankheit erfuhr. Seitdem ist der Kirschbaum ihr Zufluchtsort, sie möchte am liebsten darin wohnen. Ihren Kater Ottimo Tucaret hat sie in besagtem Baum gefunden und ihre verstorbene Oma findet sie ebenfalls dort. Schritt für Schritt breitet sich der Nebel in Mafaldas Augen aus. Sie führt eine geheime Liste mit den Dingen, die sie bis zur vollständigen Dunkelheit noch machen möchte, da sie diese bald nicht mehr kann. Dazu gehören zum Beispiel die Sterne am Nachthimmel zählen oder mit den Jungs Fußball spielen und eine echte Freundin möchte sie haben…

„Die Angst liegt nie in den Dingen selbst, sondern darin, wie man sie betrachtet.“ (Seite 181)

Schritt für Schritt

Wir erleben mit Mafalda, was wir selbst nicht erleben wollen und begleiten sie Schritt für Schritt in die Dunkelheit. Doch bis die Sterne nicht mehr gesehen werden können, treffen wir mit ihr unter anderem auf die Hausmeisterin Estella. Sie ist es, die Mafalda vom Kirschbaum rettet. Sie begrüßt Mafalda jeden Morgen mit einem Pfiff, wenn sie das Schulgelände betritt und sie hat immer ein Ohr für sie. Estella zeigt Mafalda das Wesentliche im Leben und nimmt auch uns Leser an die Hand. Auch wenn es nach und nach dunkel wird, geht uns allen ein Licht auf…

In der Nacht hör‘ ich die Sterne ~ Paola Peretti

Mich hat die erste Seite und auch die letzte Seite zum Weinen gebracht. Allerdings ist die erste Seite wohl nur in den Büchern für die Buchhandlungen zu finden und nicht für die große Leserschaft, was richtig schade ist. Paola Peretti wendet sich nämlich direkt an die BuchhändlerINNEN und stellt sich selbst in diesem ganz persönlichen und sehr besonderen Vorwort vor. Sie ist auf dem Weg zu erblinden und sie selbst steckt in ihrer Protagonistin Mafalda. Schon die ersten Zeilen haben mir einen dicken Kloß im Hals beschert. Gerade diese intensiven Worte, dieses Vorwissen über die Autorin, haben für mich das Buch noch emotionaler gemacht.

In der Nacht hör´ ich die Sterne

„In der Nacht hör´ich die Sterne“ (dtv) ist ein Schicksalsroman, zugleich aber auch eine Flucht aus dem Alltag und zwar ins Zentrum zum Wesentlichen. Was vielleicht merkwürdig oder esoterisch klingt, ist ganz anders gemeint, denn Paola Peretti führt uns auf knapp 230 Seiten vor Augen, auf was es im Leben wirklich ankommt. Sie macht uns bewusst, welches Glück wir mit unseren Augen haben und lässt uns die großen Wirkungen von oft kleinen Dingen spüren. Mafalda ist ein verdammt tapferes Mädchen und sie zeigt uns, dass das Leben weiter geht. Wir haben noch mehr Sinne, für die es sich zu leben lohnt!

„Wichtig ist einzig und allein, niemals aufzugeben.“ (Seite 75)

Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Antoine de Saint-Exupéry – genau diese Worte verdeutlicht Paola Peretti und wärmt damit unser Herz. Auch ein Grund, warum ich am Ende erneut weinen musste. Dass der Roman mit der völligen Blindheit von Mafalda endet, ist kein Geheimnis, diese Tränen allerdings wurden durch ein anderes Ereignis ausgelöst. Denn dieses Buch ist so viel mehr – es steckt voller einfühlsamer Worte, obwohl es weder beschönigt, noch unrealistisch ist. Es gibt Kraft, nicht nur den Menschen, die auf dem Weg sind zu erblinden, es gibt uns allen Kraft, da uns dieses kleine Mädchen das wirkliche Leben zeigt. Wir werden gebremst und für ein paar Stunden aus der hektischen Welt herausgeholt.

Wer den kleinen Prinzen mag, findet in Mafalda eine Prinzessin, ein Vorbild, ein tapferes, mutiges und lebensfrohes Mädchen ohne Augenlicht.

140 Schritte bis zur Nacht…

Eure
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