Long Bright River ~ Liz Moore

Das mich hinter dem Cover so ein packender Krimi, so eine ergreifende Familiengeschichte erwartet, habe ich nicht gedacht. Ich bin immer noch aufgewühlt, denn die knapp über 400 Seiten von Long Bright River (C.H. Beck) habe ich in Rekordzeit verschlungen. Liz Moore hat mir ein unglaubliches Lesevergnügen beschert.

Wahnsinn, wahnsinn, wahnsinn!

Dabei ist der ganze Roman in einer recht stabil bleibenden, emotionalen Grundstimmung geschrieben. Die sorgt für einen dicken Knoten im Bauch. Ein Knoten aus Angst, Gefahr, Sorge, Ekel, Ungewissheit und Neugierde. Eine Mischung, die es kaum zulässt, die Protagonistin Mickey allein zu lassen.

Long Bright River

Mickey ist Streifenpolizistin in Philadelphia und kennt ihr Viertel ganz genau. Das Viertel in dem sich ihre drogenabhängige Schwester prostituiert. Das Viertel in dem gedealt wird, in dem die Obdachlosen lehrstehende Häuser eingenommen haben, in dem der Drogenkonsum immer schlimmer wird und in dem schon wieder eine junge Frau ermordet wurde. Kein schönes Viertel, doch Mickey kennt jeden Block und sie liebt ihren Job, auch wenn ihr langjähriger Partner Truemann derzeit krank ist.

Sie hofft, dass die Tote nicht ihre Schwester Kacey ist, als sie sich mit ihrem derzeitigem Einsatzpartner Lafferty zum Tatort begibt. Ihre Schwester ist ihr Herz und doch hat Mickey seit fünf Jahren keinen Kontakt mehr zu ihr. Kacey schafft es nicht, clean zu werden und Mickey hat keine Kraft mehr, ihr weitere Chancen zu geben. Die Tote ist nicht Kacey, aber vielleicht ist sie die nächste?

Der Mörder ist auf freiem Fuß, ihre Schwester ist spurlos verschwunden und Mickey rückt selbst immer mehr in den Mittelpunkt. Es beginnt nicht nur die Jagd nach dem Frauenmörder, denn Liz Moore dreht parallel dazu am Rad der Familiengeschichte und lässt uns beide Szenen auf einem krisenbehafteten Schauplatz, der Stadt Philadelphia, mit einer am Boden befindlichen Gesellschaft, überwiegend Drogenkonsumenten, erleben.

„In einem klaren Moment sagte Kacey einmal zu mir, dass sich Drogensucht anfühlt wie eine Zeitschleife. Jeder Morgen eröffnet die Möglichkeit zur Veränderung, jeder Abend bringt die Scham, versagt zu haben. Die Suche nach dem Schuss wird zur einzigen Aufgabe. Jede Dosis ist eine Parabel, tief-hoch-tief, und jeder Tag eine Abfolge dieser Wellen; …“ (Seite 171)

Long Bright River ~ Liz Moore

Ehrlich gesagt, war ich mehr auf einen Gegenwartsroman aus, als auf einen Krimi, der schon thrillerhafte Züge enthält. Umso besser, denn ich bin immer noch schwer begeistert und verdaue nach und nach, was mir an der Seite von Mickey passiert ist.

Liz Moore hat mich sofort erreicht und von der ersten Seite habe ich mich mit Mickey vertraut und verbunden gefühlt. Ich glaube, dass das die Voraussetzung ist, um den Roman mit knapp 400 Seiten, zu lieben. Obwohl die Handlung nicht durchgehend mit Action bespickt ist und wir uns vorwiegend in der Drogenszene mit all ihren verstörenden Abgründen und ekelhaften Nachwirkungen befinden, hat er auf mich eine faszinierende Sogwirkung ausgeübt. Das mag auch daran liegen, das ich einen Hang zum Thema habe und ich mich gern damit auseinandersetze. Jedenfalls habe ich mich regelrecht an Mickeys Seite gelesen, mich nah bei ihr gefühlt, sie lebendig neben mir gespürt.

Harter Stoff

Der Erzählfluss der Autorin hat zudem dafür gesorgt, keine Lesepause einzulegen. Sie erzählt abwechselnd über jetzt und damals. Mir war es völlig gleich, ob ich mich in der Gegenwart oder in der Vergangenheit aufhielt. Die Suche nach Kacey und die Jagd nach dem Mörder haben mich genauso fasziniert wie die Rückblicke auf Mickeys und Kaceys Kindheit. Die Situation mit ihren Eltern, die Zeit ihrer Pubertät und wie sich die zwei Mädchen, die sich einst wie ein siamesisches Zwillingspaar verhielten, so auseinanderlebten, geht tief. Die ausschweifenden Rückblicke haben mich in ihrer Fülle begeistert.

Die letzten 200 Seiten habe ich am Stück verschlungen, ich fühlte mich high von den Worten und ich finde, dass der Roman zügig hintereinander weg gelesen werden sollte, um besagtem Sog zu verfallen. Vielleicht bin ich aber inzwischen auch recht unerfahren, was Krimis betrifft, und habe deshalb so viel übersehen und meine Augen öffneten sich dadurch so spät.

Das Ende von Long Bright River hat mich richtig überrascht, erstaunt und sehr berührt.

Für mich ein Roman-Highlight!

Eure
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