Niemals ohne sie ~ Jocelyne Saucier

Niemals 21 Kinder. Oder doch? Vor ein paar Tagen habe ich im Fernsehen eine Reportage über Großbritanniens größte Familie gesehen. 20 Kinder – eine intakte Familie, in der es keine ruhige Minute gibt und die logistischen Abläufe stimmen müssen. Kennen die Kinder ihre Eltern überhaupt richtig oder werden sie von ihren Geschwistern aufgezogen? Wohin mit wichtigen Nachrichten, Gefühlen und Problemen? Können Eltern so vielen Kindern gerecht werden?

Jocelyne Saucier konnte mir einigen Fragen beantworten, auch wenn sie in ihrem Roman nicht über das normale Leben in einer Großfamilie schreibt, sondern viel tiefer geht. Ich hatte eine unglaubliche intensive Lesezeit und der Roman hat mich sehr berührt, bewegt und wahrlich beeindruckt. Mein Schwärmen wird allerdings von den Lesern unterbrochen, die ihren Roman „Ein Leben mehr“ kennen, denn dieser soll wohl nicht zu übertreffen sein und selbstverständlich werde ich das noch überprüfen.

Niemals ohne sie

Vielleicht klingt das jetzt staubig, wenn ich dir sage, dass sich die Familie gerade auf einem Erzsucher-Kongress befindet. Wahrscheinlich wäre das auch sehr staubig, wenn nicht das jüngste Kind, Matz, derweil über seine Familie erzählen würde. Es ist nämlich die Frage aller Fragen „Und wie viele wart ihr genau?“, die Wunder herauf beschwört, auch Stolz, am meisten aber das Erzählen über das Haus, die Erzminenstadt und die Mine selbst, die Prügeleien – über das Leben in der Großfamilie mit all ihren Tücken und Geheimnissen. Es ist nicht leicht, sich in einer Familie zu behaupten, die einige Ecken und Kanten hat, aus denen der Hass sprüht, der gern bis zu den Nachbarn und weiter dringt…

„Angst ist überlebenswichtig, man muss gut auf sie hören.“ (Seite 19)

Eine Familie, eine Mine – die Auszeichnung des Vaters, die die zerbrochene Familie nach Jahren an einem Ort zusammen treffen lässt. Eine Familie die sich erst wie ein Magnet angezogen hat und sich nun abstößt.

Niemals ohne sie ~ Jocelyne Saucier

Für mich gibt es höchstens minimale Kleinigkeiten, die ich kritisieren könnte, sie aber nicht kritisieren werde. Ich bin so beeindruckt von diesem Roman, der einem 254 Teile Puzzle gleicht und sich auf das Wesentliche – die Familie – konzentriert. Dabei wird ausgespart, was nicht langatmig thematisiert werden muss, wie die logistischen Handlungen, um die Ernährung einer Großfamilie zu sichern oder überhaupt der konkrete Ablauf eines Tages.

„Die Sehnsucht nach der Vergangenheit ist eine seelische Krankheit.“ (Seite 136)

Was ist passiert?

Autorin Jocelyne Saucier hat eine bewegende Geschichte zu erzählen, die sich nach und nach durch die Stimmen der Kinder entfaltet, die mit dem tragischen Unfall in Berührung gekommen sind und doch selten ein Wort darüber verlieren. Warum wird die Vergangenheit so verschwiegen, was ist passiert und wer von den Kindern weiß wirklich, was damals war?

Ohne es zu merken, habe ich immer wieder die Luft beim Lesen angehalten. Ich wollte leise sein, zuhören, den Erzählfluss der Geschwister nicht unterbrechen, mich still in die Familie integrieren und letztendlich erfahren, was wirklich war.

Jocelyne Saucier hat mich rundum überzeugt – mit ihren Charakteren, die man nicht lieben muss, aber denen man zuhören sollte. Mit ihrem Erzählstil – der beeindruckt, in dem man ahnt, welches Kind jetzt spricht und es später bestätigt bekommt. Ihre Sätze treten Emotionen los und auf der letzten Seite wird klar, dass kein anderer Titel passen würde.

STARK!

Eure
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