Nix passiert ~ Kathrin Weßling

Es geht so schön locker und flapsig über die Lippen, dieses „Nix passiert. So war es auch schon bei „Super, und dir?„. Flapsig ist manchmal nicht verkehrt und Kathrins Texte sowieso nicht. Es ist wohl der tägliche Rhythmus, mindestens einmal auf Instagram nach ihr zu sehen, schließlich ist immer was los – in der Welt, bei ihr im Umfeld, bei ihr selbst und meistens bleibt davon dann eine Spur im eigenen Leben zurück. Meistens und wenn nicht, war es auch nicht ganz umsonst, so fühlt es sich jedenfalls an, nix passiert eben…

Nix passiert

Gut ist, dass ich die Lesung von Kathrin auf 1Live Stories gehört habe, umso näher war ich an Alex dran. Kathrins Worte, ihr Leserhythmus, ihre Stimme hat mich durchweg im Ohr begleitet und ich mag das, denn umso besser gehen die Emotionen und Handlungen aus dem Roman über.

Tatsächlich ging es mir ein wenig wie Alex, als ich mein Abi hatte. Ich wollte auch schon immer in die Stadt, raus aus dem Dorf, bzw. der Kleinstadt, in der Gerüchte schneller als der Sekundenzeiger sind, in der man sich nicht getraut hat, anders zu sein. Zumindest habe ich mich oft unwohl gefühlt, wollte frei sein und so sein, wie ich bin.

Dorf – Stadt – Dorf

Naja – ich glaube, dass nicht jeder Mensch wegwollte, aber doch irgendwie dieses Gefühl kennt. Dieses Ausbrechgefühl, alles neu und anders, vielleicht auch richtig machen. Um gleich noch etwas über mich zu plaudern, mit Mitte 30 hat man dann wirklich das Gefühl, fertig mit der Stadt zu sein und schon wieder in die ländliche Gegend zu wollen. So schließt sich auch gleich der Kreis zu Alex, denn der wollte erst in die Stadt und nun ist er wieder auf dem Dorf – ohne zu fragen, einfach raus aus Berlin und zurück ins Elternhaus.

Liebeskummer

Natürlich geht das nicht: Zack, wieder zurück ins Dorf, bei Alex ist es das Örtchen namens Braus, zack fühlt sich alles gut an, alle freuen sich, alle haben nur auf Alex Rückkehr gewartet. Ähm – nee! Alex hat sich da zu viel Idylle erhofft, denn die große Unterstützung bleibt aus, was auch an Alex liegt und seiner Suche nach sich und seinem echten Zuhause. Bevor Alex sich finden kann, muss aber seine Ex, Jenny, aus seinem Kopf. Der ist aber schwer und voll von ihr und diesem Gefühl des nicht begreifen Wollens. Die Hoffnung die nicht aufgegeben werden will, dieser Zwang zurückholen zu wollen. Kennst du auch, stimmts?

„Hoffnung stört da wirklich nur, Hoffnung ist wie eine Wand aus Frischhaltefolie, mit der man eine Lawine aufhalten will. Hoffnung ist wirklich so ein Dreck.“ (Seite 12)

Nix passiert ~ Kathrin Weßling

Das ist so typisch für Kathrin Weßling. Sie schreibt so Leser*innen nahe, weil sie es oft selbst ist, die so fühlt und sie kennt eben sich und ihre Liga gut. Sie lebt und schreibt unsere Zeit und darum fühlt sich ihr Roman auch wieder so verdammt echt an. Kathrin erschafft keine neuen Welten, sondern spiegelt unsere derzeitige Lage oder ein Stück der Vergangenheit. So genervt ich von Alex streckenweise war, so gut konnte ich ihn aber auch verstehen und sein Leid nachempfinden.

Fremdheit ist keine Pusteblume

Der Ausbruch in die große Stadt hat auch bei Alex tiefe Gründe und nach und nach enthüllt Kathrin, warum er damals raus musste. Dabei passiert nicht viel, auch in Braus nicht. Alex vegetiert immer wieder vor sich hin und leidet an depressiven Phasen, die für ihn aber auch für sein sein Umfeld fremd sind.

Wenn es Nähe und Kontakt über Jahre nicht gab, kann man diese Fremdheit nicht sofort wegpusten, wie die Samen der Pusteblume. Auch wenn es die eigenen Eltern sind – die Lebenswege existieren und diese plötzliche Rückkehr muss auch gefühlsmäßig zurückkehren und ankommen. Und dann ist da die Angst und die Panik, die sich auch nicht ersticken lassen wollen. Ach und das damals kommt um die Ecke, das damals an sich und auch die damaligen Freunde…

„Die Angst, ich kenne sie so gut, fast könnte es ein glückliches Wiedersehen sein. Schön, dass du wieder da bist, du Scheißangst. Weil wir uns lange nicht gesehen haben, ist sie erst mal vorsichtig. Kommt nur ganz kurz, ein Moment des Herzstolperns und der Furcht, gerade kurz genug, damit ich weiß, dass sie wieder da ist.“ (Seite 183)

Kathrin Weßling hat mit „Nix passiert“ (Ullstein) wieder ganz viel echtes Leben in einen echten Roman gepackt. Ihr Alex ist so viel wir, auch wir sind manchmal ein großer Brocken, zudem der Zugang erarbeitet werden muss und es vorkommt, das dann doch nix passiert. Wichtig aber: Der Sound unserer Generation ist unmissverständlich in Lebenslautstärke zu hören.


literatwo_banner

2 Comments on Nix passiert ~ Kathrin Weßling

    • Ja – ich muss sagen, dass ich immer noch hin und her gerissen bin – je nachdem, wann ich an den Inhalt denke. Schon gut, bissl zäh, dann wieder total passen und dann einfach hm…
      Und dann doch irgendwie genau so – perfekt passend und real.

      Danke für deine Rückmeldung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert