Schöner als überall ~ Kristin Höller

Ich weiß nicht, ob es hier schöner als überall ist. Ich weiß aber, dass ich gut zu beeinflussen bin, wenn es um die Wahl des nächsten Buches geht. Es ist ja auch ziemlich einfach, da man mir ja nur von einem Buch vorschwärmen braucht, mir zu sagen braucht, wer es noch gelesen hat und ebenso begeistert ist und das eventuell die Dresdner Autorin zur Lesung in der Buchhandlung vorbei kommt.

Aus meiner Sicht sind das schon recht harte Mittel und doch ist es in der Literaturszene doch so schön, wie ein Schiff auf offener See zu treiben und die Richtung des nächsten Zieles nicht so genau zu kennen. Ich konnte nicht anders und Griff zum Roman. Wer hätte das gedacht…

Schöner als überall

Trotz meiner Abneigung gegenüber Fenchel, habe ich mich sofort in das Cover verliebt. Ich kann den Grund nicht nennen, ich find es einfach von der Gestaltung her toll. Das der Roman aus dem Hause Suhrkamp haptisch überzeugt, stand nie infrage. Oberflächlich also volle Punktzahl!

Inhaltlich lässt Kristin Höller ihre Protagonisten Martin und Noah rasant starten, was mehr Noah geschuldet ist. In einer Sommernacht steht er plötzlich mit dem Speer der Bronzestatue Athene da. Mitten auf dem Königsplatz in München. Der Übermut lies ihn auf die Statue klettern, was zum Glück nur materiell daneben ging. Noah hat sich zwar nicht verletzt und doch ein riesiges Problem. Wohin mit dem Speer?

Sein Freund Martin ist wie immer mit dabei. Wenn er ihn nicht gerade aufbaut und an seinem Leben teilhaben lässt, zieht er ihn mit in sein Leben hinein. Zu dritt sitzen sie in kurzer Zeit in einem Transporter auf dem Weg in Richtung Heimat. Der Speer muss spurlos verschwinden…

Die ersten Seiten können nicht langsam gelesen werden, da Kristin Höller eine Art Roadmovie geschrieben hat. Erst in der alten Heimatstadt kann kurz durchgeatmet, erst als der Speer entsorgt ist, kann über die nächsten Schritte befunden werden. Und erst da habe ich so richtig begriffen, dass Erzähler Martin keine Frau ist!?

Schöner als überall ~ Kristin Höller

Flut der Erinnerung

Martin ist zurück, er ist wieder bei seinen Eltern, in der Umgebung, die er damals hinter sich gelassen hat. Mit seinem Freund Noah ist er abgehauen, hat sich in die Großstadt geflüchtet. Sogar seine Jugendliebe Mugo hat er damals zurückgelassen. Die Flut der Erinnerung überspült Martin und ihm wird immer mehr bewusst, wo er im Leben steht.

„Schöner als überall“ ist gut, aber auch ungut. Ich mag die Beschreibung der Umgebungen und das Gefühl des Gespaltenseins, nicht nur bei den Charakteren selbst. Kristin Höller erzählt genau darüber, wie es wohl bei allen jungen Erwachsenen ist, die vom Dorf in die Großstadt ziehen. Der Moment wird gelebt, solange bis das Leben eine Pause fordert, erst dann wird zurückgeschaut. Freundschaften werden beleuchtet, erste Lebenswege überdacht, Verbindungen unterbrochen.

Martin, M wie Mitläufer, hat mich mit seiner naiven Art sehr genervt.

„Du änderst deine Meinung, wie es gerade praktisch ist, du warst nie von allein auf der guten Seite.“ (Seite 119)

Mugo…

„…naja, eigentlich Maria, aber Mugo ist besser, Mugo wie Mutter Gottes.“ (Seite 56)

hat mich mit ihrer kühlen unsympathischen Art und ihrem unversehbaren Verhalten neugierig gemacht. Und Noah hätte ich den Speer wohl gern… (lassen wir das!)

„…Noah lebt in einem Karussell, direkt in der Mitte, und er glaubt, alle drehen sich um ihn, aber eigentlich macht allen bloß das Fahren so viel Spaß.“ (Seite 86)

Ja, die drei Charaktere sind überhaupt nicht ohne, regelrecht eckig, und zwar so extrem, dass sie schon wieder rund sind.

Lebensknicke

Das Martin vom Mitläufer zum Menschen wird, kann ich verraten, denn der Weg ist das Ziel. Kristin Höllers Roman ist aus der Sicht Martins in indirekter Rede geschrieben, was ich stilistisch mag. Für mich ist ihr Buch kein Highlight und doch ein Buch, an dem man nicht vorbei lesen sollte. Es unterhält und bringt eigene Lebensknicke wieder ins Gedächtnis.

Die Botschaft des Ausbrechens hat mir sehr gefallen, ich trage das Gefühl der letzten Seiten aus dem Roman weiter mit mir herum und es fühlt sich immer besser an.

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Eure
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