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Ein wenig Leben(sgedanken)

Ein wenig Leben ~ Hanya Yanagihara

Dieser Artikel ist nur für mich, Leben(sgedanken) an das Buch. Nicht mehr und nicht weniger, denn dieses Buch kann ich weder empfehlen, noch davon abraten. Und ich möchte es euch auch nicht empfehlen und ich möchte euch auch nicht davon abraten. Zudem verrate ich hier genauso wenig über den Inhalt, wie auf der Seite vom Hanser Verlag.

Danke für euer Verständnis.

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Jeder liest es. Überall wo ich hingucke, sehe ich dieses Buch. Instagram ist regelrecht tapeziert mit Buchbildern. Lesen? Nichtlesen? Eigentlich habe ich keine Zeit für 960 Seiten. Eigentlich würde ich mir die Zeit aber gern nehmen. Blöde Buchhypes. Neugierig bin ich aber. Und dann liegt Ein wenig Leben bei unter einem Pulli auf dem Sofa. Versteckt. Ich soll nicht mehr fluchen und überlegen, denn es ist ja jetzt da.

Binea liest es. Also stürze ich mich ins Buch und freue mich auf die kommenden 960 Seiten, die bei vielen LeserINNEN verdammt viele Tränen erzeugt haben und schockierten und es letztendlich geschafft haben, als DAS Buch des Jahres und DAS Buch überhaupt, hervorzugehen. Nungut, dann mal los.

Ein wenig Leben ~ Hanya Yanagihara

Jude & JB & Willem & Malcolm

Nach über 200 Seiten bin ich immer noch gespannt und warte darauf, was denn nun passieren wird. Was wird schockieren und sich einbrennen. Ich warte und warte und lese und lese. Zwischendurch bin ich etwas gelangweilt, aber dennoch nicht abgeneigt, Hanya Yanagiharas Worten weiter zu folgen. Sie schreibt gut, sie erzählt gern sehr ausschweifend, in langen Sätzen, und ich werde immer vertrauter mit den vier jungen Männern, die sich auf dem College kennengelernt haben und jetzt in New York leben. Alle vier haben es letztendlich geschafft ins Berufsleben einzusteigen. Jude ist Jurist, JB ist Künstler, Willem Schauspieler und Malcom ist Architekt. Vier Männer – eine Freundschaft.

„Freundschaft bedeutete, sich geehrt zu fühlen, dass man einen anderen in seiner größten Verzweiflung auffangen durfte, und zu wissen, dass man selbst in seiner Gegenwart verzweifeln sein durfte.“ (Seite 303)

Hätte ich das Vorwissen nicht, dass das Buch gehypt wird, dann hätte ich es wahrscheinlich schon nicht weiter gelesen. Sowas passiert mir selten und letztendlich weiß ich nicht, ob ich es gemacht hätte, aber ich hätte es gewiss unterbrochen und ein anderes Buch dazwischen geschoben. Meine Neugierde war einfach zu groß, außerdem merkte ich, dass mir die vier immer mehr ans Herz gewachsen sind. Ich wollte bei ihnen sein, wobei, ich wollte mehr bei Jude und Willem sein, denn JB und Malcolm drifteten immer mehr in den Hintergrund ab. Anfangs ging es um alle vier recht gleichmäßig, dann kristalisierten sich die zwei benannten heraus.

Ein wenig Leben ~ Hanya Yanagihara

Instagram & Leben(sgedanken)

Ein weiterer Punkt, der mir beim Lesen sehr viel Freude bereitete, war der Austausch auf Instagram. Nie zuvor habe ich mit so vielen Menschen parallel im gleichen Buch gelesen. Das ist wohl der richtig positive Effekt bei einem Buch was in aller Munde ist. Über Direktnachrichten, aber auch unter vielen Bildern, wurde spoilerfrei geschrieben. Ein echter Pluspunkt und gleichzeitig ein völlig neues Lesegefühl.

Und dann ging es los. Dann kam ich zu der Stelle, in der die Schmerzen begannen. Und als ich versuchte mit den Schmerzen umzugehen, kamen neue dazu. Immer und immer wieder und ich musste das Buch weglegen. Ich habe mich geekelt, ich war kurz davor mich zu übergeben. Gleichzeitig wollte ich Jude nicht alleine lassen, ihm weiter zu hören, ihm beistehen, ihm Schmerzen nehmen und ich musste weiter lesen. Während ich das schreibe, spielen sich sämtliche Szenen vor meinem inneren Auge erneut ab und ich habe Schmerzen. Ja, die habe ich. Sie kommen aus dem Buch, sie kommen aus dem eigenen Leben, sie kommen von Freunden, von Bekannten. Jeder Leser wird merken, dass die Schmerzen auch Schmerzen aus dem eigenen Leben dazuholen. Das ist Literatur, sie greift uns an, sie macht uns nackt und Literatur darf das, soll das dürfen.

Schock & Schmerz

Doch Jude fügt sich auch selbst Schmerzen zu. Selbst als er schon ein erwachsener Mann ist und sogar dann bekommt er die Schmerzen erneut zu spüren, die er als Kind schon zu spüren bekommen hat. Ich könnte jetzt weiter und weiter schreiben, da ich merke, dass es jetzt erst alles raus kann. Es arbeitet noch in mir und ich gestehe, dass ich nicht geweint habe. Ich war zu schockiert, stellenweise habe ich geahnt, dass es so wird, wie es letztendlich geworden ist und jetzt – jetzt weine ich. Jetzt. Erst. Diese unerschütterliche Gewalt wirkt nach und bringt einfach an die Grenze des Ertragbaren.

Ja, man will über das Buch reden, aber nicht erst hinterher, sondern auch zwischendurch. Es kommt die Frage auf, ob dieses Buch nicht eigentlich eine „Triggerwarnung“ verdient, weil es eben richtig heftig ist. Vielleicht würde diese spoilern, aber sie wäre hier vielleicht ein hilfreicher Schutz.

Puh, was habe ich noch zu sagen. Ich mag das Buch, auch wenn es furchtbar ist. Ich konnte für mich selbst einiges mitnehmen. Mir bestimmte Dinge klar machen, so will ich es formulieren. Nun, ich könnte es aber auch etwas schlecht machen, denn so viel Leid, wie Jude erfahren ist, kann niemandem erfahren. Nicht so intensiv, zeitlich so lang und immer wieder. Eine literarische Übertreibung, das hoffe ich einfach. Ich könnte sagen, dass ich nicht alle vier, sondern nur zwei richtig intensiv nach diesen 960 Seiten kenne und ich könnte sagen, dass alle vier einen Lebensstandart haben, der in Betracht aller Hintergründe, nicht völlig plausibel ist.

Ein wenig Leben ~ Hanya Yanagihara

Hell & dunkel

Aber ich möchte das nicht, ich möchte nicht bemängeln, auch nicht die Vorhersehbarkeit, die manchmal da war. Ich möchte das Buch so lassen, nicht anzweifeln, nicht unzufrieden sein. Es ist besonders, so viel steht fest und ich staune über mich selbst, dass ich während des Lesens nicht geweint habe. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und gerade das Thema zerrt an meinen Nerven und belastet und die Gedanken darüber können nicht schnell auf Seite gepackt werden. Ich schiebe es einfach auf den Schock und den Ausgleich, denn das Buch ist nicht nur dunkel, es wird tatsächlich mitten in der Finsternis ein wenig hell. Richtig schön ist die lebenslange Freundschaft. Klar, es gibt Zeiten die sind nicht so intensiv, aber egal wie, die Freundschaft war immer da. Und die Liebe auch.

„Ich glaube, der Trick bei Freundschaften besteht darin, Menschen zu finden, die besser sind als man selbst – nicht klüger, nicht cooler, sondern liebenswürdiger und großzügiger und nachsichtiger -, und sie dann für das wertzuschätzen, was sie dir beibringen können, und ihnen zuzuhören, wenn sie dir etwas über dich sagen, ganz egal wie schlecht – oder gut – es ist, und ihnen zu vertrauen, was der schwierigste Teil ist. Aber auch der beste.“ (Seite 284)

Das Glück war zum Greifen nahe, die Euphorie war da, die Hoffnung war groß. Doch es kam der Punkt, an dem ich losgelassen habe, an dem ich begriffen habe, dass man nicht alle Menschen retten kann. Die für mich wohl größte und schlimmste Erkenntnis. Im Buch und im Leben. Manche Kämpfe sind von Anfang an erfolglos, egal was man tut. Auch Andy und Harold und die anderen Herzmenschen mussten einsehen.

„Er wusste, er würde ihn nie heilen können. …seine Aufgabe war nicht, ihn wieder gesund zu machen, sondern in weniger krank zu machen.“ (Seite 759)

Richtig schön ist die Offenheit. Liebe, Freundschaft, egal ob gleichgeschlechtlich oder nicht, egal welche Hautfarbe, findet Platz, wird nicht kommentiert und als selbstverständlich angesehen.

50% Langatmig & 50% schnell

Anfangs noch langatmig, dann wahnsinnig schnell. Ab der Mitte des Romans beschleunigte ich mein Lesen immer mehr und stellte gleichzeitig fest, dass es die anfängliche Langsamkeit brauchte. Hanya Yanagihara hat gerade durch das weite Ausholen, tiefe Anker in uns gesetzt und viele Kleinigkeiten und Geschichten aus der Kennenlernphase zum Schluss hervorgeholt und damit unser Herz getroffen wie der Dartpfeil das Bulls Eye. Sagenhaft.

Der Roman hat einfach alles und im Nachhinein wird mir immer mehr bewusst, wie viele Facetten er beinhaltet. Es arbeitet in mir und wie. So viel Liebe, so viel Schmerz, , so viel Schuld, einfach viele Extreme – fiktiv und realistisch, über- und untertrieben, aber doch sowas von menschlich.

960 Seiten die fest umarmen, aber auch fest in den Arsch treten.

Und nun? Ich weine, seufze und denke und weine und seufze und denke…

Schaut gern bei pinkfisch und Literatourismus vorbei, wenn ihr von viel Gefühl und spoilerfreiem Inhalt lesen wollt.

Eure
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Luana

Luana ~ Luiza Sauma

Wenn es dir so wie mir geht, dann greife zu Luana.

Ich suchte ein Buch, was mich weit weg bringt, was mich tief in ein anderes Leben versetzt und mich richtig gut unterhält. Ein wenig vorhersehbar ist, Überraschungsmomente in sich trägt und ganz viel Leben mit dunklen und hellen Momenten in sich hat. So ein rundum Paket, was gut tut und gleichzeitig berührt.

Luana

Aber alles begann eigentlich mit dem Brief der mich erreichte. Der Brief mit dem der Roman beginnt…

„Lieber André,

vor ein paar Wochen habe ich zum ersten Mal im Internet nach Dir gesucht. Es war kinderleicht, Dich zu finden. … Denkst du manchmal an uns? … Ich werde Dir wieder scheiben. Ich habe dir eine Menge zu erzählen. Ich werde Dich warten lassen, so wie Du uns hast warten lassen.“

Seid ihr jetzt auch so neugierig wie ich es war, als ich den Brief / das Buch in den Händen hielt? Ich konnte kaum abwarten zu erfahren, wer Luana ist, warum sie jetzt erst schreibt und vor allem, warum sie so schreibt, wie sie schreibt. Ich möchte wissen, wer sie warten lassen hat und warum derjenige jetzt warten muss…

Luana ~ Luiza Sauma

Rio de Janeiro / London

Andrés lebt inzwischen in London. Seine Kindheit verbrachte er in Rio de Janeiro, aber das ist schon lange her. 1985 verlor er seine Mutter bei einem Autounfall, auch das ist schon lange her. Nun ist er Vater zweier Töchter und hat eine Frau. Doch sein Leben ist kein ruhiges Leben, es ist im Umbruch und mitten in dieser Zeit erreicht ihn ein Brief von Luana.

Luana – lange ist es her, 30 Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Gedanklich reist André zurück in seine Jugend, nach Rio de Janeiro und denkt an Luana, das Dienstmädchen in das er sich damals verliebte. Eine heimliche Liebe, eine unmögliche Liebe.

Klingt das jetzt irgendwie verkitscht oder nach einem typischen Liebesroman im Stil von „In der Jugend verliebt, getrennt, jeder glücklich mit seinem Partner bis zum Tag x, man trifft sich wieder, verliebt sich erneut und wird glücklich bis ans Lebensende?“

Oh nein, da liegt ihr hier ganz weit daneben. Wer sich so einen Roman erhofft, wird enttäuscht. „Luana“ von Luiza Sauma (Hoffmann und Campe) hat eine tiefgründig angelegte Geschichte zu erzählen. Sie bringt uns nach Rio de Janeiro und stellt uns Luana und André in jungen Jahren vor und zeigt uns, dass hinter so einem Brief ganz viel mehr stecken kann. Nicht nur Luana, auch André hat uns viel zu erzählen.

Luana ~ Luiza Sauma

Schwarz-weiß & bunt

Jede Seite habe ich genossen. Wirklich jede der 302 Seiten.

Schon der Anblick des Covers entführt uns weit weg. Autorin Luiza Sauma schreibt schwarz-weiß, um dann diese Worte mit bunten Nuancen anzureichern, so mag ich es ausdrücken. Sie färbt uns ihre noch farblosen Protagonisten immer weiter ein und lässt uns schließlich sehen, welche Erlebnisse in beiden schlummern. Sie teilen viele gleiche Momente und auch Geheimnisse miteinander, aber nicht alle.

Luana hat sich in mein Herz geschlichen, genau wie André. Ich habe mit beiden mitgefiebert, versucht zu verstehen, letztendlich verstanden und schwer daran geknabbert. Aber ich habe mich auch gefreut, gelacht und einfach den Sommer, allgemein das Leben in Brassilien, genossen.

„Du warst zu jung, um zu wissen, was du tatest und ich war zu jung, um dich davon abzuhalten.“ (Seite 298)

Eine große Geschichte die berührt, eine Geschichte die gelesen, gelebt, geliebt und genossen werden will.

Eure
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Suleika öffnet die Augen

Suleika öffnet die Augen ~ Gusel Jachina

Suleika öffnet die Augen.

Als ich die Augen öffnete und mit diesen die ersten Worte des Romans berührte, konnte ich nicht mehr atmen. 45 Seiten lang hielt ich förmlich die Luft an, genau wie es mir Arndt von Astrolibrium vorher gesagt hatte. Die geballte Ladung Leben ließ mich erstarren, die geballte Ladung Gefühl im Buch verharren. Was für ein starker Auftakt eines Romans. Autorin Gusel Jachina hat mich sofort an Suleikas Seite geholt, nein, noch näher. Sie hat mich zu Suleika gemacht und intensiv spüren gelassen, wie wertlos ich bin.

Über 500 weitere Seiten lagen nun noch vor mir, welche ich nicht einsam und still laß. Nein, ich machte mich vorwiegend gemeinsam mit Arndt auf die Reise ins kalte Sibirien. Mal ging ich hinter ihm her, dann lief ich vor und markierte den Weg und letztendlich kamen wir gemeinsam am Zielort an. Wir gingen nicht freiwillig, aber wir versuchten das beste daraus zu machen und sammelten unsere Kräfte, um das kommende Leben zu ertragen.

Schon über 15 Jahre weilt die erst 30-jährige Suleika an der Seite ihres Mannes und somit auch an der Seite ihrer furchteinflößenden Schwiegermutter, der alten Hexe, der Upyricha.

Suleika öffnet die Augen ~ Gusel Jachina

Suleika funktioniert

Sie muss sich beugen, sie muss gehorchen, sie muss funktionieren. Eigene Entscheidungen konnte sie in ihrem Leben kaum treffen, für sie wurde entschieden. Bei allen Tätigkeiten spürte sie den scharfen Blick der Upyricha in ihrem Rücken, hörte die bösen Worte in ihren Ohren. Suleika öffnet die Augen von Tag zu Tag und verrichtet immer wieder die gleichen Dinge, oftmals zur gleichen Tageszeit. Auch die Taubheit und Blindheit konnten die Alte nicht verändern, sie blieb übermächtig und führte Suleika unermüdlich vor, wie sie sie hasste.

„Du kannst überhaupt nichts. Weder schlagen, noch töten, noch lieben. Die Bosheit schläft tief in deinem Inneren und wird nie mehr aufwachen. …du bist und bleibst ein nasses Huhn.“ (Seite 39)

Ein Schuss erlöste Suleika aus ihrem Alltag. Ein Rotarmist erschießt ihren Mann und Suleika öffnet ihre Augen und blickt auf ein völlig neues Leben. Ein besseres Leben? Sie ist allein am Anfang eines neuen Weges. Sie wird deportiert und wir begleiten sie.

Doch nicht nur wir und Suleika kommen in Sibirien an, auch Iwan Ignatow, besagter Rotarmist. Auch er hat ein Schicksal zu tragen. Ein Charakter den wir beide fest ins Herz geschlossen haben.

Suleika öffnet die Augen ~ Gusel Jachina

Sibirien

Autorin Gusel Jachina beschreibt sehr bildhaft, wie es in Sibirien aussieht, sie beschreibt detailliert, was zu tun ist, um in der Kälte anzukommen und Behausungen zu errichten. Doch nicht nur die Umgebung und die Menschen beleuchtet sie, auch deren Gefühle und besondere Ereignisse, die wir miterleben dürfen. Regelrechte Wunder – ein neues warmes Leben auf altem kaltem Grund. Doch wir erleben auch Wunder in hohem Alter, eine Wiedergeburt eines Arztes, die uns Tränen in die Augen trieb. Aber auch Wunder der Kunst, welche uns sehr bewegt haben.

Gusel Jachina entfaltet genau dort Emotionen, wo wir sie am wenigsten erwarten. Einige Längen gehören in den Roman, aber diese werden auch gebraucht, denn das Leben dort ist nicht schnell, es entschleunigt uns Leser und am Ende des vierten Teils werden wir belohnt und werden Zeuge davon, dass es auch an kalten Orten ein klein wenig Wärme gibt.

Wir dürfen so einige Überraschungen erleben, aber auch Suleika selbst. Mehr möchte ich nicht verraten, den aus meiner Sicht verrät der Klappentext schon viel zu viel. Ich habe ihn erst im Nachhinein gelesen, vielleicht haltet ihr es auch so.

Suleika öffnet die Augen ~ Gusel Jachina

„Die Freiheit ist wie das Glück…den einen schadet sie, den anderen nützt sie.“ (Seite 200)

Zieht euch warm an, bevor ihr die ersten Seiten lest. Festes Schuhwerk, warme Sachen und nehmt viel innerliche Wärme mit, denn die werdet ihr brauchen. Vielleicht habt ihr auch einen Lesekompass und ihr lest gemeinsam, so wie wir. Lasst euch in diesem Werk fallen, wenn ihr eine starke Frau namens Suleika kennenlernen, die unberührte Natur Sibiriens spüren und euch der Rauheit zwischen von Stalin Ausgesiedelten Menschen stellen wollt.

Mein absolutes Lieblingszitat möchte ich euch noch mit auf den Weg geben.

„Im Herzen wohnt das Gefühl, nicht die Vernunft.“ (Seite 432)

Eure
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Realitätsgewitter

Realitätsgewitter ~ Julia Zange

Abgedrehter konnte das Realitätsgewitter zu Silvester wohl nicht sein. Okay, so krass wie Protagonistin Marla bin ich nicht, denn mein Vorsatz lautet nicht, meine Eltern ignorieren, aber ich lese gern krass und es ist immer wieder abgefahren, wenn sich der Zeitraum im Buch mit dem Zeitraum der Realität gleicht. Zumindest geht es mir so und aus diesem Grund habe ich die 152 Seiten wohl auch recht schnell inhaliert. Angestachelt hat mich zudem eine Leserin, die den Roman zu ihrem Flop 2016 zählt.

Nun hat sich das Realitätsgewitter ein wenig gelegt und ich habe Marla in Berlin zurück gelassen. Wie es ihr geht? Keine Ahnung, denn das erfahren wir Leser am Ende nicht wirklich. Ich hoffe aber, dass es ihr gut geht und sie endlich einen Stamm gefunden hat, an den sie sich lehnen kann.

Einsamkeit in Gesellschaft

Marla ist einsam und merkt es nicht. Sie treibt durch Menschenmassen, ist immer umgeben von vielen Leuten, sie ist online, sie treibt sich auf angesagten und weniger angesagten Partys herum und versucht aufzufallen, mitzumischen, sich einzubringen. Was bleibt ist die allumfassende Einsamkeit, die regelrecht aus den Buchseiten herausgeströmt kommt. Marla hat sich selbst noch nicht gefunden. Eher sucht sie andere, die ihren Tag beleben, egal wie. Ob mit tanzen, oberflächlichen Gesprächen, Sex oder gar der ein oder anderen Droge. Wobei sie bei letzterem standhaft bleibt, denn zuviel Elend treibt schon um sie herum auf dem See der Gesellschaft.

Marla will einfach nur geliebt werden. Und sie braucht Geld, denn im Geld ausgeben ist sie wirklich gut. Ihr unorganisiertes Chaos-Leben will finanziert sein und bisher hat sich das Portemonnaie des Elternhauses immer geöffnet. Wenn es nicht mehr auf geht, muss ein Job her. Der findet sich bei einem Modemagazin. Wer sich allerdings nicht findet, ist Marla.

Realitätsgewitter ~ Julia Zange

Letztendlich trifft Marla doch auf ihre Eltern und die Situation eskaliert und Marla flüchtet auf Sylt. Von der Mutter als Prostituierte bezeichnet zu werden, bringt das eigene Lebensseil ganz schön ins Schwingen.

Schwarz und gelb

Schwarz und gelb, wie die Augen einer Katze, ist das Realitätsgewitter. Marla will nur Liebe und gekuschelt werden, wie eine Katze. Sie sucht Geborgenheit und Wärme, sicheren Schutz vor der lauten Welt. Die Traurigkeit umspannt sie und Julia Zange stellt uns eine Protagonistin an die Seite, die immer mehr bricht und bricht und letztendlich ganz unten liegt. Und die Welt? Unsere Welt? Die tobt ohne kurz innezuhalten weiter und weiter und ist dabei brandaktuell. Großstadt, Anschläge, Merkel, Emoji Lindt Schokolade, Brexit und unsere Sprache die immer mehr gemischt wird. Wir beginnen den Satz in Deutsch und beenden ihn mit Englisch und dabei vergessen wir ab und an die Tiefe.

Realitätsgewitter hat mir gezeigt, was ich im letzten Jahr wieder und wieder erkennen durfte. Sei kein sozialer Schmetterling, sondern lebe vor allem für dich und die Menschen, die zu schätzen wissen, dass es dich gibt. Sonst wir die Welt zu groß.

Realitätsgewitter ~ Julia Zange

Flop oder Top – weder noch, kann ich sagen. Anfangs suchte ich Provokation im Buch, doch ich fand Marla. Dennoch kenne ich Marla nicht wirklich, ihre Mitmenschen allerdings überhaupt nicht. Der Roman ist wie Marlas Leben. Wild, schnell, einsam, aber auch zäh und nie wirklich richtig tief, denn dafür fehlt einfach die Ruhe, die sich eine Katze längst genommen hätte.

Wer das Realitätsgewitter erlesen hat, wird ein wenig anders denken. Die Welt von der anderen Seite beleuchten, sich selbst neue Fragen stellen und sogar lernen, den Regen- oder Sonnenschirm im richtigen Moment zu öffnen. Also schalt einfach mal das Handy mit allen sozialen Verlockungen aus und begebe dich ins Leben.

Hin und wieder musste ich beim Lesen an Ronja von Rönne mit ihrem Buch Wir kommen denken. Außerdem liebe ich das Wort Realitätsgewitter!

Eure
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Briefe vom Weihnachtsmann

Briefe vom Weihnachtsmann

Vor zwei Jahren war dieses Buch schon aktuell und ich glaube, dass es in zwei Jahren immer noch aktuell sein wird. J. R. R. Tolkien wird zum Klassiker und verankert sich fest neben Charles Dickens im Regal.

Die Briefe vom Weihnachtsmann sind in einer Prachtausgabe erschienen und nun steht auf der Verlagsseite „leider vergriffen“. Ohje…das ist mehr als schade. Aber aufgepasst – denn die Briefe sind nicht ganz vergriffen, sie haben sich lediglich ein neues Gewand zugelegt.

Wer sich die damalige Prachtausgabe gesichert hat, hat definitiv in ein Buch investiert, was strahlt und glitzert und vom Format her besonders ist. Hardcover, illustriert, gut in der Hand liegend – hier bleibt das Schwärmen nicht aus. Aber auch das neue Gewand kann sich sehen lassen, denn auch wenn der äußere Glanz fehlt, ist der Tolkien-Zauber innen dennoch zu spüren.

Briefe vom Weihnachtsmann

Nordpol – Heiligabend 1923

Mein lieber John,

heute ist es sehr kalt, und meine Hand zittert stark – immerhin werde ich am Weihnachtstag tausendneunhundertundvierundzwanzig                                  (nein! siebenundzwanzig!) Jahre alt – ein ganzes Stück älter als dein Großvater. Kein Wunder kann ich die Schreibfeder nicht ruhig halten! Aber mir ist zu Ohren gekommen, dass Du inzwischen richtig gut lesen kannst, also wird es Dir nicht schwerfallen, meinen Brief zu entziffern. […]

Jetzt muss ich los, es ist eine wunderschöne, herrliche Nacht, und bis zum Morgen muss ich noch viele Hundert Meilen zurücklegen – so viel gibt es zu tun.

Ein kalter Kuss von

Deinem Nikolaus Weihnachtsmann

(S. 11)

Ein erster kleiner Blick und eine Lesegeschmacksprobe für euch.

Die Weihnachtszeit war für Familie Tolkien immer eine besondere Zeit, es gab nicht nur Geschenke, sondern auch jedes Jahr einen oder mehrere Briefe vom Weihnachtsmann. Diese wurden manchmal in schneebestäubten Umschlägen und manchmal vom Postboten selbst überbracht.

Briefe vom Weihnachtsmann

J.R.R. Tolkien zu Weihnachten

In zittriger Schrift berichtet der Weihnachtsmann von seinem Leben am Nordpol. Wir erfahren von dem faulen und nervenden Polarbären, von einem Koboldangriff und überhaupt dem üblichen Stress in der Vorweihnachtszeit. Manchmal, wenn er gerade zu beschäftigt war, sind seine Briefe auch von dem Elbchen Ilbereth, seinem Sekretär, zu Ende geschrieben worden. Und selbstverständlich meldet sich auch der Polarbär selbst zu Wort, kommentiert entweder die Briefe des Weihnachtsmannes oder schreibt den Kindern in Koboldschrift selbst einen Brief.

Wer Tolkien einmal von einer ganz anderen Seite, weitab von Hobbits, Smaug und Ringen, kennenlernen möchte, sollte zu diesem Büchlein greifen. Es enthält über einen Zeitraum von 20 Jahren alle Briefe vom Weihnachtsmann, die Tolkien seinen Kindern jedes Jahr geschickt hat. Letztendlich sind nicht nur die Abenteuer des Weihnachtsmannes allein ein literarischer Schatz, sondern ebenso die Bilder der Originalbriefe. Gerade diese verdeutlichen Tolkiens zweites Talent, das Illustrieren und Zeichnen. Jeder Brief wurde eigens mit Bildern oder verschnörkelter Schrift versehen und lässt so das geheimnisvolle Leben des Weihnachtsmannes nur noch lebendiger werden. Zusammenfassend lässt sich also sagen: ein MUSS unter jedem Weihnachtsbaum.

Schreibt mir an literatwo@aol.de und hier im Kommentar, warum ihr die Briefe haben müsst und welchen Stellenwert J.R.R. Tolkien in eurem literarischen Leben hat und schon seid ihr im Lostopf.

Update: 20.12.2016 Katja du hast gewonnen. Die Briefe kommen zu dir – Glückwunsch! Danke für euch fürs Mitmachen!

Eure
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Am Arsch vorbei geht auch ein Weg

Am Arsch vorbei geht auch ein Weg
Am Arsch vorbei geht auch ein Weg

Am Arsch vorbei, aber trotzdem kein Arschloch

Als ich den Titel des Buches sah, musste ich innehalten und schmunzeln. Tage später erzählte ich im Job von dem Titel, da das Thema gerade gut passte und schon informierte uns eine Kollegin über den groben Inhalt und letztendlich musste ich es lesen. 😉

Wir denken wohl alle, dass wir locker sind, aber wir sind es nicht. Alexandra Reinwarth dachte, dass sie auch locker ist, doch dann war das Fass voll und sie sagte zu ihrer Freundin kurzerhand die Worte: „Fick dich“. Dabei ist sie überhaupt nicht der Fick-dich-Typ. Die zwei Worte waren der Start in ein neues Leben, in ein befreites Leben und die Autorin zeigt uns auf knappen 190 Seiten wie einfach es ist, sich Dinge und Leute am Arsch vorbei gehen zu lassen. Und ganz wichtig: dabei aber selbst nicht zum Arschloch zu werden.

Schon die Einleitung lässt mich grinsen und nach keinen 10 Seiten fühlen sich meine Mundwinkel wie festgetackert an. Reinwarth schreibt so locker und leicht und mit so vielen humorigen Spitzen, dass ich nicht mehr mit dem Grinsen aufhören kann. Ihre Vergleiche sind so herrlich:

„Und warum bin ich eigentlich immer noch in dieser beknackten WhatsApp-Gruppe, die dafür sorgt, dass mein Handy mitten in der Nacht vibriert wie anderer Leute Sexspielzeug?“ (Seite 11)

Wie sieht es bei dir aus? Bist du immer noch in Gruppen in denen du nur liest, dich vielleicht aufregst und doch nichts schreibst? Austreten und am Arsch vorbei. Und warst du heute wieder bei einem Treffen zu dem du eigentlich nicht wolltest? Dann sag das nächste ab und faulenze lieber auf dem Sofa, wenn es dir damit besser geht. Absagen und am Arsch vorbei.

Am Arsch vorbei geht auch ein Weg
Am Arsch vorbei geht auch ein Weg

Weltverbesserer?

Du willst was an dir verbessern? Du hättest gern eine Bikinifigur? Willst allgemein besser aussehen und überhaupt ganz viele Dinge ändern? Einsicht hilft – einiges kann nicht geändert werden, die Welt wird immer dunkle Flecken haben und das Leben ist nun mal ab und an ein Arschloch. Dagegen kann keiner was tun. Akzeptanz ist das Zauberwort, welches den Druck rausnimmt und dafür sorgen kann, dass wir uns auf das konzentrieren, was wir können und nicht anders.

„Statt sich permanent schlecht zu fühlen, weil sich das eigene Leben nicht mit Glück und Liebe füllen lässt, wäre ein realistisches ZIel, stolz darauf zu sein, wie man das Leben trotzdem hinbekommt.“ (Seite 46)

Ob man zum Fisch roten oder weißen Wein trinkt ist doch egal, wenn es schmeckt. Oder? Und wieso werfen wir manche Dinge weg oder denken stundenlang über Medienspektakel nach die wir nicht beeinflussen können? Dinge abschaffen, Dinge am Arsch vorbei lassen – die Autorin sagt wie, nennt Beispiele aus ihrem Leben und gibt uns Platz, die eigenen überflüssigen Dinge zu notieren.

Bleib locker

Wenn die groben Dinge so relativ im Griff sind, geht es um Freunde, Bekannte und Unbekannte. Gibt es wirklich Unbekannte die dich stressen? Wenn ja, dann sollte das schnell geändert werden. Auch im zweiten Kapitel zeigt uns die Autorin, was wir einfach nicht an uns heranlassen sollten und was wichtig ist, um locker zu bleiben.

Ohne es zu merken, steckte ich tief im Buch. Alexandra Reinwarths Worte gehen runter wie Öl und das eigentliche Sachbuch liest sich wie ein Roman. Durch die Möglichkeit sich in Minitests zu prüfen, kurze Fragen in Diagrammen zu beantworten und sich ab und an selbst zu überdenken, fliegen die Seiten nur so dahin. Reinwarths erhebt keinesfalls den mahnenden Finger, sondern führt uns Unterbewusst an bestimmte Lebensstellen, indem sie viel von sich selbst erzählt und dennoch unser Gedankenkarussell antreibt.

Kapitel 3 dreht sich um die Familie, Kapitel 4 um den Beruf, Kapitel 5 um Eltern und Kinder und letztendlich geht es im 6. Kapitel um die Liebe. Herrlich – einfach herrlich und doch so lehrreich.

Uns soll ja nicht gleich das ganze Leben am Arsch vorbei gehen, aber wenigstens ein Teil davon und zwar der Teil der uns stresst und unzufrieden macht. Wir leben alle nur einmal und wollen uns dabei nicht krank leben.

Ihr könnt heute drei Exemplare vom Buch „Am Arsch vorbei geht auch ein Weg“ gewinnen. Verratet mir im Kommentar, welche Lebenssituationen euch demnächst einfach am Arsch vorbei gehen sollten und schickt mir parallel eine Mail an literatwo@aol.de.

Das ultimative Am-Arsch-vorbei-Lebensgefühl kann auch zur Schau getragen werden, denn es gibt ganz passend zum Buch ein T-Shirt. 😉

Update: 18.12.2016 – Herzlichen Glückwunsch an die drei Gewinnerinnen Stefanie, Amelie und Stundenblume. Möge euch bald allerhand am Arsch vorbei gehen… 😉

Eure
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Altes Land – Gummistiefelwelt

Altes Land ~ Dörte Hansen
Altes Land ~ Dörte Hansen

Ich habe es nun endlich gelesen. Das war auch schon lange überfällig, denn von diesem Roman schwärmten mir schon gefühlt hunderte Leute vor. Lies es, du wirst es lieben. Altes Land? Was für ein wundervoller Roman.

Warum ich nicht eher zu diesem Buch griff – keine Ahnung. Lesewege sind nicht immer zu erklären. Und nun reihe ich mich bei den Leuten ein, die mich immer entsetzt angesehen haben, wenn ich sagte, dass ich Dörte Hansens Buch nicht kenne. Ihr müsst es lesen und zwar bald. Zieht euch Gummistiefel an, denn es geht raus aus der Stadt und rein ins Dorf, rein in die Gummistiefelwelt.

Hildegard und Vera – Mutter und Tochter – Flüchtlinge aus Ostpreußen, 1945.

Anne und Leon – Mutter und Sohn – Flüchtlinge aus Hamburg, heute.

Alle vier suchen ein neues Leben und stranden in dem alten Haus auf dem alten Land. Ida Eckhoff, Besitzerin von Hof und Haus, hält das Leben mit Hildegard nicht mehr aus. Sie nimmt sich kurzerhand das Leben und lässt ihren Sohn mit den zwei Frauen zurück. Hildegard geht es ohne Ida besser, aber nicht gut genug. Sie flüchtet weiter in die Stadt und lässt ihre Tochter zurück. Vera bleibt an Karls Seite und erbt letztendlich den großen Hof und das alte Haus. Vera wird zur Einzelgängerin. Sie hat das Haus nie geliebt. Vera fürchtet sich darin, lässt es verwildern und sitzt ihre Zeit darin ab. Sie widmet sich den Pferden, der Jagd und Heinrich Lührs, ihrem Nachbarn, denn ganz ohne sozialen Kontakt lässt es sich auch nicht leben. Das Leben ist kalt, düstere Träume von der damaligen Flucht plagen sie und Liebe und Wärme sind die zwei großen Unbekannten.

Altes Land ~ Dörte Hansen
Altes Land ~ Dörte Hansen

Auf dem Land sollte man nicht immer nur hinschauen, sondern wegschauen.

„Kiek man nicht hen.“ (Seite 208)

Neue Stadt – Altes Land

Anne dachte, dass sie fest im Leben steht. Ihre berufliche Laufbahn kann zwar nicht als solche bezeichnet werden, denn sie hat zwar Tischlerin gelernt, arbeitet aber als nicht wirklich talentierte Musiklehrerin. Sie hat einen Sohn mit Autor Christoph und wohnt in Hamburg zwischen Ökomüttern.

„Sie waren zwei Leute mit einem Kind, lose verhäkelt, drei Luftmaschen.“ (Seite 70)

Christoph zieht scheinbar seit einiger Zeit seine Lektorin vor, welche relativ schnell Leon zum Halbbruder macht. Marlene war Anne nie eine richtige Mutter, das Verhältnis zu Bruder Thomas ist kein richtiges Verhältnis. Tante Vera scheint der einzige Ankerpunkt zu sein. Hamburg-Ottensen im Rücken – das alte Land vor der Brust.

Viel mehr möchte ich vom Inhalt nicht erzählen. Der Roman lebt von den Charakteren, die so verschieden sind, dass sie sich ähneln. Die Robustheit vom Dorf, trifft auf die Zärtlichkeit der Stadt. Verletzlichkeit, Verzweiflung und Verdrängung fühlen sich fast überall gleich an. Dörte Hansens Protagonisten leben sich aus und schleichen sich ins Leserherz, egal wie eigenartig sie sind. Sie wollen kein Mitleid, sie wollen keinen Platz für seitenlange Gefühlsduselei, sie wollen erlesen und erlebt werden und ab und an Plattdeutsch sprechen. Gerade Vera ist eine Person, über die man stundenlang reden könnte, sie lässt sich in kein Muster drängen, so unvorhersehbar außergewöhnlich ist sie. Der Roman lebt von der bildlichen Sprache, dem Sarkasmus und der Ironie. Der trockene Humor ist bei diesem Inhalt Pflicht und Dörte Hansen kann ganz wunderbar mit ihm umgehen.

Altes Land ~ Dörte Hansen
Altes Land ~ Dörte Hansen

Gummistiefelwelt

Beim Lesen stehen wir in Gummistiefeln neben dem alten Haus, riechen die Landluft und wollen nicht mehr in die Stadt zurück. Ankommen – so heißt das Zauberwort, von dem Anne und Vera nur träumen können. Ein gemeinsames Projekt könnte das Ziel einer langen innerlichen Reise sein. Einer Reise bei der immer wieder hoffnungslos versucht wurde, die richtigen Wurzeln zu finden, das jeweilige Mutterherz zu erobern. Die Quittung war die Fremde, die Ruhelosigkeit und die Enttäuschung.

Auch außerhalb der großen Stadt ist die Welt nicht heile. Aber sie blüht mit jedem Jahr neu auf, auch wenn das Dorf nicht jeden Gast mit offenen Armen begrüßt. Doch dafür gibt es Bauern, wie Dirk zum Felde. Er findet den richtigen Umgang mit Stadtmenschen, die sich gern als leidenschaftliche Landwirtschaftsmenschen ausgeben und das Land in die Stadt tragen wollen.

„Altes Land“ ist ein ruhiges Buch, welches am Kaminfeuer gelesen werden möchte. Es darf ruhig regnen, der Wind ums Dach fegen und die bunten Herbstblätter dürfen gern vorm Fenster tanzen. Bei einer Tasse Tee lässt sich dieses durch und durch lyrisch literarische Werk außerordentlich gut genießen. Nach der letzten Seite wirkt das Gelesene intensiv nach und lässt uns nicht sofort in das schnelle Stadtleben zurück kehren. Einige Leser bringt Dörte Hansen vielleicht sogar dazu, ihre High-Heel-Gedanken in Gummistiefel-Realitäten zu wandeln.

Eure
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Porno – keine Literatur

Göttin und Held ~ Gustaaf Peek
Göttin und Held ~ Gustaaf Peek

Ja, der Titel von dieser Rezension soll provozieren. Wenn nicht euch, dann eben mich selbst, denn ich frage mich immer noch, ob es hier mehr um Porno, als um Literatur geht oder ob dieser Roman einfach pornografische Literatur oder literarische Pornografie ist.

Der Roman von Gustaaf Peek (DVA) schlägt in den Niederlanden hohe Begeisterungswellen. Ich bin mir nicht sicher, ob diese auch hier nach Deutschland schwappen können. Bei mir hat der Roman Wellen erzeugt, aber keine mit Begeisterung. Schon der Einstieg war holprig und ich kam erst nach knappen 40 Seiten richtig in Fahrt. Immer mehr konnte ich mich mit dem Aufbau des Romans anfreunden. Die Schreibe Peeks hat mir keine Probleme bereitet, auch nicht, dass er die wörtliche Rede nicht kennzeichnet. Wohl aber, dass der Roman am Ende beginnt und am Anfang aufhört. Es ist nicht so, dass ich damit nicht zu Recht komme, der Einfachheit halber hätte ich auch einfach mit Seite 332 – Kapitel 0 – beginnen können. Nein – das war es eigentlich auch nicht. Mir fehlte es an Inhalt in den regelrecht kurzgeschichtenartigen Kapiteln.

Der Sex lockte mich allerdings immer tiefer und tiefer ins Geschehen. Tessa und Marius. Marius und Tessa. Sex von oben nach unten. Von rechts nach links. Von schräg über quer. Mal schnell und mal langsam. Zart und wild, heftig derb und liebevoll zärtlich. Es wird keine Lebenslage ausgelassen, nicht nur das Bett wird im Hotelzimmer getestet und auch außerhalb ist alles möglich. Beide wollen mehr, wollen alles, wollen sich durch und durch und immer wieder neu und in allen möglichen Facetten.

Pornografische Literatur? Literarisches Porno?

Okay – der Sex ist gut, der Sex ist aufregend schön und ja, wer mag keinen Sex. So – und sonst? Irgendwann kommt doch der Punkt, an dem ich mich nach Inhalt gesehnt habe. Wie Tessa und Marius aussehen, egal in welcher Stellung, habe ich voll und ganz verinnerlicht. Ob Eichel, ob Vulva, ob Anus, ob Nippel oder Lippen – ich bin umfassend über sämtliche Körperteile informiert und kann mir nach letztendlich ähnlichen Beschreibungen vorstellen, wie diese spritzen, feucht werden und schmecken können. Tessa und Marius treffen sich oft, die Szenen wiederholen sich, aber wer sind denn eigentlich Tessa und Marius?

Göttin und Held ~ Gustaaf Peek
Göttin und Held ~ Gustaaf Peek

In „Göttin und Held“ stelle ich fest, dass Sex tatsächlich langweilig werden kann. Dies ist aber nur möglich, weil wir als Leser nicht selbst beteiligt sind, sondern ständig und intensiv zu lesen müssen und mehr wollen. In dem Fall nicht mehr Sex, sondern mehr von Tessa und Marius. Gustaaf Peek geht in den 5 Teilen mit insgesamt 50 Kapiteln eher sparsam mit den Gedanken und Gefühlen der Protagonisten um, zumindest außerhalb des Geschlechtsverkehrs.

Tessa und Marius kennen sich ihr ganzes Leben lang. Tessa macht mit Marius ihre ersten Erfahrungen, sie verbringen ihre Jugend miteinander und auch im Erwachsenenleben sehen sie sich oft. Manchmal heimlich und manchmal öffentlich, mal mehr und mal weniger. Doch wieso hat Tessa einen Sohn mit Paul und wieso hat dieser sich das Leben genommen? Wieso bedarf es einer Prostituierten und wie war das mit Billy?

Tiefgang?

Die Lebensgeschichten mit Tiefgang bleiben einfach verborgen, da die Details den sexuellen Handlungen gehören. Fragen bleiben offen. Es fehlen schlicht und ergreifende die Hintergründe, die Wandlungen im Gefühlsleben, allgemein sämtliche Beziehungsverbindungen. Die Charaktere bleiben grau und der rote Faden wird ständig zerschnitten.

Natürlich spüren wir als Leser den langsamen Verlust der Lebensliebe und merken, welche verpassten Wege im Alter nachhängen. Peek verdeutlicht das ständige Hin und Her zwischen zwei Menschen, die sich lieben und begehren oder doch eher nur um den Trieb zu stillen, benutzen…?!

Mir hat schlicht und ergreifend die inhaltsreiche Literatur gefehlt. Schade. Schade. Schade, denn Peek kann schreiben. Er spielt mit der Länge der Sätze, verschachtelt und verkompliziert genauso stark, wie er vereinfacht. Er schürt die Neugierde und das spannungsgeladene Verlagen, lässt uns dann aber wie auf einer Wippe mit der Frage „Warum?“ verhungern.

Eure
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365-Tage-Projekt 2. HJ 2016

Literatwo ~ 365 Tage-Projekt
Literatwo ~ 365 Tage-Projekt

„365-Tage-Projekt“?

Beim Lesen im Flow-Magazin wurde mir bereits nach kurzem Überlegen klar, dass ich ein Projekt starten möchte, über das ich täglich im Netz berichte.

Ich möchte täglich ein Foto vom aktuellen Roman, in dem ich lese, posten. Ab und an werde ich auch darauf zu finden sein, je nach Leselage. *lach* Den ersten Satz des Tages, den ich im jeweiligen Roman lese, werde ich inkl. Seitenzahl festhalten und natürlich auch den Namen und den Autor des Werkes vermerken.

Mein buchiges Tagwerk, welches gleichzeitig für mich auch ein ganz persönliches Lese-Foto-Tagebuch ist, hat am 03.08.2014 begonnen.

Ihr dürft gern darin blättern. Hier findet ihr das 2. HJ 2016.

Hier entlang geht es ins 1. HJ 2016, hier entlang ins Jahr 2015 und findet ihr das Jahr 2014.

Eure Bini

  • 05. – 31.12.2016
Bodentiefe Fenster ~ Anke Stelling

„Ich bin wie meine Mutter.“ (Seite 5)

  • 27.11. – 04.12.2016
Am Arsch vorbei geht auch ein Weg

„Es find damit an, dass ich zu Kathrin „Fick dich“ gesagt habe.“ (Seite 7)

  • 24. – 26.11.2016
back to blue ~ Rusalka Reh
back to blue ~ Rusalka Reh

„Ich habe den totalen Hass.“ (Seite 141)

  • 21. – 23.11.2016
back to blue ~ Rusalka Reh
back to blue ~ Rusalka Reh

„Jetzt sitze ich hier seit einer geschlagenen halben Stunde und starre auf dieses leere Buch, und weil ich das allmählich bescheuert finde, schreibe ich genau das einfach hin: dass ich es bescheuert finde, seit einer geschlagenen halben Stunde uf dieses leere Buch zu starren.“ (Seiten7)

  • 20. – 22.11.2016
Das Bild aus meinem Traum ~ Antoine Laurain
Das Bild aus meinem Traum ~ Antoine Laurain

„Waren es die Wachteln in Pommeau oder der köstliche Burgunder?“ (Seite 77)

  • 16. – 19.11.2016
Das Bild aus meinem Traum ~ Antoine Laurain
Das Bild aus meinem Traum ~ Antoine Laurain

„Am Ende eines Feldes gelegen, fensterlos, ohne funktionierendes Licht.“ (Seite 9)

  • 10. – 15.11.2016
Schlaflose Nacht ~ Margriet De Moor
Schlaflose Nacht ~ Margriet De Moor

„Erst im Frühjahr kam ich auf die Idee, seinem Tun und Treiben nachzuspüren.“ (Seite 74)

  • 01. – 13.11.2016
Schlaflose Nacht ~ Margriet De Moor
Schlaflose Nacht ~ Margriet De Moor

„Dies ist wieder eine dieser Nächte, die ich schlaflos durchlebe.“ (Seite 7)

  • 23. – 31.10.2016
Letztendlich geht es nur um dich ~ David Levithan
Letztendlich geht es nur um dich ~ David Levithan

„Ich weiß noch, wie die anderen reagiert haben, als ich mit Justin zusammenkam, wir ein Paar wurden.“ (Seite 123)

  • 17. – 22.10.2016
Letztendlich geht es nur um dich ~ David Levithan
Letztendlich geht es nur um dich ~ David Levithan

„Sein Auto kommt auf dem Parkplatz zum Stehen.“ (Seite 7)

  • 16.10.2016
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Der Buchhändler aus Kabul ~ Åsne Seierstad

„Die nackten Leiber dampfen.“ (Seite 180)

  • 15.10.2016
Der Buchhändler aus Kabul ~ Åsne Seierstad
Der Buchhändler aus Kabul ~ Åsne Seierstad

„Als Sultan Khan die Zeit für gekommen hielt, eine neue Frau zu finden, wollte ihm niemand helfen.“ (Seite 19)

  • 14.10.2016
Altes Land ~ Dörte Hansen
Altes Land ~ Dörte Hansen

„Vera hatte geschlafen wie ein Kind, drei Nächte lang.“ (Seite 171)

  • 13.10.2016
Altes Land ~ Dörte Hansen
Altes Land ~ Dörte Hansen

„In manchen Nächten, wenn der Sturm von Westen kam, stöhnte das Haus wie ein Schiff, das in schwerer See hin undhergeworfen wurde.“ (Seite 7)

  • 10. – 12.10.2016
Smith & Wesson ~ Alessandro Baricco
Smith & Wesson ~ Alessandro Baricco

„Unweit der Niagarafälle, 1902.“ (Seite 7)

  • 09.10.2016
Göttin und Held ~ Gustaaf Peek
Göttin und Held ~ Gustaaf Peek

„Während der ersten Tage in Belgrad hatte er kaum sein Zimmer verlassen.“ (Seite 252)

  • 07. – 08.10.2016
Göttin und Held ~ Gustaaf Peek
Göttin und Held ~ Gustaaf Peek

„Endlich, die Stimme seines Bruders, schlechte Nachrichten, er müsse kommen.“ (Seite 228)

  • 06.10.2016
Göttin und Held ~ Gustaaf Peek
Göttin und Held ~ Gustaaf Peek

„Sie hatten Glück, es war ein warmer, strahlender Tag.“ (Seite 145)

  • 05.10.2016
Göttin und Held ~ Gustaaf Peek
Göttin und Held ~ Gustaaf Peek

„Eine der Nachbarskatzen hatte einen Vogel erwischt.“ (Seite 48)

  • 03. – 04.10.2016
Göttin und Held ~ Gustaaf Peek
Göttin und Held ~ Gustaaf Peek

„Es war eines dieser neuen Gebäude, einer Kirche nachempfunden und ein Stück außerhalb der Stadt in einem Autobahnbogen gelegen.“ (Seite 11)

  • 01. – 02.10.2016
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Vom Mann, der auszog, um den Frühling zu suchen ~ Clara Maria Bagus

„Die Worte des Winzers klangen noch einige Zeit in seinen Ohren nach.“ (Seite 97)

  • 29. – 30.09.2016
Vom Mann, der auszog, um den Frühling zu suchen ~ Clara Maria Bagus
Vom Mann, der auszog, um den Frühling zu suchen ~ Clara Maria Bagus

„Er war die ganze Nacht marschiert, als er endlich an die Abzweigung gelangte, die er am Abend zuvor übersehen haben musste.“ (Seite 29)

  • 28.09.2016
Vom Mann, der auszog, um den Frühling zu suchen ~ Clara Maria Bagus
Vom Mann, der auszog, um den Frühling zu suchen ~ Clara Maria Bagus

„Der Morgen riss die schwarze Nacht vom Himmel.“ (Seite7)

  • 27.09.2016
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah

„Nun war ganz Frankreich von den Deutschen okkupiert, was für Viannes Alltag jedoch kaum einen Unterschied machte.“ (Seite 465)

  • 22. – 26.09.2016
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah

„Während Vianne und der Junge zurück in die Stadt gingen, setzte Regen ein.“ (Seite 451)

  • 21.09.2016
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah

„Der Sommer ging zu Ende.“ (Seite 379)

  • 20.09.2016
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah

„Anfang Mai ließ der Frühling noch immer auf sich warten.“ (Seite 320)

  • 19.09.2016
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah

„“Wahrscheinlich kann ich von Glück reden, eine Frau zu sein“, murmelte Isabelle vor sich hin.“ (Seite 282)

  • 18.09.2016
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah

„Vianne schloss die Augen und dachte: Komm schnell nach Hause, Antoine.“ (Seite 137)

  • 02. – 17.09.2016
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah

„Wenn ich in meinem langen Leben eines gelernt habe, dann ist es Folgendes: In der Liebe finden wir heraus, wer wir sind.“ (Seite 7)

  • 27.08. – 01.09.2016
Hool ~ Philipp Winkler
Hool ~ Philipp Winkler

„Vier in Anzüge gesteckte Figuren standen auf dem Acker und machten sich die Lackschuhe dreckig.“ (Seite 145)

  • 26.08.2016
Hool ~ Philipp Winkler
Hool ~ Philipp Winkler

„Ich wärme meinen neuen Zahnschutz in der Hand an.“ (Seite 5)

  • 24. – 25.08.2016
Charlie and the Chocolate Factory ~ Roald Dahl
Charlie and the Chocolate Factory ~ Roald Dahl

„These two very old people are the father and mother of Mr. Bucket.“ (Seite 11)

  • 21. – 23.08.2016
London - mit Buch, aber ohne lesen
London – mit Buch, aber ohne lesen
  • 15. – 19.08.2016
Zum Glück braucht mich niemand ~ Liv Marit Weberg
Zum Glück braucht mich niemand ~ Liv Marit Weberg

„Als Mensch bin ich jetzt einer von zweien.“ (Seite 5)

  • 14.08.2016
Das Lächeln meiner Mutter ~ Delphine De Vigan
Das Lächeln meiner Mutter ~ Delphine De Vigan

„Unsere Jahre in Bagneux sind die Jahre, zu denen ich in den Gesprächen am wenigsten Erinnerungen an Lucile erzählt bekam.“ (Seite 198)

  • 13.08.2016
Das Lächeln meiner Mutter ~ Delphine De Vigan
Das Lächeln meiner Mutter ~ Delphine De Vigan

„Meine Mutter war blau, blassblau mit Aschetönen, die Hände seltsamerweise dunkler als das Gesicht, als ich sie an jenem Januarmorgen in ihrer Wohnung fand.“ (Seite 11)

  • 12.08.2016
Fünf Viertelstunden bis zum Meer ~ Ernest van der Kwast
Fünf Viertelstunden bis zum Meer ~ Ernest van der Kwast

„Dann gab es noch einen Ungarn, mit dem Giovanna Ende der Fünfzigerjahre in Budapest zusammenzog.“ (Seite 80)

  • 11.08.2016
Fünf Viertelstunden bis zum Meer ~ Ernest van der Kwast
Fünf Viertelstunden bis zum Meer ~ Ernest van der Kwast

„Es war der schönste Tag im Lebens des Postboten.“ (Seite 5)

  • 10.08.2016
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan

„L. war fortgegangen, bevor ich das Haus verlassen hatte.“ (Seite 314)

 

  • 09.08.2016
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan

„Ich wartete einen Moment ab, der mir geeignet schien, um L. zu fragen, warum sie am Tag meines Struzes unten vor meinem Haus gewesen war.“ (Seite 280)

  • 08.08.2016
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan

„Zwei Tage hörte ich nichts von L.“ (Seite 159)

  • 07.08.2016
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan

„Im Herbst kamen Loiuse und Paul zwei oder drei Mal gemeinsam oder einzeln übers Wochenende nach Hause.“ (Seite 139)

  • 06.08.2016
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan

„An den Tagen, an denen sie sich sicher sein konnte, Francois nicht bei mir anzutreffen, besuchte mich L. zum Abendessen oder auf einen Tee.“ (Seite 129)

  • 03. – 05.08.2016
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan

„Ich möchte L.s Persönlichkeit in all ihren Facetten wiedergeben, so wiedersprüchlich diese auch gewesen sein mögen.“ (Seite 119)

  • 26.07. – 02.08.2016
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan

„Als ich einmal, nachdem ich bei Francois übernachtet hatte, sehr früh morgens nach Hause ging, begegnete ich L. an der Ecke zu meiner Straße.“ (Seite 116)

  • 21.07. –  25.07.2016
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan

„Im September verließ ich Paris wieder, um meine Kinder bei der Einrichtung ihrer neuen Bleibe zu helfen.“ (Seite 5)

  • 16.07. – 20.07.2016
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan

„Ich habe immer gern Frauen beobachtet.“ (Seite 64)

  • 15.07.2016
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan
Nach einer wahren Geschichte ~ Delphine De Vigan

„Einige Monate nach dem Erscheinen meines jüngsten Romans hörte ich auf zu schreiben.“ (Seite 5)

  • 14.07.2016
George ~ Alex Gino
George ~ Alex Gino

„George holte einen silberfarbenen Haustürschlüssel aus der kleinesten Innentasche eines großen roten Rucksacks.“ (Seite 9)

  • 13.07.2016
Die vier Jahreszeiten des Sommers ~ Grégoire Delacourt
Die vier Jahreszeiten des Sommers ~ Grégoire Delacourt

„So hatte ich vielleicht einen Menschen gerettet.“ (Seite 67)

  • 12.07.2016
Die vier Jahreszeiten des Sommers ~ Grégoire Delacourt
Die vier Jahreszeiten des Sommers ~ Grégoire Delacourt

„In jenem Sommer sang Francis Cabrel Hors Saison, und alle sangen Cabrel.“ (Seite 9)

  • 11.07.2016
Solitaire ~ Alice Oseman
Solitaire ~ Alice Oseman

„Lucas hat früher viel geweint.“ (Seite 223)

  • 10.07.2016
Solitaire ~ Alice Oseman
Solitaire ~ Alice Oseman

„Becky verbringt jede freie Minute in der Schule“ (Seite 161)

  • 09.07.2016
Solitaire ~ Alice Oseman
Solitaire ~ Alice Oseman

„Ich komme in den Oberstufenraum und weiß genau, dass die meisten Leute hier so gut wie tot sind.“ (Seite 11)

  • 01. – 08.07.2016
Das Glück der handgemachten Dinge ~ Marina Boos
Das Glück der handgemachten Dinge ~ Marina Boos

„Die unfreundliche Begegnung im Brauhaus hatte Jule mehr aufgewühlt, als sie gedacht hätte.“ (Seite 43)

Pilgerjahre des Herrn Tazaki ~ Haruki Murakami

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Wir lesen Murakami

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki (btb) von Haruki Murakami

Seit unserem gemeinsamen Spontanbuchkauf steckten Jule und ich nun zwischen den Murakami-Seiten. Eigentlich wollten wir irgendwann mal beginnen, doch dann ging alles schneller als gedacht. Jule ist gleich beim ersten Reinlesen im Roman hängen geblieben. Murakami hat sie sofort gefesselt und ich bin gefolgt. Wir haben eine aufregende Lesezeit hinter uns und so einiges so erzählen…

Wie ist das passiert? Welchen Trick hat Murakami benutzt, um dich im Buch zu halten?

Haha und direkt muss ich schmunzeln, wenn ich an unseren Sonntag zurückdenke. So wenig Zeit und so vieles gemacht. Und am Ende Murakami… ja Murakami, viel gelesen darüber, viel gehört, immer selber lesen wollen und es dann doch nicht gemacht. Warum jetzt? Keine Ahnung, vielleicht weil meine Reise farblos war ohne Buch und doch so farbenfroh durch die vielen Erlebnisse? Vielleicht sollte es so sein, dass genau dieses Buch, in dem es um das Zerbrechen einer wunderbaren Freundschaft geht, unsere Freundschaft wieder mit vollem Leben erfüllt?

Wie konnte Murakami mich im Buch halten? Eine weitere gute Frage, weißt du ja, dass ich in rastlosen Phasen oft durch die Bücher switche, ohne mich festlegen zu können, welches ich nun lesen will. Das war diesmal anders. Murakami hatte mich sofort. Vielleicht ist es der asiatische Stil, die Ruhe und Besonnenheit und dennoch bildhafte Vielseitigkeit des Schreibens. Eine Ruhe, teils melancholisch, die mich irgendwie aufgeräumt hat und die ich momentan auch brauche.

Farbloses Bunt

Als ich das Buch daheim in Ruhe betrachtete, fiel mir sofort ein großer Widerspruch auf. Ein bunter Schmetterling ziert das Cover und im Titel steckt das Wort „farblos“. Was sagst du zu diesem farblosen Bunt?

Farbloses Bunt – ein wahnsinnig tolles Gleichnis, finde ich. Denn sind wir mal ehrlich: Geht es uns nicht auch manchmal so, dass wir uns viel unspektakulärer sehen, als das andere tun? Denken, dass wir doch gar nix besonderes können, den anderen manchmal ihre Fähigkeiten neiden, versuchen, spezieller zu sein, irgendwie zu glänzen, irgendetwas zu finden, das uns einzigartig macht. Und über all den Gedanken vergisst man, dass man schon etwas ganz besonderes ist. Die anderen Menschen, Familie und Freunde sehen dieses oft und man selbst mag es gar nicht glauben. Und dazu kommt noch der Schmetterling: Er beginnt sein Leben als Raupe, dann eine nahezu blassgrau-braune, ja fast schon hässliche Puppe, bevor er in schillerndsten Farben aus dem Kokon bricht und sein Leben lebt. Vielleicht ist das alles ein Symbol für die Pilgerfahrt, die Tsukuru durchmachen muss, um sich selbst zu finden? Oder was waren deine Gedanken dazu?

Murakami-Literatwo
Murakami-Spontankauf

Murakami-Leserinnen

Bei mir gehen bei solchen Bildern auch Gedanken über das Leben durch den Kopf. Das Leben bunt malen zum Beispiel. Ich mag bunt und ich glaube, dass ich selbst und auch niemand in meiner Umgebung farblos ist. Oder farblos bunt. Lach. Viele Gedanken habe ich mir nicht gemacht, nur den Widerspruch überdacht und schon wenig Seiten weiter, habe ich erfahren, warum farblos und bunt so vereint sind. Die 5-er Clique ist nicht nur durch die Charaktere besonders, sondern auch was die Nachnamen betrifft. In allen vier Nachnamen kommt eine Farbe vor, außer in Tsukurus. Das nenne ich mal Zufall und auch wenn Namen nur Schall und Rauch sind, wie man so schön sagt, fühlt es sich doch ein wenig nach Außenseiter an. Oder?

Da hast du total recht, gerade in so einer eingeschworenen Gemeinschaft ist es fast schon ein Makel, wenn man der einzige farblose Freund ist. Auch wenn die anderen das nie zeigen, bleibt in einem doch immer das Gefühl, nicht komplett dazuzugehören, das Gefühl, dass die Farbigen doch noch einen Tick eingeschworener sind. Eigentlich dumm, so zu denken, aber der Mensch ist ein seltsames Wesen, das gern mal zu viel um die Ecke denkt und so in solche Gedanken abdriftet. Schaut man sich den weiteren Verlauf der Geschichte an, ist es doch auch definitiv ein weiteres Indiz, dass Tsukuru doch eine andere Rolle zugedacht ist, als nur „einer von 5“ zu sein. Denn er bleibt ja doch irgendwie übrig..

Gleich auf der ersten Seite erfahren wir, das Protagonist Tsukuru Tazaki Sehnsucht nach dem Tod hatte – erschrecken dich solche Sehnsüchte oder erging es dir schon ähnlich?

Todessehnsucht?

Ja, durchaus erschrecken mich solche Sehnsüchte immer irgendwie, wenngleich man sie auch in manchen Fällen nachvollziehen kann. Denn ich muss sagen, dass ich – egal in welcher wirklich schlimmen Situation ich mich wiedergefunden habe, und du weisst, davon gab es einige – immer kleine Momente des Glücks gefunden habe, die mir gezeigt haben, dass das Leben weitergeht und auch schön sein kann. Die immense Leere kann ich sehr gut nachfühlen, wenn einem ein so wichtiger Stützpfeiler aus dem eigenen Leben gerissen wird. Das ist, als würde man ein Bein amputiert bekommen und nicht wissen, wie man nun weiterleben soll.

Es schmerzt, es tut weh, es ist dumpf… Aber man muss dagegen ankämpfen, genauso wie Tsukuru es tut. Und in diesem Zusammenhang ist Sara ein wirklich wichtiger Faktor. Man verliert schnell den Blick nach außen, wenn man in solch einer Situation ist. Da braucht man so manchen Stups von Freunden, die einen wieder auf die Spur bringen, und das braucht Zeit. Jeder braucht in so einer Situation eine Sara, die rational denkt… Ging es dir schon mal so??

Ich glaube, dass ich alles schon mal erlebt habe. Gerade in dunklen Lebensstunden ist man dem Tod nahe. Zumindest bewegen sich gerade dann die Gedanken an den Lebensrand und schauen, was es da unten alles gibt. Um Sehnsucht nach dem Tod zu haben, ist mir das Leben zu bunt und zu wild. Dazu lebe ich wohl viel zu gerne und ich versuche nur noch das beste aus jedem Tag zu machen. Einfach drauf los und nicht so viel denken, auch wenn denken manchmal vernünftiger wäre. Hey – wir leben nur einmal und das eine mal muss doch richtig krachen. Deine Situation kenne ich, du kennst meine und wir haben wohl beide schon Brüche in einer Freundschaft erlebt. Wir müssen kämpfen und uns bewegen, um nicht von Sorgen und Ängsten gefressen zu werden. Tschakka!

Facetten

Genauso sehe ich das auch! Tausend bunte Facetten gibt es und die müssen und sollen jeden Tag aufs Neue genutzt werden! Da sind wir uns glaube sehr einig. Wir leben unser Leben und genießen es trotz aller harten Phasen in vollen Zügen – und so gehört sich das.

Murakami
Zwei Bücher – ein Lesen

Murakamis Zitate

Das erste Zitat, das ich mir im Text markiert habe, ist: 

„Es ist eine beachtliche Leistung, im Leben einen Gegenstand zu finden, für den man sich besonders interessiert.“ (S. 51)

Hast du einen solchen Gegenstand? Und was bedeutet er dir?

Das ist ein sehr schöner Satz, auf jeden Fall und ich glaube, dass wir alle im Leben einen Gegenstand finden, den wir besonders lieben. Interessant – ist ein Wort, was ich nicht so mag. Bei Gegenstand toben mir viele Dinge durch den Kopf. Ein Satz der viel auslöst. Jeder Herzmensch in meinem Leben ist wohl auch durch einen Gegenstand mit mir verbunden, Details mag ich an der Stelle nicht nennen, da müsste ich zu weit ausholen. Jeder weiß, wer gemeint ist und um was es geht. Um ein Stück zurück zum Buch zu kommen – das Buch ist ein besonderer Gegenstand für mich, verbunden mit vielen gemeinsamen Erinnerungen und es bedeutet mir allerhand, denn die Erinnerungen sind in mir und immer wenn ich es sehe, werden diese vor meinem Auge wieder lebendig.

Wie sieht es bei dir aus?

Gegenstand finde ich eine etwas doofe Umschreibung, denn genau wie bei dir sind es bei mir Momente, Erinnerungen und insbesondere Menschen, für die ich mich interessiere, die mein Leben bereichern und es mit besonderen Werten füllen. Natürlich ist dies an Gegenstände gebunden. Bei mir sind das insbesondere Fotos. ich bin ja ein Foto-Junkie, Instagrammer,… aber auch Lieder sind es, die mich an besondere Dinge erinnern. Einen Gegenstand gibt es da nicht. Mich interessieren viele Dinge sehr. Denn wenn man keinerlei Interessen hat, ist das Leben doch sehr traurig. Ich bin neugierig, lerne gern dazu, lerne neue Dinge und Menschen kennen, lasse mich von Erfahrungen bereichern, auch wenn diese nicht immer toll sind, oder auch manchmal schmerzhaft. Aber diese sind auch wichtig, um das Leben in allen Farben zu gestalten.

Murakami fordert

„Dein Vater fragt sich, ob er dir mit dem komplizierteren Zeichen die Last des Lebens nicht noch schwerer machen würde. Er fand, mit dem einfacheren Zeichen würdest du vielleicht ein sorgloseres Leben führen. Er hat sich wirklich ernsthafte Gedanken gemacht.“ (S. 56-57)

Diese Textstelle knabbert in Anbetracht von Tsukurus Leben sehr an mir. Wie empfindest du, wenn du das liest?

Bei der Textstelle geht es um seinen Namen. Weißt du, was mir da gerade auffällt? Mein Vorname beinhaltet auch eine Farbe. Ich passe regelrecht in Tsukurus Clique rein. Verrückt. Wenn man nur über komplizierte Zeichen und die Last des Lebens nachdenkt, kann man richtig tief zwischen Gedankenwelten versinken, auf jeden Fall. Wenn ich die Stelle nüchtern betrachte, also wirklich nur die Entscheidung zwischen einem einfachen Namen mit einfachem Zeichen und einem schweren Namen mit kompliziertem Zeichen, dann ziehe ich das einfachere Zeichen wohl vor. Das Leben ist so schon kompliziert, warum einen Namen tragen den man ständig erklären muss, erst mit 6 Jahren richtig aussprechen kann und ein extra großes Türschild braucht? Ich empfinde die Entscheidung des Vaters richtig. Du nicht?

Namen – Schall und Rauch?

Unterschreibe ich. Namen sind das erste, das man meist von anderen Menschen erfährt. Man trägt seinen Namen wie ein Aushängeschild vor sich her und gerade in unserer Zeit wird man so sehr über seinen Namen definiert. Man denke an die ganzen Exoten, die da jetzt auftauchen und sofort mit Klischees verbunden werden. Eine Chantal kann noch so viele Einser schreiben und wird es dennoch immer schwerer haben als eine Marie. Ungerecht, aber leider Realität. Deshalb verstehe ich den Vater auch sehr gut. Einfach und schlicht, das Leben verleiht dem Ganzen dann sowieso noch den Schliff, den es für einen vorgesehen hat.

Wie findest du die Geschichte, die Haida erzählt? Wie fügt sie sich für dich in das gesamte Buch ein?

Eigentlich wollte ich dich fragen, was du von Haida hältst. Wir können schlecht auf Details eingehen, aber so im Großen und Ganzen? Diese eine Schlüsselstelle beschäftigt mich wahnsinnig stark. War es ein Traum? War es echt?

Ich kann es dir nicht beantworten, genauso fühlte ich auch. Es war schräg, berührend, krass, verrückt. Ein Wechselbad der Gefühle… Knabbert an mir, genau wie das Ende des Buches.

Haidas Geschichte gehört für mich zu einer Lebensstation die wir alle kennen. Begegnungen mit Menschen sind Stationen auf unseren Lebenspilgerjahren. Wir erleben sie immer und immer wieder und bestimmte Menschen müssen wir im langen Leben nur knappe 10 Minuten treffen. Diese 10 Minuten beeinflussen uns, geben Kraft und verändern bestimmte Blickrichtungen und Emotionen. Doch nicht nur die Begegnungen, sondern auch die Geschichten über Begegnungen können bewegen und Haidas Geschichte fügt sich nahtlos in Tsukurus Lebensgeschichte ein. Magst du mir deine Gedanken verraten?

Begegnungen

Begegnungen mit Menschen sind Stationen – das hast du sehr schön gesagt, denn es trifft die Sache auf den Punkt. Manche Menschen kommen, hinterlassen Schmerz und verschwinden wieder – Spuren bleiben dennoch. Andere kommen, bleiben und bereichern in allen Zeiten, andere wiederum kommen wie eine Sternschnuppe für einen kurzen Zeitraum durch dein Leben gerauscht und hinterlassen einen strahlenden Schweif von Glück, Freude und guten Erinnerungen, bevor sie weiterziehen. Wieder andere lässt man tief in sein Herz, um dann den Veränderungen der Zeit und des Charakters zu erliegen. Veränderungen, die aus Freundschaft Schmerz machen – aus Gründen des Neids, der Ungerechtigkeit,… Manche Wege bleiben gemeinsam, manche trennen sich irgendwann (im Guten oder Schlechten).

Manche Wege verlaufen im Sand, manche gehen ein Stück miteinander, verlieren sich und finden wieder zusammen. Ein komisches Spiel des Lebens, das am Ende irgendwie aber meist Sinn ergibt. Alle diese „Optionen“ habe ich erlebt, einige davon waren und sind sehr schmerzhaft und der Umgang damit, bzw. die Akzeptanz dessen fällt phasenweise sehr schwer, gerade wenn man ein starker Gefühlsmensch ist. Wie geht es dir dabei? An einer späteren Stelle steht: „Wahrscheinlich war es sein Schicksal, allein zu sein.“ Denkst du, dass es ein solches Schicksal gibt? Dass Menschen wirklich zur Einsamkeit verdammt sein können, die innerlich doch so gute Menschen sind?

Murakami
Murakami – farblos?

Einsamkeit

Oh nein, wenn sind das nur Phasen im Leben. Richtig verdammt zur Einsamkeit – das ist ein grausamer Gedanke und nein, sowas gibt es nicht. Irgendwie finden wir Menschen immer ein Gegenstück, was uns begleitet.Deine geschilderten Situationen kenne ich wohl ebenso – ich glaube sogar, dass jeder Mensch alle Situationen erleben wird, einmal so erleben muss.

Die große Frage im Buch ist, warum die Clique damals auseinander brach, warum von jetzt auf gleich der Kontakt zu Tsukuru abgebrochen wurde. Ich bin ein emotionaler Mensch und ich verkrafte es nicht, wenn ich nicht weiß, warum sich Menschen abwenden und nicht mehr melden. Furchtbar. Mir hat es stellenweise das Herz zerrissen und ich glaube ich hätte immer und immer wieder Kontakt gesucht, bis ich einen Grund erfahre. Brauchst du auch einen Grund oder kannst du bestimmte Verhaltensweisen einfach akzeptieren und damit weiterleben?

Kurioserweise stecke ich gerade mitten in einer solchen Situation. Ein Freund hat sich komplett von uns allen abgewendet. Er war ein Vertrauter, ein wichtiger Mensch in meinem Leben. Er ist aber gefangen in seiner eigenen kleinen Welt, neidzerfressen, selbstgerecht, verletzt nach außen hin und spinnt sich einen Kokon. Mehrmals hat er mich schwer verletzt, ich habe immer verziehen und Kontakt gesucht. Aber mittlerweile muss ich das ignorieren, ihn höflich aber bestimmt aus meiner Nähe verbannen. Denn ich will mich von ihm nicht zerstören lassen. Und das würde über Kurz oder Lang passieren, wenn ich ihn in meinem Herzen behalten würde. Nachdem ich diesen Punkt erreicht hatte, fiel es mir leichter, damit klarzukommen, auch wenn es immer wieder Situationen gibt, in denen ich ihn schütteln will und anschreien mag, warum er so geworden ist und wann das passierte.

Freundschaft?

Ein anderer Freund hat eine neue Freundin bekommen, die mich nicht mochte und mag und so gegen die Freundschaft intrigiert, dass er seit knapp 2 Jahren kein Wort mit mir spricht und mich schneidet. Das war ein sehr schmerzhaftes Erlebnis, da wir sehr viel durch haben gemeinsam und es hat sehr lang gedauert, bis ich damit klar kam, dass es da wohl nie eine Absprache geben wird, warum das geschah. Aber je länger ich reflektiert habe, desto mehr ist mir bewusst geworden, dass man daran nichts ändern kann, da die ganze Freundschaft schon in eine Einseitigkeit abgedriftet war, die einem in dem Moment aber gar nicht bewusst war.

Insgesamt suche ich auch sehr lange nach Antworten, nach Gründen, da es einen innerlich zerreißt. Nun, manchmal gibt es keine Antworten oder kein Interesse nach Klärung von der anderen Seite. Da muss man dann einfach lernen, die Dinge zu akzeptieren, so schmerzhaft das auch ist. Am Ende geht man gestärkt daraus hervor.

Lebensantwort

Ohje. Das klingt nicht gut. Zerstören lassen dürfen wir uns auf keinen Fall. Ab und an scheint es doch besser zu sein, einen Schritt zurück zu akzeptieren, so weh es auch tut.

Haida sagte:

„Ich bin nicht gern an einen Ort gebunden. Ich will gehen, wohin es mir gefällt und wann es mir gefällt. Leben, wie ich will, und denken, was ich will.“ (S. 62)

Murakami
Haruki Murakami – eine Lesereise

Haruki Murakami – eine Lesereise

Was sagst du dazu? Hat er recht? geht es dir genauso? Bist du heimatverbunden oder doch eher auf der Reise und rastlos auf der Suche nach Neuem??

Das ist eine sehr schöne Frage. Ich bin nie auf der Suche nach Neuem, ich glaube, das Neue sucht und findet mich. Gehen wohin und wann es mir gefällt – klingt gut, ist aber nicht immer umsetzbar, gerade dann, wenn der Job dran hängt. Das kennen wir wohl alle. Aber ich versuche alle Pläne auszublenden und leben im Jetzt und im Hier und mache was mir gefällt und gut tut und genau dort halte ich mich dann auch örtlich auf. Meine Wurzeln allerdings sind unversetzbar und das ist auch gut so. Ich bin hier und ich bleibe hier und ich mag nicht weg. Haida muss ich nicht Recht geben, er handelt nach seinem Gefühl und ich denke, so handelt er richtig. Das Herz bestimmt unsere Lebensreise – oder?

Und wie stehst du zur Aussage:

„Alles hat seine Grenzen. Auch das Denken. Man sollte diese Grenzen respektieren, aber sich auch nicht fürchten, sie zu durchbrechen. Das ist das Wichtigste, um frei zu werden. Respekt und Abneigung gegenüber den Grenzen. Die wichtigsten Dinge im Leben haben immer zwei Seiten.“ (S. 63)

Grenzen

Ich finde, diese Aussage hat so viel Wahres in sich. Wie oft denkt man nach, traut sich nicht, darüber zu reden oder sich auszutauschen. Wie oft wird man von anderen ausgebremst. Kann man in unserer Gesellschaft überhaupt noch frei denken?

Das ist so eine schöne Stelle. Und ich mag deine Frage sehr. Frei denken – ich denke schon und ich denke, dass es auch sehr wichtig ist. Ob man es kann, liegt an uns selbst. Ich kann es und ich will es und ich lasse mich nicht bremsen. Das Thema hatte ich erst mit einem Herzmenschen. Grenzen respektieren, auf jeden Fall, aber nicht fürchten. Und durchbrechen ist gut, denn durchbrechen befreit. So sehe ich das. Ich lege viel Wert darauf, über Gedanken zu sprechen. Gedanken gehören uns, aber es gibt viele Gedanken die geteilt werden sollten, denn mit geteilten Gedanken und Gefühlen wird vieles viel leichter, auch wenn es erst schwerer erscheint. Aber Gespräche können so viel ändern und bewegen. Lasst die Gedanken frei!

„Obwohl wir eigentlich in einer Zeit zunehmender Beziehungslosigkeit leben sind wir von so vielen Informationen über andere Menschen umgeben. Wen man will, kann man sich ganz leicht Zugang zu diesen Informationen verschaffen. Und doch wissen wir fast nichts über andere Menschen.“  (S. 123)

Ich finde, das ist die „Krankheit“ unserer Zeit. Man hat hunderte virtueller Freunde mit denen man sich über Interessen austauscht. Will man etwas wissen: „Ach, ich google mal, ich facebooke den mal,…“ Doch wissen wir wirklich, wie es den Menschen geht? Sie malen lustige Smileys, sitzen dabei aber vielleicht weinend am PC. Sie schreiben: „Mir geht es gut.“ Doch tut es das wirklich? Ich nehme mir ja bewusste Auszeiten von Facebook und anderen sozialen Medien. Ich will leben, Freunden beim Kaffee trinken in die Augen schauen und mit ihnen lachen, weinen, reden,… wie siehst du das?

Achtsam sein

Das kann ich nur unterschreiben. Ich glaube wer Achtsamkeit ab und an übt und weiß, was das ist, der muss sich nicht ständig mitteilen. Ich habe mich privat von FB zum Beispiel sehr zurück gezogen. Warum muss jeder wissen, was ich mache und was mich bewegt? Es reicht doch, wenn ich es weiß und wenn die Menschen mit denen ich zusammen bin, die Bilder gleichzeitig mit mir sehen und die Erlebnisse teilen. Warum noch andere dazu holen und teilhaben lassen?

Das Herz zählt und ja, genau, das in die Augen schauen. Miteinander lachen und erleben und nicht genau in dem Moment zeigen. Es gibt Situationen über die man dann erzählen kann, aber der Moment ist es doch, der uns erfüllt. Das sich einige Mitmenschen hinter positiven Worten verstecken und eine Fassade aufgebaut haben, glaube ich sehr. Leider. Ich lasse die vielen Informationen nicht mehr an mich heran und ich wirke gern der zunehmenden Beziehungslosigkeit entgegen.

Murakami Leseglück
Murakami Leseglück

Offenes Ende?

Da hast du recht und so versuche ich es auch mehr und mehr zu handhaben. Ich will keine Marionette meines Lebens sein, sondern dieses Leben und genießen, ich will spontan sein, jeden Tag aufs Neue. 🙂

Das Ende hat mich sehr verstört zurück gelassen. Ich mag nicht spoilern, aber vielleicht können wir verraten, das Murakami ein offenes Ende gewählt hat, welches aber durchaus nach Tagen verkraftbar ist? Mit welchen Gefühl hast du den Roman verlassen?

Auch hier stimme ich dir zu. Das Ende lässt wichtige Fragen offen, die mich in einer Zwickmühle zurückgelassen haben. Unbedingt will man doch wissen, wie sich das eine oder andere nun letztendlich entwickelt hat oder was es mit dem oder der Person auf sich hat. Aber erfüllt hat mich das Buch trotzdem komplett. Erfüllt und auch beruhigt bin ich aus den Seiten getaucht… Beruhigt, da aus dem Kern der Geschichte nun doch die Wahrheit entsprungen ist. Ich denke, das kann man so sagen, ohne dass zu viel verraten wird.

Tsukuru besucht drei seiner alten Freunde. Welcher Freund ist dir ans Herz gewachsen? Oder haben sich alle drei Persönlichkeiten fremd für dich angefühlt?

Ans Herz gewachsen ist mir eigentlich so direkt nur Erik am Ende des Buches. Denn zwischen ihr und Tsukuru gab es diese besondere Verbindung, die es bei den anderen Freunden nicht gab. Man merkt deutlich, dass sich jeder irgendwie weiterentwickelt hat und dass das Leben weiterging. Aber Eri ist hinter der Fassade noch genau dieselbe, die sie früher war. Ich finde diese letzten Kapitel so wahnsinnig emotional und tief. Wahrscheinlich hat das dafür gesorgt, dass ich sie so fest an mich gebunden habe. Hast du auch einen Favoriten für dich entdecken können.

Murakami – Fan?

Wirst du nun zum Murakami-Fan? Wirst du ein weiteres Buch von ihm lesen?

Haha, der nächste Murakami liegt schon bereit: „Kafka am Strand“ – brauche nur noch die Zeit dafür. Du hast mir ja ein Bild von deinem Regal geschickt, in dem sich schon einiges von Murakami tummelt. Welches ist dein Favorit?

Nun sind wir ziemlich am Ende des Buches angekommen, denke ich! Gibt es noch etwas, was dir besonders auf der Seele brennt? Ich möchte gern noch ein letztes Zitat erwähnen, das mich tief berührt hat, da es einfach so wahr ist. Nichts funktioniert, wenn es nicht im Gleichgewicht ist:

„In diesem Moment erkannte Tsukuru Tazaki es. Er begriff endlich in den Tiefen seiner Seele, dass es nicht nur die Harmonie war, die die Herzen der Menschen verband . Viel tiefer war die Verbindung von Wunder zu Wunde. Von Schmerz zu Schmerz. Von Schwäche zu Schwäche. Es gab keine Stille ohne den Schrei des Leides, keine Vergebung, ohne das Blut floss, und keine Überwindung ohne schmerzhaften Verlust. Sie bilden das Fundament der wahren Harmonie.“ S. 266

Das Zitat habe ich mir auch markiert. Wohl wahre Worte. Einen Murakami Favorit habe ich noch nicht. Bisher habe ich nur „Wilde Schafsjagd“ gelesen und der war schon ziemlich abgedreht, wenn ich mich richtig erinnere. Fantasy eben – eine ungewöhnliche Mischung.

Liebe Leser? Habt ihr uns bis zum Schluss gelauscht? Das freut uns und noch mehr freut es uns, wenn ihr uns im Kommentar über eure Murakami – Leseerfahrung erzählt.

„Nicht alles verschwindet i Fluss der Zeit.“ (Seite 318)

Eure
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