Schlagwort: Ronja von Rönne

Wir kommen ~ Ronja von Rönne

Wir kommen ~ Ronja von Rönne
Wir kommen ~ Ronja von Rönne

Wir kommen (Aufbau Verlag) von Ronja von Rönne – ich habe da ein Foto vom Buch gesehen und dort eins und dort mal einen Kommentar und dort ein Freudenschrei der Vorfreude. Und ich? Wurde neugierig. Erst habe ich gedacht: „Das Cover macht neugierig – gepaart mit dem Titel“ – habe aber nicht weiter geschaut. Dann dachte ich: „Der Autorenname zieht Kreise – wer ist diese Ronja?“ – ich habe einen zweiten Blick geworfen. Und dann dachte ich: „Oh der Postmann.“ – und halte das Buch in der Hand.

So ist manchmal das Leserleben eben. Und dann? Hab ich mich kaum bremsen können mit dem Loslesen. Hab das Buch wahllos aufgeschlagen und mal hier und mal dort einen Satz gelesen – nein, eher konsumiert. Keine Ahnung was in mich gefahren ist, an dem Tag. Sowas hab ich nie vorher gemacht. Scheinbar hat mich Ronjas „Art“ dazu animiert. Ich folge ihr auf Instagram und habe mir ihre Bilder und vor allem ihre Worte unter den Bildern angesehen – studiert. Sie schreibt anders, sie ist anders, sie ist speziell und vielleicht doch ganz normal.

Ich suche guten Stoff – anderen Buchstoff. Ich lese gern extrem, ich lese gerne außergewöhnliche Texte. Gern provozierend. Stellenweise musste ich an Tu dir weh denken – ein Roman, der mich fasziniert hat und ein wenig hat mich die Schreibe von Ronja von Rönne an die Schreibe von erinnert. Ja…irgendwie schon.

„Mein Zimmer ist sehr ordentlich. Ich habe probeweise meinen Stiftebecher zu Boden gestoßen, um zu sehen, ob ich Lust auf Aufräumen habe. Habe ich nicht.“ (Seite 13)

Wir kommen ~ Ronja von Rönne
Wir kommen ~ Ronja von Rönne

Wir kommen – geht es um Sex?

Wir kommen – auf in ein anderes, ein neues Leben?

Wir kommen – der Vergangenheit entgegen?

Wir kommen – eine Mischung aus Leben, Sex, Zukunft, Vergangenheit und noch so viel mehr.

Wir kommen – ich bin schnell in Ronjas Debütroman angekommen. Es war leicht, den ersten Schritt zwischen ihren Worten zu machen und dann weiter zu laufen. Nora lebt. Maja ist tot. Ihre Freundin soll es angeblich nicht mehr geben. Im Brief der vor ihr liegt, steht das Wort Beerdigung. Das kann nicht sein. Los Maja, komm her, lass uns an die guten alten Kindheitstage zurück denken und Spaß haben, Blödsinn machen.

Wir kommen – am Meer an. Noras Panikattacken bleiben, aber sie ist am Meer. Die 390 Gramm (eine Schildkröte) sind mit und auch Karl, der Schreibende, Leonie, die Essgestörte, ihre Tochter Emma-Lou und Jonas, der Depressive. 4 Erwachsene – 4 Charaktere und doch ein gemeinsames Leben ohne Tabus. Alle dürfen alles. Alle flüchten gemeinsam, alle rennen ins Zukunftslicht, alle werden vom Vergangenheitsschatten berührt und alle sind nicht immer ALLE.

Wir kommen…

„Jeder Unglückliche denkt, er sei der Einzige auf der Welt, dem es so schlecht geht, und jeder Unglückliche weiß, dass das nicht stimmt und trotzdem stimmt.“ (Seite 80)

Ronja von Rönne schmeißt uns entzündliche Worte entgegen. Sie schreibt auf 205 Seiten – heißen Seiten – über gefährliche Lebens-Seiten. Entzündlicher Stoff – legt die Streichhölzer nicht in die Nähe des Romans – der Funken wird anders auf euch überspringen. Seitenbrandgefahr.

Wir kommen ~ Ronja von Rönne
Wir kommen ~ Ronja von Rönne

Von Rönne schreibt über die Wichtigkeit von Träumen, die nicht aufhören dürfen zu existieren, wenn sie Realität geworden sind, über offene Beziehungen, die nur eine Rettung für etwas sind, was nicht mehr gerettet werden will, über die Freude beim Streiten, weil streiten ein Verb ist, und bei Verben passiert etwas, ohne Verben bleiben nur Adjektive, schnöde, langweilige, redundante Adjektive und sie schreibt über vier Egoisten, die sich vor lauter Angst aneinanderklammerten, obwohl sie sich eigentlich hassten und über noch viel mehr…

Ihr Roman ist dunkel, voller Schmerz, voller Depressionen und dann auch noch voll mit trockenem Humor und Sätzen, an denen man total hängen bleibt. Protagonisten die wie alte Möbel allerhand Kratzspuren haben. Mangelnde Liebe und fehlende Geborgenheit sind die Namen der Narben die sie zeichnen und das Gefühl immer ein Rad und nie der Motor zu sein, ist dauerhaft. Die Handelnden haben sich selbst in den Nebel der Blindheit gehüllt. Absurde Situationen kommen als Sahnehäubchen dazu und natürlich findet sich im Roman nicht nur Gegenwart, sondern auch Vergangenheit. Ein stetig voller werdendes Tagebuch ist dabei und etwas Zukunft irgendwie auch.

Ronja von Rönne provoziert, unterhält und lässt den Leser am Ende mit einem Knall zurück. So gehört sich das. Danke! Aber Ronja von Rönne treibt nicht nur voran, sondern macht auch Pausen, bei denen man als Leser auch abhanden kommen kann, wenn man es nicht schaffen will. Nicht nur die Charaktere stehen vor Lebensweichen – Leser stehen vor Leseweichen.

Verunsichert? Neugierig? Ich kann es euch nicht verübeln. Ich würde diese Autorin, die ich jetzt einfach als „anders“ bezeichne, da ich denke, Ronja kommt mit dem Wort zurecht und auch mit der Tatsache, dass ich sie hier einfach duze, gern mal live erleben und verpasse leider die Gelegenheit sie in der Buchhandlung Findus in Tharandt am 16. März zu treffen. Dennoch darf ich eine erste „Wortberührung“ auf Instagram mit ihr verzeichnen.

Gehört und gesehen habe ich sie dennoch schon und zwar in drei verschiedenen Videos, die in mir Fragen aufrufen. Ronja von Rönne ungeschminkt und ehrlich? Lesend! Oder/und doch maskiert und in einer Rolle?  (ab Minute 2:44)

Rebellisch – anders – provozierend – ZÜNDSTOFF!

Nachtrag – 20.03.2016:

Endlich habe ich Ronja doch persönlich treffen können. Zur Lesung nach Tharandt hatte es am 16.03.2016 nur mein Buch geschafft, welches Ronja signierte. Ich bin schon gespannt, denn ich bekomme es erst in den nächsten Tagen zurück. Die spontante Begegnung kam für mich sehr überraschend und ich freute mich, dass Ronja wusste, wer ich bin und auch diesen Artikel hier gelesen hat. Eine runde Sache – ein schöner literarischer Kreis. Danke Ronja für deine Worte.

Ronja von
Wir kommen ~ Ronja von Rönne

Eure
literatwo_banner