[Romantik] Auf der Suche nach der blauen Blume
Denkt man heutzutage an Romantik, versteht man darunter sanften Kerzenschein, leise rieselnde Hintergrundmusik, Rosen, eine sinnlich-verträumte Atmosphäre und vor allem ganz viel Gefühl.
Der Ursprung unserer Vorstellung vom Romantik liegt, wie sollte es auch anders sein, in der Epoche der Romantik. „Überall nahmen [die Dichter] Geheimnisvolles, Schauriges, Unbegreifliches und Unendliches wahr. Die gefühlsbetonten Romantiker richteten sich gegen die „nüchterne“ Klassik. […] Eine geheimnisvolle Sehnsucht nach der Ferne und der Vergangenheit war der stärkste Antrieb der Dichter.“[1]
Joseph Freiherr von Eichendorff ist der wohl bekannteste Dichter dieser Epoche. Seine Naturverbundenheit, die Faszination an geheimnisvollen, mystischen Plätzen zeigt sich deutlich in seinem lyrischen Werk. Und ja, seine Gedichte sind einfach nur romantisch, sehnsuchtsvoll, gefühlsbetont, wie gemacht für einen Abend im Kerzenschein.
Mondnacht[2]
Es war, als hätt’ der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst‘.Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis’ die Wälder,
So sternklar war die Nacht.Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.
Weniger romantisch liest sich allerdings „Heinrich von Ofterdingen“, der unvollendete Roman des Dichters Novalis. Schließlich handelt es sich hierbei um ein Romanbattle zwischen Novalis und dem ehemals so hochgelobten Vorbild „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ von Goethe. Novalis war zu Beginn von Goethes Entwicklungsromans fasziniert, wandte sich jedoch im Laufe der Zeit von diesem ab, da er ihn „als undichterisch im höchsten Grade und als ein Kunstprodukt, ein Werk des Verstandes und der Ökonomie, die über die Poesie siege,“ [3] empfand.
„Mit seinem eigenen Roman wollte Novalis den Goethes übertreffen. Gegenüber dem Wilhelm Meister wollte er alles in Poesie auflösen und der Roman sollte allmählich ins Märchen übergehen.“[4]
So sind in diesem Fragment gebliebenen Roman Elemente des Entwicklungs- und Bildungsroman mit denen des Märchens und wundersamen Begebenheiten. Gerade mit einer solchen beginnt der erste Teil, die Erwartung, welcher beschreibt, wie Heinrich, ein mittelalterlicher Sänger, zum Dichter heranreift. „Heinrich träumt in der Nacht der Sommersonnenwende, in der nach dem Volksaberglauben ein Blick in die Zukunft möglich ist. Der Traum besteht aus verschiedenen Phasen und spiegelt schon das Geschehen des Romans wider. In diesem Traum sieht Heinrich die „blaue Blume“, ein Symbol der Sehnsucht und des Erkennens. Die Blume verwandelt sich zu einem Mädchengesicht, das, wie sich in den folgenden Kapiteln herausstellt, Mathilde, seine spätere Geliebte und Ehefrau, ist.“[5]
Der Stil des Romans ist sehr melodisch und gleicht dem Lesen eines Gedicht, Handlung und traumhafte Sequenzen wechseln sich ab. Das macht das Lesen dieses eigenwilligen Romans nicht immer leicht, doch folgt man wie Heinrich der blauen Blume und lässt sich ein auf diese Darstellung einer Welt in Poesie, so gelangt man zu einem einmaligen Leseerlebnis, was in seiner Intensität vielleicht nur die Romantik bieten kann.
Also Kerzen an und Buch aufschlagen.
Euer romantisches Lesebienchen
[1] aus: Deutsche Literaturgeschichte. hrsg. von Haerkötter/Trautmann. Winklers 2008, S. 81
[2] ebd.
[3] aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_von_Ofterdingen, Stand 06.08.2015
[4] ebd.
[5] ebd.