Unendlich schön. Richtig schön. Einfach schön. Mit diesen Worten habe ich das Buch beendet. Lange habe ich kein „Jugendbuch“ mehr gelesen, da ich gerade eine Art „Gegenwartsromanphase“ habe. Bevor ich euch mehr erzähle, erzähle ich euch vom Ende, was auch gleichzeitig der Anfang ist oder doch die Mitte? Ihr werdet gleich verstehen und keine Angst – ich spoiler ganz bestimmt nicht.
„Nimm ein Stück Papier und schreibe darauf: „Um zu erfahren, wie ein Perpetuum Mobile funktioniert, bitte wenden.“ Dann schreibe auf die andere Seite: „Um zu erfahren, wie ein Perpetuum Mobile funktioniert, bitte wenden.“ Lies, was du gerade geschrieben hast. Folge den Anweisungen. Mach einfach weiter.“ (Seite 379)
Unendlich schön. So ein Ende. So ein Anfang. Und nun zum Buch und zwar JETZT. Ohne es überhaupt zu merken, versank ich tiefer und tiefer im Roman, obwohl ich nach den ersten Seiten immer skeptischer wurde. Es braucht Geduld, um in dieses Buch einzusteigen. Geduld die wohl nicht jeder Leser hat. MIch zog es immer tiefer in das Leben von Margot Hella Oppenheimer, auch Gottie gerufen. Die Namen – furchtbar, zumindest für ein 17-jähriges Mädchen, so meine Gedanken und erste Empfindungen. Aber was sind schon Namen, wenn die Geschichte zuschlägt, so ganz langsam und wenn sie zudem aus ihrer anfänglichen Eckigkeit immer runder wird. Sagenhaft. Unendlich schön.
Lebensformel
Ist ja gut, ich erzähl euch ja schon, um was es ganz grob geht, was mich so bewegt hat und warum ihr es lesen müsst. Gottie versteht die Welt nicht mehr. Es passiert einmal, es passiert zweimal und dann passiert es immer und immer wieder und sie fragt sich „Warum?“. Sie versucht den Grund herauszufinden. Zeitreisen. Rückfälle in die Vergangenheit. Zeitschleifen. Filmrisse. Wurmlöcher. „Es“ hat viele Namen. Vergesst jetzt bitte gleich jegliche Zeitreiseromane. Und NEIN – das Buch hat keine fantastischen Elemente. (Das Cover ist allerdings „fantastisch“. Ich mag es sehr.) Alles ist real, auch wenn es überhaupt nicht so klingt. Vielleicht sollte ich sagen, dass Gottie Tagträume hat, gedanklich in die Vergangenheit flüchtet und viele Dinge einfach noch nicht verarbeitet hat.
Aber mal ehrlich, einige Dinge können wir nicht gleich erfassen, vor allem, wenn es schmerzliche Verluste sind. Wenn man einen Menschen für immer verloren hat, wenn man einen besten Freund, einen Seelenverwandten verliert, ohne genau zu wissen wieso und wenn in der Zeit auch noch der Bruder nicht nur aus- sondern weg zieht. Thematisch überladen und unplausibel? Keinesfalls!
Gottie liegt unter einem Apfelbaum. Es sind Ferien. Und sie stellt fest, dass doch nicht alle Dinge mit einer Formel erklärt werden können. Weder die Liebe, noch die Freundschaft und der Tod erst Recht nicht.
JETZT
Klingt das jetzt zu überladen oder thematisch zu schwer? Übersetzerin Susanne Hornfeck hat die Worte von Autorin Harriet Reuter Hapgood in ein sagenhaft authentisches Deutsch übersetzt. Wir lesen nicht über Gottie, wir leben mit ihr und sie ist ein Teenager mit allem drum und dran. Worte und Tiefgründigkeit werden mit Leichtigkeit von uns Lesern inhaliert. Wie ihr diese dann in euch verarbeitet, steht auf einem anderen Blatt. Bei mir steht: „Unendlich schön, sagenhaft komplex und doch verständlich und durch und durch emotional nachvollziehbar.“
An dieser Stelle würde ich euch so gern mehr erzählen, so gern, denn ich bin immer noch bewegt und habe bisher kein Buch gelesen, was diese bestimmten Verlustmomente so realistisch wiedergibt, ohne uns mit der Nase in den Schmerzbrei zu drücken. Am Ende steht einfach das Verstehen, das Verarbeiten und vor allem das LEBEN im JETZT. Ihr werdet nicht schwach zurückgelassen, aber ihr werdet „Lachenweinen“ und das tut verdammt gut.
Ihr könnte jetzt aufhören meine Worte zu lesen, denn ihr solltet dringend zum Buch greifen. Die nächsten Worte sind nicht an euch, sondern ans Gottie adressiert. Gottie – als sich dein Wunsch erfüllte, sah ich mich gedanklich bei der kleinen Omi am Bett – ich hatte auch so einen Wunsch. Man bereut Wünsche immer, wenn sie gleichzeitig der Abschied für immer sind und doch für den Menschen selbst, die Erlösung. Nun laufen mir Tränen übers Gesicht. Du hast alles richtig gemacht. Wir haben alles richtig gemacht, wir müssen das nur begreifen und uns dabei unterstützen lassen. Okay – du hast einiges nicht gewusst, was im nachhinein zusätzlich schmerzt.
Ach Gottie – fühle dich umarmt und du bist ein klasse Mädchen, da du nun hier bist. Im JETZT. Ich bin froh dich zu kennen, deine Geschichte zu kennen, denn du bist so verdammt realistisch, so nah und ich würde dich gern mal umarmen.