Als ich gelesen habe, das im Roman „Der Letzte von uns“ (Aufbau) Dresden eine Rolle spielt, wollte ich ihn natürlich lesen. Ich habe einen Hang zu diesen Romanen, da sich das Lesen natürlich noch intensiver anfühlt, wenn man sich in der Stadt wiederfindet, in der man auch lebt.
Bomben fallen vom Himmel, als ich im Roman in Dresden, im Jahr 1945, ankomme. Es brennt überall, die Menschen sind auf der Flucht, die Angst liegt in der Luft und Luisa ist schwer verletzt. Doch nicht nur das, sie ist auch noch schwanger und ihr Sohn schafft es kurz vor ihrem Tod auf die Welt. Ein Säugling namens Werner, mitten im Krieg, ohne Mutter, ohne Vater – er ist der Letzte…
Während in Dresden die Menschen bangen und auf Frieden hoffen, jagt der junge Wern(er) in Manhattan im Jahr 1969, jedem jungen Rock hinterher. Er liebt die Frauen, er ist charmant und er ist ein aufstrebender Unternehmer, der die Freiheit und sein Leben genießt. Als ihm allerdings die junge Rebecca über den Weg läuft, steht sein Herz in Flammen. Ein Katz- und Mausspiel beginnt, bei dem sich Wern mächtig ins Zeug legt. Die zwei scheinen füreinander geschaffen, bis zu dem Tag, als Wern seine zukünftigen Schwiegereltern kennenlernt. Ein Zwischenfall mit Rebeccas Mutter, eine merkwürdig kalte Begegnung mit ihrem Vater und die Krönung des Treffens – Rebecca ist weg, die Familie scheint untergetaucht und Wern ist alleine und verzweifelt – er ist der Letzte…
Dresden ~ Manhattan
Während in Manhattan die Luft nach Liebe riecht, atmen wir in Dresden Asche ein. Autorin Adelaide De Clermont-Tonnerre lässt uns zu Beginn zwischen diesen zwei Orten große Zeitsprünge vollführen und löst damit nach und nach auf, wie aus dem Säugling ein wohlhabender Mann wird. Und dann bleiben wir vorerst in Amerika, denn Wern muss sich nicht nur seiner Vergangenheit stellen…
Der Roman ist auf jeden Fall spannend, wie du merkst, aber natürlich auch emotional und der Unterhaltungsfaktor ist sehr groß. Dadurch sind die über 450, recht großzügig bedruckten, Seiten schnell weggelesen. Dennoch muss ich sagen, dass ich das Buch fast abgebrochen hätte. Die französische Autorin schafft es nicht, dauerhaft zu fesseln und zu überzeugen, obwohl die Neugierde entfacht ist und es an Spannungsbögen nicht mangelt. Einige Passagen sind selbst mir zu unrund gewesen, die Charaktere vor allem wegen des Themas stellenweise zu sprunghaft, irgendwie flattrig und darum auch nicht immer glaubwürdig. Die Hauptprotagonisten Wern(er) und Rebecca sind mindestens so liebenswert wie anstrengend und ich hätte ab und an beiden gern mal was erzählt. 😉
ABER – ich möchte dich keinesfalls davon abbringen den Roman zu lesen. Das muss ich hier an dieser Stelle hervorheben, denn die Autorin unterhält wunderbar trotz des nicht einfachen Themas und ich bin regelrecht durch die Seiten gerast. Die Sprache ist einfach und doch spüren wir sofort, ob wir uns im Jahr 1945 oder im Jahr 1972 befinden. Die Charaktere sind beide nicht einfach, wie bereits angedeutet, aber genau aus diesem Grund auch irgendwie herausragend und natürlich gibt es Randpersonen die sich ins Herz schleichen. Wichtige Literatur mit einem wichtigen Thema und mit doch hohem Unterhaltungsfaktor.
Perfekter Einstiegsroman
Eine große Empfehlung für alle Leser die sich aufgrund der Schwere oder der Komplexität oder der Grausamkeit nicht immer trauen, Literatur zu lesen, die sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigt. Der perfekte Einstiegsroman mit viel Spannung und Gefühl!
„…im Nachhinein ist es meist leicht, den richtigen Weg zu erkennen, doch entscheiden muss man mitten im Geschehen.“ (Seite 374)
Ich selbst bin froh, diesen Roman gelesen und nicht abgebrochen zu haben. Er unterhält hervorragend trotz des sensiblen Themas, eine Kombination für die nicht jeder Autor das nötige Fingerspitzengefühl mitbringt.
Wenn du thematisch anspruchsvoller, emotionaler und vor allem viel komplexer lesen möchtest, solltest du dir unbedingt die zwei Romane „Die Nachtigall“ von Kristin Hannah und „Die uns lieben“ von Jenna Blum ansehen. Ich muss diese zwei Titel immer und immer wieder erwähnen, es bleiben eben unübertreffbare Highlights.