Das geheime Prinzip der Liebe_Literatwo_GremillonAm 16. Mai 1940 erblickte Louise das Licht der Welt.

Am gleichen Tag wie ich, nur ein paar Jahre eher. Doch nicht nur der zufällig gleiche Geburtstag ist ausschlaggebend zur sofortigen Verbundenheit zum Buch. Das geheime Prinzip der Liebe – bereits dieser Titel und das Cover erwecken meinen Blick, zünden die Leseflamme an und lassen diese hoch und leuchtend lodern.

Ganz ruhig möchte ich mich in die Geschichte begeben, erfahren was hinter dem geheimen Prinzip der Liebe steckt. Das Buch strahlt Ruhe aus, gleichzeitig aber trägt es eine laute Geschichte in sich.

Camille Werner durchlebt gerade eine schmerzvolle Zeit. Ihr Vater ist nicht mehr am Leben und ihre Mutter ist vor kurzem gestorben. Sie wird überspült mit einer Welle aus Post – Kondolenzbriefe, die sie erreichen, die sie aber nicht liest, nicht lesen will. Und doch öffnet sie einen, öffnet zwei und dann erblickt sie einen ganz bestimmten Brief, der aus der Masse der Briefe heraus sticht.

Ein Brief von Louis. Scheinbar ein Brief, der falsch adressiert ist, denn Camille kennt keinen Louis. Doch sie ertappt sich dabei den langen Brief zu lesen. Sie kann ihn nicht weglegen, dafür ist sein Inhalt zu mächtig. Louis schreibt über seine große Liebe Annie, die er in frühen Jahren kennenlernte und sich bereits als Kind in sie unsterblich tief verliebte. Er öffnet sein Herz und gibt seine Erinnerung an Annie preis, legt alle Gefühle die er hat offen.

Der Brief endet mitten in der Erzählung und Camille ihre Gedanken beginnen zu kreisen. Wer könnte dieser Louis sein? Ist es vielleicht ein Autor, der versucht, ihr, der Verlegerin, auf diesem Wege sein Manuskript zu schicken?

Doch dann kommt der Dienstag und sie erhält, genau wie alle weiteren Dienstage, einen neuen Brief des geheimnisvollen Verfassers.

Annie, eine Künstlerin, eine Malerin die es damals schaffte in höhere Gesellschaftskreise zu gelangen und immer mehr ihrer Zeit mit Madame M. verbrachte.

Annie, ein Mädchen welches sich sicher war, im Leben nie Kinder haben zu wollen und sich bereit erklärte für Madame M. aus Dankbarkeit für das was sie alles für sie tat, ein Kind auszutragen.

Annie, eine Frau, deren Leben sich durch eine große Entscheidung komplett veränderte.

Annie.

Camille kommt immer mehr ins Nachdenken und stellt das fest, was der Leser schon länger zu erahnen versucht, allerdings sich nicht sofort im Zusammenhang erklären kann. Es scheint eine Verbindung zwischen ihr und den Personen aus den Briefen zu geben. Welche das ist, was diese Verbindung mit sich zieht und welche Tiefe diese hat, steht in einem anderen Brief.

Dienstag wird der nächste Brief folgen – jeder Dienstag ist ein Schritt in die Vergangenheit, ein Schritt in Richtung Wahrheit, ein Schritt in Richtung Familie und neben den ganzen Briefen, hat Annie auch eine Gegenwart die sie leben muss.

Hélène Grémillon hat mit diesem Werk einen Familienroman geschrieben, der mehr als Tiefgang hat und völlig anders verläuft, als man dachte. Es ist fast wie in einem Krimi, wenn man denkt, man weiß wer der Täter ist und es dann doch ein ganz anderer ist. Bei ihr geht es um keinen Täter, sondern hauptsächlich um die Liebe und das Handeln von zwei Hauptprotagonisten aus ihren Gefühlen heraus.

Es geht um Eifersucht, es geht um Liebe, es geht um ein Kind, es geht um Hass und einen ganz bestimmten Mann. Dieser Roman ist auf keinen Fall eine Liebesromanze, auf keinen Fall ein kitschiges Drama. Nein, alles andere als das. Frau Grémillon schreibt auf mehr als hohem Niveau über zwei Frauen, dich sich einst liebten, dann hassten, aber mit Worten, die absolut treffsicher sind, so tief ins Rote treffen, wie ein Dartpfeil.

Die Wendungen im Buch, das ganze Konzept wie auch der Handlungsverlauf sind unvorhersehbar und so plausibel, dass dieses Buch dem Leser mehr als tief ans Herz wächst.

Als Leser durchlebt man ein Gefühlsbad, welches hohe Wellen schlägt, unter die Wasseroberfläche zieht, an Land spült, einen mit sich in die Tiefe reißt, aber auch Strudel die man vorherzusehen glaubt, nicht entstehen lässt.

Ohne Worte – LESEN!