Sackgasse.
Sackgassen können lang sein, können kurz sein, aber haben ein Ende.
Sackgassen können breit sein, können schmal sein, aber man kommt nicht aus ihnen heraus.
Mathilde hat eine Sackgasse betreten und jeder Tag macht ihre persönliche Sackgasse nicht weiter, sondern enger. Nicht länger, sondern kürzer, nicht offener, sondern beklemmender.
Mathilde Debord hat einen Job, den sich anderen nur wünschen können. Hand in Hand arbeitet sie mit ihrem Chef eng zusammen. Sie hat Ansehen, eine Stimme in der Firma, blindes Vertrauen unter den Kollegen. Den Rücken bekommt sie gestärkt, sie erhält Zuspruch und auch daheim schafft sie es alleine ihre drei Jungen erziehen und denen eine gute Mutter zu sein.
Doch dann betritt sie die Sackgasse, ein falsches Wort, ein falscher Schritt, eine falsche Aussage und das Gerüst, was so fest im Boden verankert ist, was kein Erdbeben erschüttern kann, beginnt ins Schwanken zu kommen. Grauer Nebel zieht auf und Mathildes Sicht wird getrübt, vor ihr beginnen sich im Boden Löcher aufzutun, Stacheln beginnen sie zu stechen. Der Ruhm, der Glanz, das perfekte liebenswerte Leben beginnt seinen Sinn zu verlieren.
Mobbing
Mobbing. Erst von einer Seite, dann von vielen Seiten. Eine Wahrsagerin prophezeit ihr eine besondere Begegnung, doch diese scheint nicht so mächtig zu sein wie die Sackgasse, in der sie sich befindet. Ein Blick zurück unmöglich, der Blick nach vorne ist nicht unendlich.
Es muss sich etwas ändern, der 20. Mai soll der Tag sein, an dem alles anders werden soll.
Sie hat geglaubt, sie könnte standhalten. Sie hat geglaubt, sie könne es meistern.
Sackgasse.
Selbst das bisher Erlebte beginnt in den Hintergrund zu rücken, die sonnigen Seiten der Vergangenheit, die Sackgasse wird übermächtig.
Delphine De Vigan drängt den Leser in eine Sackgasse. Packt dort kurz vor der Wand die Nadeln aus und sticht erst in den Arm, dann in die Beine. Die Nadel der Wörter fängt am ganzen Körpern an zu stechen, schonungslos, tief. Dann kommen die Schläge, die Wörterschläge im Gesicht, auf der Seele, am Kopf, alles wird getroffen und es schmerzt. Es schmerzt so sehr, ich schreie, schreie Mathilde an, doch sie hört mich nicht. Ich fange an zu verzweifeln, möchte keine Beleidigungen mehr, keine Erniedrigungen, keinen täglichen Spießrutenlauf. Frei sein, ich möchte frei sein, doch Delphine de Vigan fesselt, nimmt gefangen und schnürt mit dem dicksten Strick meinen Hals zu. Kraft schwindet, Tränen fließen und die Sackgasse bleibt eine Sackgasse.
Wie ist es dazu gekommen, wie hat es angefangen?
Eine Karte, die uns beschützt, die uns Kraft gibt, die uns aus dem trüben Wasser des Goldfischglases springen lässt, sollten wir alle haben. Ein Sprung in die frische bunte Welt, in der wir nicht alleine sind, in eine Welt ohne Sackgassen, sollte für alle möglich sein.
„Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin“ – aber ich hatte nicht vergessen, dass ich diese Wunden heilen kann.
Mehr Vigan gefällig? „No & ich„ kann ich genauso sehr empfehlen!