Was soll an sonderbaren Bewohnern und einem Okapi, was einer Großmutter im Traum erscheint, denn besonders lesenswer sein?
Das Thema Hype um Bücher blende ich gleich mal komplett aus, oder? Also ihr wisst ja, dass das Buch gefühlt jeder gelesen hat und ich es nicht lesen wollte. Der Grund: zwei Leky Bücher habe ich gelesen, meine Erinnerungen sind aber nicht mehr so stark, also keine Worte die nachhaltig sind. Jedenfalls kam es dann doch wie es wohl kommen musste – Danke liebe Sharon, für die Zusendung des Buches. Du magst es nicht so sehr, ich mag es sehr und ich begründe gerne, warum.
Schon allein das folgende Zitat ist wegweisend und gibt genau das wieder, was das Buch für mich so besonders macht. Es ist wie ein Okapi.
Das Okapi ist ein abwegiges Tier, viel abwegiger als der Tod, und es sieht vollkommen zusammenhanglos aus mit seinen Zebraunterschenkeln, seinen Tapirhufen, seinem giraffenhaft geformten rostroten Leib, seinen Rehaugen und Mausohren. Ein Okapit ist absolut unglaubwürdig, in der Wirklichkeit nicht weniger als in den unheilvollen Träumen einer Westerwäldlerin. (Seite 14)
Ein Traum von Selma bringt oftmals das ganze Dorf durcheinander. Als ihre Enkelin Luise, Ich-Erzählerin des Romans, 10 Jahre jung ist, passiert es wieder. Selma ist ein Okapi im Traum erschienen. Jemand wird sterben. Im Dort herrscht Umtriebigkeit, denn es kann jeden treffen. Einige Bewohner öffnen sich und geben Geständnisse ab, andere hoffen, dass es sie treffen wird, einige versuchen nachzuhelfen und andere genießen die vielleicht letzten Stunden. Und dann stirbt ein Mensch.
Als Leser hat man das Gefühl, in einer ganz anderen kleinen Welt, abgeschotten von anderen großen Welten, angekommen zu sein. Ein gemütliches Dorf in dem jeder Bewohner eine eigene Macke hat, die ihn liebenswert wert. Aber was soll denn an einem Dorfbuch so besonders sein? Das habe ich mich eben auch immer gefragt, bevor mich Mariana Lekys Worte abholten. Es sind die Charaktere, die meinetwegen ab und an übertrieben wirken, es sind die oft komischen Situationen und es ist auch die Liebe, die ganz unverkitscht spürbar ist.
Ich meine, wann habt ihr zuletzt von einer Elsbeth gelesen, die total abergläubisch ist oder einem Optiker der über Jahre versucht seine Liebe zu gestehen und einen Koffer voller Liebesbriefe (zumindest die Anfänge) hat oder vielleicht von einer Selma die von Okapis träumt? Es gibt noch einen Doktor in Lederjacke, ein betrunkener Jäger, einen Hund namens Alaksa und es gibt Marlies, die traurige Einzelgängerin. Und wenn ihr denkt, dass das alle sind – nein. Ein Mönch aus Japan trifft auf Luise, die eigentlich Martin heiraten wollte.
Ich beschloss, Martin später zu heiraten, weil ich fand, der Richtige sei der, der einem das Hinsehen erspart, wenn die Welt ihren Lauf nimmt. (Seite 52)
Das mag jetzt verwirrend und komisch klingen, ersteres trifft bei „Was man von hier aus sehen kann“ (Dumont) nicht zu.
Oh, ich mag es sehr. Oh, auf jeden Fall, denn Mariana Leky schreibt einfach grandios. Die Sätze sind so ergiebig und auch prägend, obwohl darin allerhand Komik steckt. Es ist ein Buch, was recht neutral ist und sich dadurch wunderbar zum Verschenken eignet. Ich mag es euch sehr empfehlen, da mir die Protagonisten einfach ans Herz gewachsen sind. Jeder im Dort hat seinen eigenen Knall und beim Okapit-Traum werden alle ein wenig geerdet und es gibt einen kleinen Neuanfang.
Leky erzählt so wunderbar, durch Luise. Die Art und Weise hält uns Leser neugierig, denn wir erfahren was passiert ist, aber nicht gleich, wieso es passiert ist. Nach und nach werden einige Situationen von hinten aufgerollt und brennen sich dadurch tiefer ein. Ein Buch was vor literarisch hervorragenden Sätzen trieft und wirklich Spaß macht. Ich vermisse jetzt schon die verschrobenen Charaktere. Hach…
Habt ihr eigentlich „Altes Land“ von Dörte Hansen gelesen? Lekys Roman hat den gleichen Wohlfühlfaktor!