Kukolka … – … schön wie eine Puppe (Seite 219)
K wie Kindesmissbrauch, wie klauen, wie Kinder, wie Kinderheim, wie Kukolka. Schon der eindringliche Blick von Samira, dem kleinen Zigeunermädchen auf dem Cover, lässt erahnen, dass die 375 Seiten von Autorin Lana Lux nicht spurlos an uns vorbei gehen werden. Es wird intensiv, emotional, pervers, grausam, brutal, herzzerreißend und doch ist ihre fiktionale Geschichte realer, als uns allen lieb ist.
„Kukolka“ (Aufbau Verlag) passt im Bücherregal direkt neben „Ein wenig Leben„. Allerdings frage ich mich jetzt, nachdem ich Kukolka gelesen habe, welches Buch mich mehr berührt, bewegt und verstört hat und ob Kukolka nicht noch eine Spur härter ist, da ihr Schicksal kein einzelnes in dieser Art und Weise ist. Ich möchte mit diesen Worten kein Buch in eine Schublade stecken, schwächen oder stärken. Sie sind beide heftig und wir Leser müssen anschließend kräftig verdauen.
Ein Kinderheim namens Sonnenschein ist Samiras Zuhause. Sie hat keine Eltern, ihre Erinnerungen gehen bis zu ihrem fünften Lebensjahr zurück und am schlimmsten ist, dass es im Sonnenschein keinen Sonnenschein gibt. Das kleine schwarzhaarige Mädchen mit der außergwöhnlichen Augenfarbe reißt aus, denn ihr Ziel heißt Deutschland. Dort wohnt jetzt Marion, sie wurde vor wenigen Tagen adoptiert und ist gut angekommen. Samira möchte auch ein Leben voller Sonnenschein. Weiter als bis zum Bahnhof schafft sie es nicht. Ein 7-jähriges Mädchen wird belächelt, böse beguckt (immer diese furchtbaren Zigeuner) oder von Männern, wie Rocky, aufgesammelt und mitgenommen.
Kukolka – Püppchen
Endlich, es ist nicht Deutschland, aber es ist ein neues Heim mit anderen Kindern, denen es geht wir ihr, vielleicht sogar noch schlimmer. Jedes Kind hat eine düstere Vergangenheit und hat mehr Lebensnarben als so mancher Mensch, der schon viele Jahre lebt, aber es ist trocken, es gibt regelmäßig essen, es gibt einen Schlafplatz und ihre neue Arbeit, betteln und klauen, meistert Samira nach anfänglichen Schwierigkeiten sehr gut. Rocky tauft Samira in Kukolka, sein Püppchen, um und lässt sich gern von ihr massieren, schließlich kann sie ihm dankbar sein, er ist ihr Retter…
„Liebe ist Vertrauen. Das habe ich mal auf einer Werbung für Kondome gelesen. (Seite 308/309)
„Wie du das Jahr beginnst, so wirst du es auch verbringen.“ (Seite 296)
Samira wird zu Rockys Lieblingsmädchen. Doch das Glück ist auf ihrer Seite, nachdem erneut dunkle Tage überstehen muss und sie trifft Dima. Sie widersetzt sich den Regeln und vertraut sich dem jungen Mann aus reichem Hause an. Nach Tagen fasst sie Mut und verlässt erneut ihr Zuhause, um bei Dima endlich die Liebe zu finden, die sie verdient und sucht und um durch ihn nach Deutschland, zu Marion, zu kommen.
Ach Samira, was bist du mir schnell ans Herz gewachsen und was habe ich deine Hand gehalten, während du so abartig leiden musstest. Was versuchte ich dich zu warnen, da du durch deine natürlich kindliche Naivität und die fehlende schulische Bildung die Gefahren nicht sehen konntest. Was setzte ich mich selbst mit dir in die Lebensnesseln, da auch ich vertrauen wollte und dir die Liebe so sehr gönnte. Du warst mir so nah, da du in deiner unschuldigen Sprache erzähltest und jederzeit so authentisch bliebst und deine Phantasie oft ein rettender Anker war.
Wichtig und erschütternd zugleich
Lana Lux hat einen wichtigen Roman geschrieben, der uns Lesern bewusst man, welche Schicksale noch immer hier bei uns in Deutschland hinter manchen Hauseingängen und in unseren Nachbarländern lauern. Ich musste die Autorin nach diesen eindringlichen Seiten kontaktieren, um ihr meine Lesegefühle zu geben und um ihre Schreibgefühle abzuholen. Über dieses Buch muss gesprochen werden und mir brannten Fragen auf der Leseseele, welche Lana innerhalb weniger Minuten beantwortete. DANKE.
Der Roman ist hart, ich habe gleich zu Beginn verdeutlicht, das uns Lesern viel abverlangt wird. Und doch ist der Inhalt so wichtig und erschütternd zugleich. Ich konnte mich beim Lesen kaum bremsen, habe die Jahre an Samiras Seite in wenigen Stunden durchlebt und halte noch immer ihre Hand. Ich werde noch lange über dieses Buch nachdenken, denn das Ende hat nachgetreten.
Passt auf euch auf, Samiras dieser Welt! Träneverdrück