Monat: September 2016

Nachtigall, ick hör dir trapsen

Die Nachtigall ~ Kristin Hannah
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah

Ihr kennt die Redewendung mit der Nachtigall? Ich hatte keine Vorahnung, als ich mich in den Roman von Kristin Hannah begeben habe. Aber ihr habt eine Vorahnung, was ich gleich tun werde, richtig? Ich bin meiner inneren Lesestimme und dem Gesang der Nachtigall gefolgt und kann euch nur empfehlen, es ebenfalls so zu machen. Ihr werdet es nicht bereuen. Wer an der Nachtigall vorbei liest, dem ist nichts mehr zu empfehlen. Ja, so ist es!

Und ja, es geht um Krieg in diesem Roman. Aber ihr müsst keine Angst haben, dass ihr eine Geschichte erzählt bekommt, die euch langweilen oder ohne Emotionen zurück lassen wird. Garantiert nicht!

Lustig ist, dass ich diese ersten Sätze hier schrieb, als ich noch um die 170 Seiten vor mir hatte. Genau gestern Abend um die Zeit, ahnte ich noch nicht wirklich, was mir passieren wird. Obwohl der September schon fast um ist, habe ich nur in der Nachtigall lesend getaucht. Die mehr als 600 Seiten haben mich keinesfalls gelangweilt und ich habe sofort mit den Protagonisten sympathisiert und vor allem mitgefiebert, es lag schlicht und ergreifend an meiner persönlich nicht vorhandenen Lesezeit. Wenn ich aber die Nachtigall geöffnet habe, habe ich sie kaum zum Schweigen bringen können.

Die Nachtigall singt

Alles begann so harmlos, so ruhig und dennoch mit dieser Unterspannung, die wir als Leser immer wieder gern fühlen. Das mich gleich die ersten Worte von Kristin Hannah so umhüllen, habe ich nicht erwartet. Klar, der Roman wurde schon vor der Veröffentlichung in Deutschland hoch angestimmt und der Buchwerbung konnte man im sozialen Netzwerk kaum aus dem Weg gehen. Doch das hat nichts zu bedeuten, wie wir Leser auch immer wieder erfahren. Man ist sogar ab und an versucht, an hochgelobten Bestsellern vorbei zu lesen. Zumindest geht es mir so. Die Nachtigall allerdings hat laut gezwitschert.

Die Nachtigall ~ Kristin Hannah
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah

Wir befinden uns in Amerika, genau Oregon und schreiben das Jahr 1995. Wir treffen auf eine Mutter und ihren Sohn. Sie ist alt, krank und ein letzter Umzug steht an. Sie hat nur einen Wunsch – die alte Schachtel mit Erinnerungen, die sie über dreißig Jahre nicht geöffnet hat, muss mit. Auf diesen knappen sechs Seiten wird uns Lesern nur ansatzweise klar, was uns erwartet. Das ganze Ausmaß können wir nur erahnen, denn Worte wie „In der Liebe finden wir heraus, wer wir sein wollen; im Krieg finden wir heraus, wer wir sind.“ (Seite 7) sind nur der kleine Anfang einer großen fast unbeschreiblichen Tiefe, die zwischen dem ganzen Schmerz, dem ganze Leid, trotzdem möglich ist.

Wenn es am Schönsten ist, soll man aufhören? Geht dieser Spruch nicht so? Die Sonne lacht, die Blumen blühen, Vianne liebt Antoine, Antoine liebt Vianne und ihre achtjährige Tochter Sophie ist glücklich. Ein Lebenshöhepunkt der kleinen Familie findet ein Ende, denn dieser Lebenshöhepunkt findet im Jahr 1939 statt, in Frankreich. Der Krieg ist unabwendbar. Die Deutschen rücken ein.

Die Deutschen kommen nach Frankreich

Will ich euch noch mehr erzählen? Soll ich euch noch mehr erzählen? Mir fallen die Worte schwer, denn ich habe einen Tränenschleier vor den Augen. Gestern Abend habe ich über 20 Minuten am Stück geweint. Alles begann so harmlos, ja, das betone ich noch einmal, zumindest habe ich immer noch das Gefühl, dass es sich so angefühlt hat. Aber dann kam der Hammer, der Hammer namens Emotionen. Er hat zugeschlagen, immer und immer wieder, mitten auf mein Herz. In mir hat sich ein Film abgespult, die Gewalt des Krieges hat sich mit seinem Schmerz entladen. Gleichzeitig wurden mir die Augen geöffnet, denn wir haben es gut, wir haben keinen Krieg, zumindest nicht vor der Haustür.

Die Nachtigall ~ Kristin Hannah
Die Nachtigall ~ Kristin Hannah

1939/1995

Isabell ist Viannes Schwester. Ihr Leben ist noch nie so am Blühen gewesen, wie das von Vianne. Ein richtiges Zuhause hatte sie nie, sie ist nie angekommen und konnte nie ankommen. Sie ist ein Rebell durch und durch und ist schon in jungen Jahren der Meinung, dass sie eine Kriegsheldin werden könnte. Isabelle wird zu Juliette Gervaise und sie hat ein Ziel vor Augen. Der Krieg kommt, die Nachtigall beginnt zu singen und ein kurzer intensiver Hauch Liebe fliegt durch die Luft, als sie flüchten muss.

„Liebe Leser, manchmal kommt eine Geschichte einem nahe und überwältigt einen geradezu,…“ (Seite 603) – Kristin Hannahs Worten tauchen zwischen meinen Tränen auf. Mich hat ihr Roman überwältigt und durch und durch gerührt. Mag man noch so viel über den Krieg gelesen haben, mag man noch so angeödet sein, vom immer wiederkehrenden Thema Krieg und mag man noch so sehr das historische Genre meiden, sollte man hier einfach nicht weglesen. So nah, so intensiv, so historisch tief, so realistisch – so verdammt nah dran und zwar an unzähligen Schicksalen. Die Nachtigall singt nicht nur hoch, sondern auch tief, sie ist voller Hoffnung, aber auch Schmerz, Leid und unbeschreiblicher Trauer. Ihr Schnabel ist spitz, ihre Federn sind mit dem Schicksal in Berührung gekommen, aber trotz allem Negativen, gibt es die Liebe.

Eigentlich möchte ich nichts weiter sagen, nur dieses eine Wort: LESEN. Ihr trefft auf zwei Schwestern, die völlig unterschiedlich sind, auf Juden, auf Besatzer, ihr erlebt den Krieg so nah es literarisch möglich ist und erlebt zu keiner Zeit unrealistische Oberfläche. Die Leben dieser Charaktere werdet ihr nie vergessen, denn diese Leben hat es tatsächlich, leider, gegeben.

Nachtigall

Und mag es noch so lächerlich klingen, aber der Roman hat mir wieder das Gefühl gegeben, damals gelebt zu haben, dabei gewesen zu sein. Das musste ich Arndt schreiben und gleichzeitig habe ich ihn gebeten, nicht zu lachen. Er antwortete mir: Empathie nennt man das. Und wir haben damals gelebt, da die Erinnerungen unserer Vorfahren in uns ruhen. Davon bin ich zutiefst überzeugt.“

Nachtigall, ick hörte dir trapsen. Das ich dich so sehr höre, habe ich einfach nicht erwartet. Kristin Hannah – ich verneige mich tief vor dieser Erzählkunst über ein Thema, was so sensibel ist und genauso beschrieben werden muss, damit es einschlägt, wie eine der verdammten Bomben…

„Es ist nicht das Vergessen, das wir nötig haben, Vianne…Es ist die Erinnerung.“ (Seite 545)

Eure
literatwo_banner

Der Zirkus der Stille ~ Peter Goldammer

Der Zirkus der Stille ~ Peter Goldammer
Der Zirkus der Stille ~ Peter Goldammer

Habt ihr schon gesehen, dass der Zirkus in der Stadt ist? Auch buchig hat er Einzug in Dresden gehalten.  Allerdings handelt es sich um keinen normalen Zirkus, sondern um Der Zirkus der Stille (Atlantik) von Peter Goldammer. Vorhang auf? Manege frei? Seid ihr bereit?

Achtung, bitte nicht so drängeln, denn ganz so, wie ihr euch den Zirkus vorstellt, wird es nicht. Verabschiedet euch ganz schnell von den trubeligen Zirkusgedanken, denn wir ihr am Titel schon erkennen könnt, wird es eher still, als laut. Doch geht das überhaupt? Wird es Peter Goldammer schaffen, still zu faszinieren?

Im Mittelpunkt der Manege steht Thaïs Leblanc. Doch genau aus dieser Manege will sie ausbrechen. Ihr Ziel ist es, Abstand von der Großmutter Victoria zu bekommen, ihr Ziel ist die Normalität. Sie erhofft sich diese zu finden und zwar in der Großstadt Paris. Thaïs möchte ihre Liebe leben, Geld verdienen und genießen. Schon lange hat sie keine Eltern mehr und kommt gut in ihrem Leben klar. Die Nachricht, dass ihre Oma nun gestorben ist und sie verantwortlich für die Bestattung und den Nachlass ist, bringt den Takt ihres Lebens durcheinander. Lange hatte sie keinen Kontakt mehr zu ihrem einzigen noch lebenden Familienmitglied und nun ist auch kein Kontakt mehr möglich, außer an den Ort zu fahren, an dem sie die letzten Lebenszeiten verbrachte.

„Ich war so versessen darauf gewesen, ein normales Leben zu führen, dass ich mich nie gefragt hatte, ob ein normales Leben auch ein gutes Leben war.“ (Seite 58)

Und plötzlich gibt es den „Cirque perdu“…

Der Zirkus der Stille ~ Peter Goldammer
Der Zirkus der Stille ~ Peter Goldammer

Cirque perdu

Ein Zirkuszelt, merkwürdige Gestalten und eine außergewöhnliche Beerdigung – mit diesen Dingen wird Thaïs konfrontiert. Will sie nicht eigentlich überhaupt nichts über ihre Vergangenheit, über ihre Familie, vor allem über ihre Oma wissen? Geheimnisse wachsen plötzlich aus dem Boden wie die Pilze aus fruchtbarem Waldboden. Thaïs beginnt sich auf die Suche ihres Lebens zu machen, auf eine Suche die völlig anders ist, als man sie sich vorstellen kann.

„Verlust ist die andere Seite der Liebe“ (Seite 215)

Laufen wir vor unseren Gefühlen weg? Haben wir genug Mut uns auf eine unbekannte Zukunft einzulassen? Finden wir uns selbst oder irren wir immer mehr in einer schmerzvollen Lebensmanege umher? Gibt es Herrn Schicksal? Ziehen uns Lebensereignisse den Boden unter den Füßen weg und lassen uns feste Wege verlassen?

Peter Goldammer erzeugt in uns Fragen, die uns mit fortschreitenden Seitenzahlen immer mehr beschäftigen. Bewusst und unterbewusst. Währenddessen begleiten wir seine Protagonistin mit der wir uns schnell identifizieren und anfreunden können. Und wir halten eine Trauerschnur mit Knoten in der Hand, die gleichzeitig eine neue Zeitrechnung ausmachen…

Der Zirkus der Stille ~ Peter Goldammer
Der Zirkus der Stille ~ Peter Goldammer

Stille

„Leben ist, wenn etwas dazwischen kommt.“ (Seite 246)

Viele solche Zitate könnte ich in diesen Artikel einbauen, denn Goldammer schöpft mit tiefen Worten, um uns Leser zu erreichen. Ganze Absätze könnte ich hier zitieren. Sätze die mich bewegt haben, die so voller Liebe und gleichzeitig voller Schmerz stecken und trotzdem nach vorne blicken lassen und Kraft geben. Sätze die uns milder machen, die uns bremsen und zeigen, was wirklich zählt. Wir sind wir und haben unser Lebenszepter selbst in der Hand. Es bringt nichts die Vergangenheit in die Zukunft zu holen und sich an Ersatz wie Geld, Hass und Drogen festzuhalten. Leben…vergeben…

Obwohl ich das Buch nun schon vor längerer Zeit gelesen habe, steht mir der Mund immer noch offen. Der Grund? Das Ende. Ich werde es wohl nie in Worte fassen können. Vielleicht findest du Worte dafür, dann lasse sie mich gern wissen. Bis dahin behalte ich meinen Mund offen und schwelge im Gefühl der Faszination von diesem Kunstgriff auf Seite 254…

„Wir sind alle so viel mehr“ (Seite 181)

Eure
literatwo_banner

Hool ~ negative Fasziniation

Hool
Hool – extrem

Hool

Es gibt Buchtitel, die provozieren einfach. Zumindest mich. Buchtitel wie Tu dir weh, Blutsbrüder oder eben dieser hier – „Hool“. Das Design in schwarz-weiß und die Schriftart verstärken die Provokation nur noch. Gut so, denn Bücher dürfen das und ich habe nicht lange standhalten können. Ich habe mich innerhalb kurzer Zeit durch den Roman gehoolt. Nicht weil er auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2016 steht, sondern weil mich das Thema einfach interessiert. Ich bin der extremere Lesetyp und ich mag außergewöhnliche Bücher und ich bin Fußballfan und ich kenne so einige Geschichten aus meinem Umfeld zum Thema. Und genau aus diesen Gründen habe ich es gelesen. Vielleicht sogar ein wenig mitgehoolt…

Gleich auf der ersten Seite lese ich den Namen meiner Heimatstadt. Das bleibt wohl bei diesen Büchern nicht aus und gehört wohl auch dazu. Der wilde Osten. Doch Autor Philipp Winkler bleibt im Westen Deutschlands und beschreibt gleich zu Beginn den ersten Zusammenstoß zweier Fangruppen in einem abgelegenen Stück Wald. Hannover gegen Köln – Köln gegen Hannover. Die Gruppe um Axel ist eindeutig stärker. Axel ist der Anführer der Hannoveraner Hooligans und gleichzeitig der Onkel von Hauptprotagonist und Anführeranwärter Heiko Kolbe. Zähne werden herausgeschlagen, es wird getreten und geschlagen, es blutet, Ohnmachten sind nahe und am Ende liegen die Verlierer und die Gewinner stehen und eilen möglichst unbemerkt zurück in ihren Heimatort. Ein ganz normales Match. Ein Match, ein Wettkampf, ein Zeigen, ein Beweisen, ein Adrenalinrausch der bald wiederholt werden will, sobald die Blessuren verheilt sind.

Hannover – Braunschweig

Das Gym von seinem Onkel ist Heikos Heimat. Mehr hat er nicht, nachdem er ohne Abschluss im Leben angekommen ist. Seine Familie ist keine mehr und war auch keine. Die Mutter ist weg, der Vater ist nach einem Unfall Alkoholiker und hat seine Freundin Mie aus dem Fernen Osten an seiner Seite und die Schwester Manuela versucht irgendwie eine Art Familie zu schaffen und ihren Vater zu retten. Erfolglos.

Hool
Hool – harte Literatur

In der Mukiebude gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Medikamenten, es gibt Drogen und es gibt Muskelkraft. Das nächste Match wird geplant und Heiko will sich, vor allem aber Axel beweisen, dass er ein guter Nachfolger ist. Er lebt in seiner Rolle als Hooligan und kann es sich einfach nicht verkneifen, den Braunschweigern aufzulauern. Überraschungen können sich aber auch als negativ herausstellen. Seit dem letzten Sieg scheint sich eine Pechsträhne mit zusätzlichen Veränderungen anzubahnen. Die Braunschweiger haben sich nicht unterkriegen lassen, sondern konnten regelrecht vernichten und auch das nächste Match geht gründlich daneben. Rache ist angesagt, denn was Kai angetan wurde, kann Heiko nicht akzeptieren.

Gewalt

Heiko Kolbe führt uns als Ich-Erzähler nach und nach sein Leben vor Augen und lässt uns schwer schlucken. Er steckt in seinem Hooligan-Sumpf und treibt von Match zu Match, da keine anderen Lebensperspektiven vorhanden sind. Seine Zuhause ist eine abgelebte Wohnung im Haus von einem Bekannten. Auf dem Grundstück gibt es nicht nur Kampfhunde, sondern seit kurzer Zeit auch einen Tiger. Er könnte ausbrechen, schließlich hat er sonst ein zivilisiertes Leben, ist clean und auch nicht dumm. Auch ist er kein Mitläufer, der bedauert werden muss, weil er einen schwachen Kampfgeist hat. Aber der Wendepunkt naht, denn scheinbar kommt jeder im Leben um das Wort „Erwachsenwerden“ nicht drum herum.

Natürlich sind wir alle erwachsen, doch irgendwann gibt es das Erkennen, wo der wahre Sinn im Leben ist. Heikos Umfeld verändert sich und Hools werden zu Familienvätern oder intensivieren andere Hobbys und erfüllen sich damit Lebensträume. Heiko sieht sich selbst aber als Rächer, denn was Kai angetan wurde, kann er nicht akzeptieren. Aber Kai hat sich ebenfalls verändert und trägt das was ihm angetan wurde mit Würde. Zumindest versucht er es und akzeptiert seine nahende Blindheit als Quittung für die vergangenen Jahre als extremer Hool.

Hart

Hool
Hool – Gewalt

Philipp Winkler nimmt uns in seinem Roman mit in eine andere Welt. In die Welt des Kampfsports außerhalb des Fußballstadion. In eine illegale Welt die sich schmutzig anfühlt. Durch Heiko lässt er uns alle Facetten spüren und wirbelt beim Lesen immer wieder dumpfe Gefühle mit säuerlich bitterem Geschmack auf. Und doch geht es nicht nur ums Gekloppe, um mich so auszudrücken, wie Winkler vorwiegend schreibt. Der Roman ist tiefer angelegt, als vielleicht anfangs zu vermuten ist. Dass das Werk nicht in einer hochliterarischen Sprache verfasst werden kann, ist an dieser Stelle wohl selbsterklärend.

Hool hinterlässt viele Spuren und Gefühle. Hool hinterlässt aber nicht nur Schmerz, Dreck, Ekel und massive Gewalt, sondern auch ein Stück Hoffnung.

Hool lässt tief denken, bewegt, erschüttert und beinhaltet dennoch negative Faszination.

Hool ist eine Art Verkehrsunfall – grausam und schlimm, aber wegschauen kann man trotzdem nicht.

Hool ist ein Stück harte Literatur die sich zu lesen lohnt!

Eure

literatwo_banner

Wir Glücklichen ~ Amy Bloom

Wir Glücklichen ~ Amy Bloom
Wir Glücklichen ~ Amy Bloom

Wer das Cover sieht, denkt an Sommer, zwei Freundinnen und an lockerleichtem Inhalt, der sich wegliest, wie ein Tag am Strand. Oder irre ich mich? Sollte ich sagen: Vorsicht Coverfalle?

Das Buch trägt den Titel „Wir Glücklichen und ist aus der Schreibfeder von Amy Bloom. Immer wenn ich in der Buchhandlung um das Buch herumgeschlichen bin, habe ich mir gedacht, dass es für den Strand gut geeignet ist. Oder noch besser – fürs Lesen auf der grünen Wiese, gemeinsam mit einer Freundin. Sommer – Sonne – relativ leichter und schnell konsumierbarer Stoff. So jedenfalls meine Gedanken.

Zum Glück habe ich den Bloom-Roman nicht draußen begonnen, sondern an einem recht verregneten Sommertag, gemütlich auf dem Sofa. Das Buch benötigt eine ruhige Umgebung, in der man sich tief ins Thema fallen lassen kann. Ja, auch wenn es nach Hollywood geht

Wir Glücklichen ~ Amy Bloom
Wir Glücklichen ~ Amy Bloom

Hollywood und Tarotkarten

Aber auch in Hollywood gibt es nicht nur Stars und Sternchen und es nicht alles aus Gold, was glänzt. Das spürt Iris am eigenen Leib und ehe sie sich versieht, steht sie nicht auf der großen Bühne und feiert Karriere, sondern macht mit der anderen Seite des Vorhangs Bekanntschaft. Eva kann die Träume der Schwester nicht nachvollziehen, aber sie steht an ihrer Seite.

Nur weil man vom gleichen Stamm ist, heißt es nicht, dass man alles mögen muss, was der andere mag. Die zwei Schwestern kennen sich noch nicht lange, aber schon nach wenigen Minuten ist ersichtlich, dass sie sich ähneln wie Tag und Nacht. Iris ist die Sonne, Eva ist der Schatten und ihre Eltern – über die brauchen wir hier nicht wirklich reden. Die Mutter hat Eva vor der Tür des Vaters und Halbschwester Iris abgesetzt. Der Vater allerdings hat mit seinem eigenen Leben zu tun und Iris und Eva bleibt nur die eine Möglichkeit namens Zusammenhalt.

Während Eva die Rolle des Schattens hinnimmt, versucht sich Iris in der Sonne zu aalen. Ihre Halbschwester unterstützt, wo sie nur kann. Sie organisiert, sie hilft aus, sie achtet auf das Umfeld und schmeißt förmlich den Haushalt. Sie sucht weder sich selbst, noch lebt sie Hobbys aus.

Iris allerdings liebt und lebt ihre Neigungen aus, auch die lesbische, auch mit Ehemann. Der Ehemann legt seine Leidenschaften in Briefe, allerdings nicht an Iris.

Wir Glücklichen ~ Amy Bloom
Wir Glücklichen ~ Amy Bloom

Waage

Amy Bloom vereint in ihrem Werk überwiegende die pure und relativ normale Realität, so will ich es nennen. Es gibt einen Anfang und ein Ende. Es gibt die Vergangenheit und die Zukunft und jede Menge Protagonisten, die mit ihren schrägen Adern und außergewöhnlichen Charakteren ständig für neue Aufgaben im Leben von Eva und Iris sorgen. Das fängt schon bei der Mutter an und hört nicht beim Vater aus. Es gibt Krieg und Frieden und es gibt Briefe und vor allem Emotionen durch und durch. Aber auch die Langatmigkeit und die Spannung sind vertreten.

Wäre das Buch kein Buch, dann wäre es wohl eine Waage. Jeder Leser findet sich darin, denn im Roman tobt das Leben mit allen schönen und traurigen Seiten. Mit den miesen trüben und auch den glänzend sonnigen.

Auch wenn ich nicht auf dem Lausitzring gelesen habe, war es die richtige Entscheidung es mit dahin zu nehmen. Wie der Ring, so der Inhalt – mal ganz gerade, dann kommen Kurven und sehr enge Stellen. Es wird laut und leise und es gibt Seiten auf denen ein Boxenstopp nötig ist. Das Leben ist kein Kreis, sondern eine ständige Herausforderung und Amy Bloom lässt uns dies anhand der Lebensgeschichten aus den 30-er und 40-er Jahren spüren.

Und die Besonderheit am Roman dürft ihr nicht übersehen: eine Playlist passend zu den Kapitelüberschriften.

Eure
literatwo_banner