Scheiße ist braun – Nazis auch.
Eine tiefe und lange Freundschaft verbindet die beiden Jungen Darius und Hakan aus Berlin Kreuzberg. Seit der Grundschule sind beide ein Team und haben schon viel gemeinsam erlebt, was sich jetzt im Teenageralter ausweitet und gleichzeitig aber auch an Gewalt zunimmt. Darius würde alles für seinen Blutsbruder Hakan tun. Er selbst ist ein guter Schüler, er möchte in seinem Leben etwas erreichen und vor allem anders werden als sein Vater. Dieser ist Alkoholiker noch dazu schlägt er Darius. Er will weg, raus, ein eigenes Leben ohne Probleme und Gewalt.
Gewalt spielt bereits sein Leben lang eine große Rolle für ihn, denn gemeinsam geht er mit Hakan gegen deutsche Neonazis vor. Aktionen werden geplant und durchgeführt, um ein friedlicheres Umfeld zu bekommen. An einigen Stadtteilfronten konnte gegen diese bereits erfolgreich vorgegangen werden, Hakan und Darius konnten sich wehren und behaupten. Sie halten zusammen und würden immer ihre Hand für den anderen ins Feuer legen. Allerdings wird Hakan immer rebellischer, er ist selbst Türke, sein Hass gegen seine Landsleute wird aber jedoch immer stärker, er kann sich deren Meinungen nicht anschließen und will sich vor allem nicht unterordnen. Für ihn gibt es wenig Perspektiven im Leben, er rutscht immer mehr auf die falsche Bahn ab, die beiden Jungen entwickeln sich in entgegengesetzte Richtungen. Er fühlt sich als Deutscher, möchte sich nicht das Jubeln für die deutsche Nationalmannschaft während der WM verbieten lassen. Die türkischen Jungen, vor allem der Ganganführer Emre, duldet dies nicht, sein Stolz ist die Türkei. Langsam sind die ausländischen Teenager in seinem Viertel schlimmer als deutsche Neonazis. Hakan gerät in Rage, seine Wut steigert sich und es gibt nur einen Ausweg diese Wut zu beseitigen. Gewalt. Darius sieht für sich keine andere Lösung, als auch jetzt bei zu stehen, für seinen Blutsbruder da zu sein und nicht zu kneifen. Die Freundschaft steht auf dem Spiel, allerdings auch Darius bisher noch unvorbelastete Zukunft, die er sich mit aller Kraft zu erhalten versucht. Eine Zerreisprobe – Gewalt oder Leben – alles steht auf dem Spiel und die Fäuste beginnen zu zucken, der Countdown läuft, ein unumgänglicher Showdown steht bevor.
Für mich ein interessantes Buch, denn Berlin-Kreuzberg und die dort herrschende Gewalt, wird in den Medien immer wieder erwähnt. Wieder wurde jemand zusammen getreten, schwer verletzt oder gar getötet. Rivalität, Neonazismus, das Verletzen der Ehre oder des Stolzes sind Auslöser. Ausländer gegen Deutsche, deutsche Ausländer gegen Ausländer, ausländische Deutsche gegen Deutsche, es gibt viele Gruppen, die nicht miteinander klar kommen. Die Gründe liegen oft tief, sind von außen nicht nachvollziehbar und vor allem unverständlich. Gewalt ist ein Thema, zu dem jeder seine persönliche Meinung hat. Michael Wildenhain lebt selbst in diesem Viertel, er kennt einige Jugendliche und weiß, wie diese dort leben, sich verhalten und die Situationen untereinander sind. Daher wirken für mich die Charaktere nicht klischeehaft, sondern alle Romanfiguren sehr authentisch. Warum die Ausdrucksweise verändern und andere erfinden, warum irgendetwas verstellen, nur um sich abzuheben. Ein Roman, der mir persönlich unter die Haut ging, der sich spannend liest und bei mir längst verdrängte Bilder hervor holte. Hooligans, Neonazis oder einfach nur gewaltbereite Jugendliche, die Blut fließen sehen wollen, wird es immer geben, nicht nur in Kreuzberg, doch dieses Buch bewirkt das Nachdenken in einem selbst. Wie hätte man gehandelt, wenn man Darius wäre, wie oft habe ich gedacht, stop Darius mach das nicht und wie oft habe ich beim Lesen meine Fäuste geballt aus Hass, aus Wut, aber auch aus agressiver Traurigkeit.
Ein Spagat zwischen Extremismus und Nicht-Rechtsextremismus, der gekonnt sein will und gekonnt dem Leser nah gebracht wird. Eine unbewusste Aufforderung zum Nachdenken über das, was täglich geschieht, und vor allem über die eigene Verhaltensweise gibt der Autor ganz still und leise, ohne aufzufallen.
Blutsbrüder – Blut ist dicker als Wasser, aber dort, wo Blut vergossen wurde, wird immer ein Fleck der Erinnerung und des Schmerzes bleiben.
Blutsbrüder – emotional, gewaltig, realitätsnah.
Blutsbrüder – ein ergreifender Einblick in die Gewaltsszene und ihre Auswirkungen.
Der Junge heißt Hakan und Harkan.
Du hast Recht – da hat mir wohl Harkan besser gefallen 😉 Danke für den Hinweis, ist verbessert.