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NEIN!

Das Wort NEIN kann man verschieden aussprechen und auch verschiedene Gefühle dabei haben. Dieses NEIN ist ein Nein, was mich in einen regungslosen Zustand versetzt, mir den Atem raubt und ich mich fühle als ob ich in ein tiefes Loch weit unten falle, ohne Boden. Ein Nein was ich schon einmal fühlte, aber aus diesem Nein konnte ich dennoch etwas machen. Ich konnte noch irgendwie handeln, die gefühlte Endgültigkeit irgendwie stoppen. Das funktioniert zum Glück in der Realität ab und an, mit viel Kraft, sehr viel Kraft, aber bei einem Romanende funktioniert es eben nicht.

So endete für mich „Linna singt(Script5) von Bettina Belitz. Ich hoffte ein paar Tränen wären alles, doch NEIN war das Ende, was nicht gleichzusetzen mit dem Tod ist.

Bettina Belitz war für mich, ich kann es leider nicht anders sagen, eine Autorin von der ich keine Bücher mehr lesen wollte. Das klingt hart, ist es auch. Aber, ja es gibt ein aber, was ich begründen möchte. Ich las „Splitterherz“ verliebte mich in den Roman und wartet auf die Fortsetzung. “Scherbenmond” ließ die Liebeflamme erlöschen, durch zu viel Fantasykitsch und Vorhersehbarkeit und es gab keinen Grund, noch Teil drei der Trilogie zu lesen. Es war definitiv zu Ende für mich und es sollte keinen weiteren Versuch geben.

Das Schicksal allerdings trieb mir „Linna singt“ in meine Hände. Das Gefühl, dass dieser Roman etwas komplett anderes ist, ließ es mich lesen. Bettina Belitz wagt eine Art Neuanfang mit ihrem Schritt in eine andere Zielgruppe. Ein Roman für junge Erwachsene, kein Mehrteiler und da ein Neuanfang, ein Neuanfang ist, wollte ich diesen doch auch wagen.

Lavinia, die 24-jährige und ehemalige Frontfrau einer fünfköpfigen Band, wird Linna gerufen. „Linna singt“ die Band war ihr Leben und existiert seit fünf Jahre nicht mehr. Sie hat die Band aufgelöst und die Mitglieder haben seit diesem Tag keinen Kontakt mehr. Sie selbst hat seit diesem Tag keinen Versuch mehr gewagt zu singen, versucht von allem Abstand zu bekommen. Ein Ereignis hat sich allerdings fest in ihr verankert und sie von Tag zu Tag begleitet. Nun erreichte sie ein Brief, in dem sie erfährt, dass die Band noch einmal auftreten soll, nach fünf Jahren. Mit gemischten Gefühlen begibt sich Linna auf den Weg zu Maggie, ihrem Zwillingsbruder Simon, Jules, ihrem ehemalig bestem Freund und Falk.

Der Tag des Wiedersehens ist eisig, distanziert und ohne jegliche Gefühle. Alles ist anders, alle fünf haben sich verändert, zudem ist noch jemand völlig fremdes, Tobi, anwesend. Linna möchte am liebsten sofort wieder verschwinden, sie fühlt sich unwohl. Es war sowieso eine falsche Entscheidung die Einladung anzunehmen, denn sie singt nicht mehr, wird nicht mehr singen und weiß einfach, dass sie nicht singen kann.

Fünf Jahre, zwar nicht ohne Musik, denn verschiedene Lieder hat sie immer wieder im Kopf, aber ohne eigenen Gesang.

Als ihr eröffnet wird, dass die Proben nicht in dem ehemaligen Bandraum, sondern auf einer Hütte weit oben auf einem Berg stattfinden sollen, wird ihr noch mulmiger zumute. Allein mit den ehemaligen vier und Tobi, dessen Onkel ihnen den Aufenthalt in der einsamen Hütte ermöglicht, zu verreisen, scheint ihr unmöglich. Ihr Innerstes sträubt sich dagegen, doch die Fahrt in die Hütte, ihre Hölle, beginnt.

Vorweg muss ich sagen, dass mich der Roman mehr als überzeugt hat. Bereits die Aufmachung des Romans ist sehr edel, stilvoll und prächtig. Unter dem Schutzumschlag verbirgt sich ein rotes, verspieltes Rankenmuster und auch der Umschlag selbst, strahlt vieles aus. Ein helles blau, es wirkt eisig und spiegelt die Winterzeit nach außen, aber auch die Protagonistin Linna ist kalt. Wie das abgebildete Schneewittchen wirkt sie, eingeschlossen in einer glasigen Hülle. Sie ist schön, sie hat lange Haare, sie ist ein Männermagnet und wird von vielen begehrt.

In der einsamen Hütte beginnen nicht wie erhofft die Proben der ehemaligen Band, sondern es beginnt ein Spiel ohne Musik. Ein Spiel mit der Psyche, was Linna an den Rand des Wahnsinns treibt. Scheinbar geht es nicht um die Musik, sondern um sie selbst. Falk kann sich an einen gewissen Berührungspunkt in der Vergangenheit nicht mehr erinnern, Maggie ist feindlicher denn je und auch Jules ist abweisend und kein Freund mehr. Simon ist in sich gekehrt und Tobi scheint der einzige zu sein, der ihr gegenüber neutral ist. Linna ist gekränkt, Hass liegt in der Luft und seit der Lawine und dem anhaltenden Schneefall ist kein Entkommen mehr möglich. Sie wollte von jetzt an immer die Wahrheit sagen, geht mit offenen Herzen auf alle zu und sucht nach positiver Energie. Doch alles was bleibt, sind Botschaften an einer Wand, als deren Verfasserin sie beschuldigt wird.

Dabei bleibt es allerdings nicht, denn diese waren nur der Anfang. Die in der Luft liegende Gefahr wird immer greifbarer, brennt sich unter die Haut und zerrt an den Nerven. Sie wird gequält, seelisch verletzt, beschuldigt und tagtäglich aufs neue tyrannisiert. Das Tor zur psychischen Hölle öffnet sich weiter und weiter.

Der Autorin gelingt es, auf den Leser den gleichen Druck auszuüben, welcher auch auf Linna lastet. Ein Entkommen aus dem Roman ist ebenso unmöglich, wie aus der Hütte. Ein Kampf beginnt, der über 500 Seiten ausgefochten werden muss, vorher wird es die ersehnte Ruhe nicht geben. Das Spiel, dessen Spielführer unbekannt ist, muss beendet, der Täter enttarnt werden und zudem gibt es noch wichtige Gespräche die geführt werden müssen.

War mir Linna anfangs doch sehr befremdlich und unsympathisch, zeigte sie mir schnell, warum sie so ist und was sich hinter ihrer unsichtbaren Glaswand befindet. Die Musik steht auch ohne Gesang im Vordergrund, denn diese tobt in den Köpfen der Protagonisten und alle Kapitel beginnen mit einem Titelnamen von Mike Oldfield. „Shadow on the wall“ – dieser Titel dürfte für viele ein Begriff sein, genau wie der Song „Moonlight Shadow“, gesungen von Maggie Reilly.

Knappe 20 lange Kapitel, eins spannender und packender als das andere, steigern den Roman in einen unblutigen Psychothriller. Ein perfides Spiel ohne jegliche Transparenz saugt die Augen förmlich an den Worten fest und das blutrote Lesebändchen gibt den nötigen Halt.

Sagenhaft, wie zwischen Kälte, Misstrauen und Ungewissheit dennoch zahlreiche poetische Sätze, Wärme und auch ein wenige Liebe Platz finden. Absolut meisterhaft.

Am Ende blieb mir persönlich dieses NEIN. Ich bin überzeugt, dieses Mal richtig und durchweg und Bettina Belitz hat mein, in ihre Richtung eigentlich verschlossenes Leserherz, wieder geöffnet.

Ein Autor hat defintiv eine zweite Chance verdient, wie ich im Nachhinein feststellen muss. Bettina Belitz kann ich nicht mehr in eine Schublade verbannen, Schubladendenken war gestern, wie wir bereits in einem Artikel schrieben. Hätte ich den Roman gelesen und nicht gewusst, dass er aus der Belitz-Schreibfeder stammt, ich hätte es nicht geglaubt.

Stark! Ich kann nur sagen, ihr Schritt in die Literatur für “Junge Erwachsene” ist perfekt geglückt!

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