Das Leben eines begeisterten Lesers folgt manchmal nicht immer den vorbestimmten Pfaden. Die Liebe zum Buch springt an manchen Tagen voller Begeisterung auch auf die Verfilmung der Geschichte über, der man zuvor gebannt geleselauscht hat. Man ist gespannt auf Protagonisten, Landschaften und hofft dabei so sehr, dass man sich ein wenig im eigenen Kopfkino zum Buch wiederfindet. Und doch wird man dabei allzu oft bitterlich enttäuscht und lehnt sich mit folgenden Gedanken im heimischen Ohrensessel zurück: „Das konnte ja nicht gut gehen. Ein Buch ist immer besser als seine Verfilmung. Immer!“
In den letzten Wochen ist mir Seltsames widerfahren. In langen und durchwachten Nächten des Nicht-Lesens habe mir, einer inneren Eingebung folgend, die erste Staffel der HBO-Miniserie „Game of Thrones“ angeschaut. „Ein gelungener Mix aus Fantasy und Mittelalter – ein Kampf um Königreiche mit brillanten Schauspielern bestetzt – Herr der Ringe fürs Fernsehen“ – so hieß es und so konnte man es allerorten lesen. Ich war gespannt und bereit, mich auf zehn Episoden einer episch angelegten Geschichte einzulassen.
Was dann geschah, erlebte ich bisher eigentlich nur lesend… und das bisher kann man jetzt eigentlich streichen! Ich reiste mit gebanntem Blick zum ersten Mal in meinem Leben nach Winterfell, und tauchte tief in die Lawine der jahrhundertelangen Kämpfe um den Thron von Westergard ein. Ich lernte die Hand des Königs kennen, jenen legendären Lord Eddard Stark, dessen Haus das Motto „Der Winter naht“ so trefflich ziert. Ich ritt mit einem Zwerg an den Hof des großen Königs, erlebte verlogene Berater und geheimnisvolle Mächte im Hintergrund. Ich erfuhr von der großen Mauer im Schnee und der Nachtwache, die das Reich vor dem Bösen beschützt.
Und voller Überzeugung schloss ich mich der Nachtwache an, zog mir das „Schwarz“ über und beschloss, an der Seite von Jon Schnee das Königreich im Norden gegen die unheimlichen Wildlinge und Schattenwölfe zu verteidigen. Ich legte den Eid der Nachtwache ab und wollte mich zuerst an der großen Mauer im ewigen Eis bewähren, bevor ich weiterzog.
„Die Nacht bricht an und meine Wache beginnt.
Sie wird erst mit meinem Tod enden.
Ich werde mir keine Frau nehmen,
kein Land, keine Familie.
Ich werde keine Krone tragen
und keinen Ruhm ernten.
Ich lebe und sterbe auf meinem Posten.
Ich bin das Schwert in der Dunkelheit.
Ich bin der Wächter auf den Wällen.
Ich bin das Feuer, das in der Kälte wärmt,
das Licht das den Morgen bringt,
das Horn, das die Schlafenden weckt,
der Schild, der das Reich der Menschen schützt.
Ich weihe mein Leben und meine Ehre der Nachtwache,
für diese Nacht und alle Nächte, die kommen werden.“
Bedrohlich war es, wenn ich meinen Blick von der eisigen Mauer ins unbekannte Land schweifen ließ. Von dort drohte der Winter zu kommen. Von dort drohte die Kälte, das Land und seine Menschen zu zermalmen und nicht einmal dem großen König auf dem aus den Schwerten seiner Feinde geschmiedeten Thron würde es glingen, seine Krone oder sein Leben zu retten. Kalt war es auf der Mauer, aber das Gefolge war mutig und stark… doch in den langen Nächten wuchs die Angst.
Genau für diese Angst hatte man Worte am Hofe von Lord Stark und die Erzählung einer alten Frau ließ dem Zuhörer das Blut in den Adern gefrieren, noch bevor man einen Hauch von Ahnung hatte, wo die Ursache für diese Angst zu suchen war.
„Die Angst gehört dem Winter, wenn der Schnee hundert Fuß hoch liegen bleibt. Die Angst gehört der langen Nacht, wenn sich die Sonne jahrelang versteckt und Kinder geboren werden, leben und sterben in völliger Finsternis. Das ist die Zeit der Furcht, mein kleiner Lord, wenn die weißen Wanderer durch die Wälder streifen. Vor tausenden von Jahren, da kam eine Nacht, die eine Generation lang dauerte. Könige starben vor Kälte auf ihren Burgen, genau wie die Scharfhirten in ihren Hütten und Mütter erstickten ihre Neugeborenen lieber, als sie verhungern zu lassen und sie weinten und spürten, wie die Tränen auf ihren Wangen gefroren.“
Spürt ihr die Angst? Könnt ihr fühlen, wie sich das Geschehen langsam und eisig an den Betrachter schmiegt und den kalten Blick auf immer neue und geheimnisvolle Orte und Details lenken, die aus einer einfachen Geschichte vom Kampf um den Thron ein Epos voller Legenden, Mythen, Untoten, Wolfswesen, Zwergen und starken Menschen macht, die sich mit aller Macht gegen das Schicksal auflehnen? Spürt ihr den Hauch des aufziehenden Winters? Nur ein wenig?
Es waren abenteuerliche Traumabende in Winterfell. Ich lebte in einer erträumten uneinnehmbaren kleinen Festung, wärmte mich am Kamin und folgte dem Geschehen im gesamten Königreich. Raben besuchten mich mit ihren Botschaften und immer klarer wurde mein Blick auf die alten Konflikte zwischen den Herrscherhäusern in Westeros. „Der Winter naht“ wurde so zum Motto vieler langer Nächte und viele Protagonisten der Serie wuchsen mir ans Herz. Viele ließen mich nicht mehr los und ich brannte darauf, immer mehr zu erfahren.
Und letztlich begann ich, den Blick schweifen zu lassen und endete bei einer Frau, die mich mit ihrer Aura gefangen nahm. Daenerys Targaryen – nur den Machtgelüsten ihres Bruders folgend – zwangsverheiratet mit dem wohl brutalsten Stammesführer – von diesem vergewaltigt und erniedrigt, schwingt sie sich zu einer der wichtigsten Frauen von Westeros empor. Sturmtochter, so ihr bezeichnender Beiname, wächst an sich und über sich hinaus. Bis sie ganz am Boden liegend den Bund mit den ganz alten Mächten erneuert und unbesiegbar wird… Mutter der Drachen… was für eine Frau:
„Daenerys Sturmtochter aus dem Haus Targaryen, Königin der Andalen und der Ersten Menschen, Khaleesi des Dothrakischen Meeres, Brecher der Ketten und Mutter der Drachen.“
Und so setzte ich meine Reise durch die Serie fort und erinnerte mich immer wieder an mein eigenes Mantra: „Ein Film ist nie so gut, wie das Buch. Immer wird man enttäuscht sein von einer Adaption. Das kann nicht gut gehen!“
Und genau bei diesem Gedanken keimte der tiefe Wunsch in mir, jene Bücher zu lesen, die der Urquell von „Game of Thrones“ sind. Wenn ein Film so sehr in die Tiefe geht, wenn Charaktere so vielschichtig und greifbar angelegt sind, wie groß muss das geschriebene Wort sein, dem all dies zugrunde liegt? Diese Frage möchte ich mir beantworten. Ich musste nicht lange suchen und stieß auf eine Serie, die mir den Atem raubte. Blanvalet hatte Winterfell und Westeros schon lange eine literarische Heimat gegeben.
„Das Lied von Eis und Feuer“ von George R.R. Martin umfasst als Fantasy-Saga bereits zehn Bände und inzwischen befinden sich „Die Herren von Winterfell“ und „Das Erbe von Winterfell“ in der Bibliothek meines Lebens. Ich habe mir fest vorgenommen, nicht nur der Serie zu folgen. Ich werde der Geschichte lesend folgen und mir selbst ein Bild davon machen, welche literarische Qualität die Romanvorlage hat. Ich muss einfach… es geht nicht anders. Ich muss mich nach Winterfell lesen, auch wenn die DVD-Kollektion der zweiten Staffel von „Game of Thrones“ bereits vor mir liegt.
Als bekennender Fan von J.R.R. Tolkien muss ich einfach in Erfahrung bringen, ob das legendäre „R.R.“ im Vornamen des Winterfell-Autors Zufall oder Bestimmung ist und ob mein Mantra mich diesmal zu einem noch größeren Buch führt, als ich es je zu hoffen wagte. Mein Pferd ist gesattelt. Das Lesezeichenbanner flattert im Wind, meine Leselampe ist ein Lagerfeuer in Westeros und auch für mich gilt es nun: Der Winter naht… Ich werde nicht alleine sein. Ein zweites Pferd trabt neben mir. Gesattelt und reich verziert. Ein nobles Ross – für eine weite Reise gerüstet. Ich bin froh, dass ich die wagemutige Reiterin gut kenne und ihr blind vertraue.
Also, Bianca… auf nach Winterfell… Der Winter naht… Schön, dich an meiner Seite zu wissen, wenn ich am Lagerfeuer erzählen möchte. Ich kann dir versprechen, dass es nicht langweilig wird und ich bringe dir einen kleinen Schattenwolf mit, wenn ich nach Hause komme. Ich sehe das Feuer… es leitet meinen Weg. Und schon im Folgeartikel werden wir euch die ganze Welt von „Game of Thrones“ präsentieren… sehend, hörend und lesend…
„Die mutigen Männer töteten keine Drachen. Die mutigen Männer ritten auf ihnen…“
Oh wie schön – ich schenke dir gern mein Ohr und reite gern neben dir her und sitze gerne mit dir am Feuer!
Auf nach Winterfell…
Ich werde es mir auch mal holen und lesen, aber ich befürchte mir ist das Buch vom Gewicht zu schwer.
Vielleicht als EBook…. oder einen Buchhalter engagieren…. 😉
Da wird sich schon was finden. Ich hab es auch schon als Hörbuch gesehen.
Ich muss es anfassen können… Seite für Seite… 😉
Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal richtig mit nach Winterfell kommen werde. Ich habe nun meinen kleinen Schattenwolf und bin bereit. Die ersten 4 Episoden habe ich nun geschaut und ich bin gefangen, ich bin süchtig, ich bin begeistert und ich bin infiziert…
Wahnsinn – absoluter wahnsinn – warum habe ich damals nicht doch gleich mitgelesen? Gerade habe ich diesen Artikel von Arndt erneut gelesen und jetzt war ich genau dort…
DANKE