Am 28. August begann meine Spurensuche. Ich schrieb:
„Ich bin auf der Spur einer Geschichte, die in der Eifel begann und in einem besonderen Buch eigenständig Geschichte wurde, auch wenn man es weder auf Amazon, noch im Buchhandel erwerben kann.
Es ist die Geschichte eines Photographen, der den Jakobsweg beschritt, um einen Bildband entstehen zu lassen…
Ich bin auf der Spur von „Santiago – Eine Pilgerreise in Bildern der Camera Obscura“ von Sven Nieder.“
Ich bin der Spur weiter gefolgt:
Mein Weg führte mich nach Daun in der Eifel. Sven Nieder selbst ist derzeit nicht erreichbar, da er am Amazonas und in Grönland an seinen aktuellen Projekten arbeitet. Sein Vater Hans Nieder, selbst sehr erfolgreicher Photograph, war jedoch gerne bereit mir bei der Spurensuche behilflich zu sein. Wir trafen uns in einem seiner Studios und trotz der großen Geschäftigkeit um uns herum ergab sich ein intensives und wegweisendes Gespräch.
Meine vielen Fragen zum Buch und seiner Entstehungsgeschichte, zur Motivation für dieses Projekt fanden ihre Antworten. Antworten eines Wegbegleiters und Vaters, nicht die Antworten des Künstlers selbst, dem wir in diesem Gespräch nicht vorgreifen wollten. Ich bin auf dem Weg zu Sven Nieder – und dies ist meine wichtigste Etappe.
Vielleicht beginnt ein großes Projekt immer mit einem Zufall – vielleicht muss das so sein. Hans Nieder beschloss im Jahr 2001 eine Auszeit zu nehmen. Der Jakobsweg war hierbei eher ein Zufallsfund. Nicht die religiöse oder kulturelle Seite waren Triebfedern für die Entscheidung, nach Santiago de Compostela zu wandern – es war am Anfang die sportive Herausforderung, eine Distanz von 800 Kilometern in 30 Tagen zu bewältigen – es war die Frage, ob dies zu schaffen ist. Das Ankommen selbst war der Motivator. Die Auszeit war, geprägt durch den Weg, strukturiert und in jeder Hinsicht auch philosophisch interessant. Als sein Sohn von dieser Idee erfuhr, schenkte er seinem Vater ein Buch über den Jakobsweg, was den Entschluss durch Spanien zu pilgern – einem Startschuss gleich – verfestigte.
Ansteckend sind große Projekte – vielleicht ist das immer so. Jedenfalls wurde Hans Nieder von seinem Bruder begleitet und sie begaben sich im Heiligen Jahr 2001 (also fast gleichzeitig mit einem gewissen Hape K.) in Saint-Jean-Pied-de-Port startend auf den Weg der Wege.
Der erfolgreiche Dauner Geschäftsmann beginnt leise zu schwärmen und lässt seine Erinnerungen lebendig werden, Episoden und Begegnungen finden ihren Weg in unser Gespräch und auf meine Frage, ob er niemals daran gedacht hätte, selbst ein Buch über seine Reise zu schreiben, antwortet er eher zurückhaltend: „Na – ein fertiges Manuskript liegt in meinem Schreibtisch.“ Aber ich glaube diesem „Wanderer“ sofort, dass er den Jakobsweg nicht über seine Eindrücke definieren möchte, sondern sich selbst als flüchtige Erscheinung in der Geschichte dieses Weges versteht. Er hat für sich erkannt, dass der Weg ihn vielleicht verändern konnte, er aber nicht den Weg. Gerade diese Bescheidenheit macht die Erzählungen mehr als sympathisch und authentisch, da sich hier niemand am Weg vorbei in den Vordergrund drängt, sondern Pilger ist und bleibt. Ich würde sein Buch lesen!
Dem Startschuss folgt oft ein Echo – vielleicht muss das einfach so sein! Jedenfalls kamen die beiden Brüder nach erfolgreicher Pilgerschaft in die heimische Eifel zurück. Das größte Geschenk des Weges im gemeinsamen Gepäck – eine gefestigte und von Grund auf veränderte Freundschaft – getragen vom erfolgreich gemeisterten gemeinsamen Ziel – und tragfähig bis heute. Das Erreichen der Tagesziele waren die Glücksmomente der Wanderung und die „Entschleunigung“ der eigenen Wahrnehmung hatte die Erinnerungen unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt.
Sven Nieder, wohl mehr als inspiriert durch die Reflektionen seines Vaters, entschloss sich nun, den Jakobsweg zum Thema seiner Diplomarbeit zu machen und sich mit einer hochwertigen Kameraausrüstung nicht nur auf die Spuren seiner Verwandten, sondern auf die Spuren der Geschichte dieses soziokulturellen Mysteriums zu begeben, um die Faszination des Sternenweges für einen Bildband zu dokumentieren.
An dieser Stelle erkenne ich den Staffelstab der Photographie, der generationsübergreifend aufgenommen wird und in ein Buch mündet, dessen Entstehungsgeschichte sich anschließend so spannend darstellt, wie die gesamte Symbolik einer Pilgerschaft. Nach wenigen Kilometern erkannte Sven im Jahre 2003 ein großes Dilemma seines Projektes – einerseits forderte die physische Anstrengung des Weges ihren Tribut und alle Konzentration und Zeit zum Photographieren fehlten. Andererseits wurde die Wahrnehmung des Pilgernden auf das Pilgern selbst gerichtet und so traf er die Entscheidung für den Weg und gegen das professionelle Ablichten.
Das Projekt Diplomarbeit jedoch geriet nicht in Vergessenheit und erfüllt von der Erlebnissen des „ersten“ Weges , entschloss sich Sven Nieder zu einer Wiederholung seiner Wanderschaft im Folgejahr – diesmal mit einer selbst konstruierten Camera Obscura im Gepäck, die aus seiner Sicht der Wahrnehmungswelt des Pilgers besser entsprach als die modernen Kameras unserer Zeit.
Aber nicht nur die neue historische Kamera war ein neuer Wegbegleiter. Auch die beiden Dauner Brüder wurden Teil des Projektes, als Sven seinen Vater Hans und seinen Onkel darum bat, ihn nach Spanien zu begleiten.
So schließt sich der Kreis dieses Gespräches – aber er ist gleichzeitig offen, denn er mündet in eine andere Geschichte – die eigentliche Geschichte von „Santiago – Eine Pilgerreise in Bildern der Camera Obscura“, die ich jetzt besser verstehe als jemals zuvor, da ich die philosophischen Wurzeln einer Familie in diesem Projekt finde – den Weg nicht verändern zu wollen, sich nicht selbst in den Vordergrund zu stellen, dem Betrachter seine Sichtweise unverfälscht zu belassen und ihn doch unvoreingenommen zu begleiten.
Mit dieser Erkenntnis im Gepäck folge ich mit Unterstützung von Hans Nieder den frischen Spuren seines Sohnes und werde mich dem Bildband in einem entsprechenden Artikel widmen. Der Photograph und Autor Sven Nieder selbst ist Ziel meines weiteren literarischen Weges.
Aber das ist wirklich eine andere Geschichte;-))
Wunderschöne Impressionen auf der Seite von Sven Nieder – ein Traum der wohl für uns noch Realität wird…
Ich freue mich auf die „wirklich andere Geschichte“ und gemeinsam mit dir, Sven Nieder zu treffen.
Weiter auf dem Weg entlang…nicht nur literarisch.
Wollt ihr beide etwas wandern gehen? 🙂 Ja, das wär schon was. Stille. Zeit zum Nachdenken. Natur. Schon toll. Mein Ziel ist es allerdings eher durch Neuseeland zu ziehen. Freu mich schon auf deinen Bericht über das Buch. 🙂
LG,
Mandy
Ja – mal schauen was sich so ergibt auf dem literarischen Weg – der Rucksack wird immer größer und die Ziele definieren sich wie von Selbst…,
Raily
Liebe Binea, lieber Mr.Rail,
sorry, dass ich mich so spät melde und mich erst jetzt für den ausgezeichneten Bericht in Ihrem Blog bedanke.
Es hat mich gefreut zu lesen, wie sinnerfassend Sie meinen / unseren Weg nach Santiago de Compostela beschrieben haben.
Kompliment, und herzlichen Dank!
Wenn hierdurch nun weitere Pilger inspiriert sind den Weg in diesem Verständnis zu pilgern, wäre dies erfreulich und dienlich.
Spirituell sind auch die neuen Projekte der fotografischen Arbeit geprägt die Sven in dem Buch “ Heiliges Feuer. Schamanen und Älteste für die Welt “ jüngst im Kamphausen Verlag veröffentlichte.
Ein spannendes Thema, dem Sie sich vielleicht auch einmal nähern möchten.
Machen Sie weiter so.
Bereichern Sie mit Ihrem Blog die Kultur in ebenso symphatischer wie auch legerer Art.
Mit besten Grüßen aus der Vulkaneifel
Ihr Hans Nieder
Heiliges Feuer – da klingelt was bei mir – wir trafen einen jungen Mann in Frankfurt – er schenkte uns ein Buch – einen Bildband – da stand sowas drauf – unser neues geheimes Projekt… aber pssst. Der von uns lange gesuchte Autor heißt Sven;-))
Danke für diese Rückkopplung…