“Adams Erbe” von Astrid Rosenfeld ist schon lange ein Dauergast im literatwoischen Buchregal und obwohl es laut ruft, ist es immer noch ungelesen. Ein Werk von Astrid Rosenfeld sollte aber nun endlich gelesen werden, denn wir wollen ihr gern einen Platz bei uns geben. “Elsa ungeheuer” (Diogenes) reizte mich schon sehr lange und ich war mehr als gespannt, was mich erwarten würde. Ich hoffte auf einen ungeheuer guten Roman, der mir ein ungeheuerliches Lesevergnügen bereiten würde, was ich so schnell nicht vergessen würde.
Klingt nach einem Romanungeheuer, oder?
Die erste Begegnung mit dem Ungeheuer namens Elsa, dem kleinen Biest, konnte ich kaum abwarten. Bevor Elsa den Lesern allerdings vorgestellt wird, ist das Kennenlernen des Erzählers notwendig. Nein, der Roman wird nicht aus der Perspektive Elsas erzählt, wie ich annahm, sondern von Karl, dem Jungen mit den struppigen Haaren, dem Bruder des späteren Künstlers Lorenz.
In der Oberpfalz angekommen, habe ich es mir erst einmal gemütlich gemacht und das ruhige Landleben genossen. Die Geschwister Karl und Lorenz haben vor kurzem ihre Mutter Hanna verloren. Sie leben mit ihrem Vater in einer Fast-Pension, sind beide sympathische Kerle und werden umsorgt von der alten, zum Inventar gehörenden Haushälterin Kratzler („Herzjesulein im Himmel“).
Elsa kommt
Den Spaß und die gute Laune bringt der Dauergast und Gute-Nacht-Frauengeschichtenerzähler Murmelstein, der von den Kindern in Murmeltier umgetauft wurde. Das Landleben ist sehr erträglich, ruhig und heimelig und mit großem Staunen wird im Dorf die Ankunft Elsas erwartet. Ob sie so sein wird wie ihre Mutter, wird unter den Männern gefragt und gemunkelt, denn diese kennen viele sehr intensiv…
Elsa tritt groß auf, denn Elsa ist bereits mit ihren 11 Jahren sicher im Leben stehend, was sie bei dieser Mutter wohl auch muss. Halb abgeschoben wird sie jetzt bei ihrem Vater und ihrem Onkel im Dorf bleiben, denn ihre Mutter reist mit ihrem neuen Mann um die Welt.
Karl hat sich gleich in der ersten Begegnungsminute in Elsa verliebt und himmelt das verrückte Mädchen in den schwarzen Lackstiefeln an. Ihre Eigenarten, in alten Sachen bzw. Sachen ihrer Mutter herumzulaufen, Krawatten um die Waden zu tragen, wie bei Adligen, der Schlankheit wegen, oder ihr loses Mundwerk, zeichnen sie aus.
Wenn Karl noch zurückhalten ist und sich sachte annähert, prügelt sich Elsa schon mit Lorenz, was überhaupt eine Lieblingsbeschäftigung der beiden zu sein scheint. Elsa mischt das ruhige Leben mit ihrem Wesen nach und nach auf.
Elsa scheint wirklich ein ungeheuerliches Ungeheuer zu sein, oder? Den Auftritt von Elsa konnte ich kaum erwarten, denn wenn der Titel bereits nach ihr benannt ist, sollte das Kennenlernen schnell stattfinden. Elsa ist ein Mädchen, was sich bereits in jungen Jahren in eine Art Schutzhülle begeben hat. Sie hat gern die große Klappe, fällt gern aus allen erdenklichen Rahmen und macht was sie will. Ich musste immer wieder an meine geliebte Pippi Langstrumpf denken. Ein herrlicher Charakter, immer für Überraschungen gut. Unter der Elsa-Schale steckt ein weicher Kern, der einfach lauthals nach Liebe schreit.
Nein, Elsa ist kein Ungeheuer!
Die Nachwirkungen des Ausflugs nach Den Haag zum Grab von Hanna und zu Onkel Japp sorgen für die gewaltigen Wendungen im Roman. Das idyllische Landleben wird zur glamourösen Kunstwelt und die Kindheit wird erwachsen…
Aus Hunden werden Wölfe…
Elsa ist kein Ungeheuer, Elsa wirkt allerdings in diesem ungeheuerlichen Wandel mit, wenn auch nur als eine Art Klammer um die Kunstgeschichte. Astrid Rosenfeld hat mich mit ihrer Art zu schreiben wirklich begeistert. Sie weiß mit welchen Worten sie den Leser halten kann.
Sie bringt Figuren auf die Bühnen der Seiten, die nur für sich einen ganzen Roman füllen könnten. Eigentliche Randcharaktere schleichen sich ins Leserherz, wie zum Beispiel das Murmeltier, selbst die Haushälterin. Jede Figur hat eine besondere Note, die sich in das Gedächtnis des Lesers gräbt, mag sie auch noch so klein sein.
Der Roman ist einfach erstklassig und doch trägt er eine tiefe Note der Zweitklassigkeit in sich, denn die Autorin wollte ungeheuer viel. Zu viel einfach, denn für ihre Ideen, ihre Wendungen und ihre Art des Schreibens reichen die knapp 280 Seiten einfach nicht aus. Der Hunger des Lesers ist nur teilgestillt, da er die Figuren nicht loslassen möchte, aber muss. Und doch beherbergt dieses Gefühl viel Potenzial weiterzudenken, darüber zu sprechen und Elsa in die Welt zu tragen.
Rosenfeld baut einen großen Kuchen vor uns Lesern auf. Allerdings sind in diesem mehrere Geschmacksrichtungen vertreten. Der Wörterkuchen trägt den Namen Elsa und ebendiesen möchte man gern die ganze Zeit um sich haben und genießen. Doch Elsa wird nach und nach zum Rand des Kuchens und am Ende wird spürbar, dass sie hätte mehr da sein können.
Wo ist Elsa?
Diese Frage stellte ich mir im letzten Drittel des Romans. Wo ist diese herrliche Figur, die mich von Anfang an mit ihrer Art faszinierte und noch jede Menge zu erzählen hat? Als mein Ruf nach ihr kaum lauter hätte sein können, ist Elsa wieder da. Anders, kurz, aber wieder da.
Der gewaltige Mix aus Familiengeschichte, Liebesbeziehungen, sexuellen Übergriffen und der Kunstwelt mit ihren Porträts und der Beschreibungen dieser, ist wirklich umfangreich. Doch damit noch nicht genug, denn auch Drogenexzesse und Rückblicke in die unterschiedlichen Leben der Figuren, gespickt mit Intrigen und Klischees, füllen den Roman. Positiv dabei ist allerdings, dass der Leser nur minimal ahnt, worauf die Autorin hinaus will. Wohin sie den Leser führen und womit sie ihn am Ende überraschen möchte.
Astrid Rosenfeld hat mich dennoch begeistert, wirklich begeistert, denn die Handlungen ihrer Protagonisten lassen ihre Leser an einigen Stellen wirklich wahnsinnig werden oder laut loslachen.
Es hätte weniger und davon mehr sein können. Ja, hätte es und doch bleibe ich begeistert von einer ungeheuerlich guten Elsa und dem Ausflug in den Sumpf der Kunst, in dem es zwischen Wahrheit und Lüge keine Grenzen mehr gibt.
Hunde oder Wölfe? GNADE!
Ich mag dieses ABER… ich mag den Text… es ist sehr schön formuliert und kommt auf den Punkt. In vielen Gesprächen habe ich gemerkt, wie zerrissen Bianca beim Schreiben war.
So viel hätte das Buch noch erzählen können. So viel Raum wäre gewesen und so viel Potential. Vielleicht ein wenig zu viel, aber sie hat sich doch in das Buch verliebt….
So kann man seine Zuneigung deutlich machen.. 😉
Hat dies auf über das lesen und schreiben rebloggt.