Schlaflose Nacht ~ Magriet De Moor
Schlaflose Nacht ~ Magriet De Moor

Ihr kennt schlaflose Nächte? Margriet De Moors namenslose Protagonistin ist mit diesen Nächten vertraut. Richtig intensiv, seitdem ihr Mann tod ist. Nachts ist die Welt anders, nachts sind die Gefühle anders und die Gedanken auch.

Bereits im Jahr 1989 erblickte die Novelle von De Moor das Licht der Buchwelt. 27 Jahr später, fast so lang wie mein eigenes Leben, wurde das Werk rundum erneuert und in meine Hände gelegt.

Und sie? Sie gibt es noch, natürlich. Sie ist von „Auf den ersten Blick“ in „Schlaflose Nacht“ (HANSER) gezogen, ihr Schicksal ist das Gleiche. Ihr Mann ist tot, in ihrem Bett liegen fremde Männer, sie bäckt mitten in der Nacht und sie wohnt immer noch dort.

„Und dann?“

Dann hätte ich geantwortet: „Dann begann meine Suche, mein Wahnsinn.“ (Seite 74)

Schlaflose Nacht ~ Magriet De Moor
Schlaflose Nacht ~ Magriet De Moor

Schlafloses Kuchenbacken

Auch nach dreizehneinhalb Jahren ist die Suche nicht beendet. Ihr Mann Ton nahm sich das Leben und es bleibt die Suche nach dem Grund. Es bleibt das Warum und die Leere in ihrem Leben. Nach nur 14 Monaten Ehe machte sie ein Schuss, ganz ohne Vorwarnung und Hinweise, zur Witwe. Ein Schuss der lebenslang lastet und nicht zur Ruhe kommen lässt.

Im Backen findet sie Ablenkung und gleichzeitig die Möglichkeit Gedanken nachzuhängen und diese zu sortieren. Der Backofen ist dank ihres Mannes in Kopfhöhe und ermöglicht eine recht bequeme Bedienung. Herrnhuter Sandküchlein, Apfelkuchen, Bretonische Schinkenquich – für die 1,84 m unglückliche Frau ein nächtliches Kinderspiel.

Doch wir Leser bleiben nicht in der Küche. Wir gehen mit ihr und durchleben mehrere Ebenen. Es gibt keine Kapitel, aber Abschnitte, die Szenenwechsel beinhalten, uns gedanklich springen lassen und die Grundspannung aufrecht erhalten. Die Suche macht mürbe, die Eifersucht bekommt Macht. Aber auch die Wut brennt sich durch die Oberfläche und das Gefühl, den Mann nicht richtig gekannt zu haben.

Gefühlssee

Ein See der Gefühle – nachvollziehbar und traurig zugleich. Und während wir in diesem See tauchen, mit der Protagonistin verschmolzen sind, liegt ein Mann unweit entfernt von der Küche, in ihrem Bett. Eine Nacht…

Schlaflose Nacht ~ Magriet De Moor
Schlaflose Nacht ~ Magriet De Moor

Die „Schlaflose Nacht“ könnte ewig andauern. Aus dem Nichts kommend, ins Nichts entlassend und doch so aufsfüllend wichtig und ergiebig. 128 Seiten die aufwühlen, in eine andersartige Stimmung versetzen und nie hätten enden müssen. Lebensecht, intim, poetisch – eine Mischung die kein Literaturgenießer verpassen darf.

Margriet De Moor stellt den Küchenwecker und entführt in die Nacht. Sie lockt mit dem Kuchenduft und legt uns die Zutaten bereit, die es braucht, um gut unterhalten und gedanklich gefordert zu werden. Sie rührt tief um, experimentiert stellenweise und sucht nur Zutaten aus, die nicht mit Gewohnheit zu vergleichen sind.

Backen ist nicht gleich backen und schreiben ist nicht gleich schreiben. Die Autorin liefert die Beweise.

Eure
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