Eine schöne Frau in einem Auto, Nebel rundherum. Das Cover, der dick gedruckte Titel und der Namen der Autorin, alles wirkt plump, nicht zum Lesen einladend.
Aber weit gefehlt, bereits die ersten Zeilen beginnen, das anfänglich negative Bild zu drehen und zu wenden.
Peter liest nun Bücher über Spione.
An einem Montag im Januar 1961 sah Anna ihre Mutter das letzte Mal. Sie war damals acht Jahre jung und hat nie erfahren, warum ihre Mutter nicht wiederkam. Sie ist tot, das musste ihr genügen. Zwei Tage vor dem besagten Montag wurde das Ehepaar Kroger verhaftet, am Montag des Verschwindens ihrer Mutter kam es in den Nachrichten. Die Krogers waren Nachrichtenübermittler im Spionagering. Peter und Anna beginnen Theorien zu entwickeln, Daten zu sammeln, Briefe mit versteckten Botschaften zu schreiben und zu glauben, dass ihre Mutter als Spionin untergetaucht ist und ein Doppelleben führt.
Der Tod von Annas Klavierlehrerin gibt beiden Kindern einen weiteren Stoß herauszufinden, was passiert ist und in der Vergangenheit zu forschen.
„Die Deutschen haben sie alle umgebracht. Sie haben sie in Kammern gepfercht, einen über den anderen, und sie vergast und Seife aus ihnen gemacht.“
„Wenn du einen anderen Namen hättest. Wenn du nicht mehr Anna heißen würdest. Wenn du keine deiner Sachen mehr hättest und niemanden, der dich von früher kennt. Nicht Dad, nicht mich, einfach niemanden. Was dann?“
„Ich wäre immer noch ich, oder nicht?“
„Ja, aber wer wärst du dann? Denk nach. Du würdest eine andere Sprache sprechen, du hättest einen anderen Namen. Jeder nennt dich bei diesem anderen Namen. Du hast Freunde, vielleicht sogar eine neue Familie. Wer wärst du dann“
Ein Gespräch zwischen Anna und ihrem Bruder Peter, welches sie bis ins Erwachsenenalter weiter beschäftigt. Sie stellt sich immer wieder die Frage, ob ihre Mutter noch lebt und vor allem die Frage, wer sie ist. Wo stammt sie her, wenn ihre Mutter tatsächlich ein Doppelleben geführt hat?
Anna begibt sich allein auf die Suche nach Hinweisen, reist von England nach Berlin und weiter bis nach Russland. Hätte sie gewusst, was sie dort an einer Flut von Informationen erwartet, wäre sie doch lieber nicht alleine gereist. Eine Bilderflut überstürmt Anna und öffnet ihr nicht nur die Augen.
Georgina Harding macht es dem Leser nicht leicht. Obwohl es innerhalb des Leseplatzes sehr warm ist, versucht sie den Nebel aus dem Buch aufsteigen zu lassen, den eisigen Nebel, den Schnee, die Kälte. Sie schafft es die Zimmertemperatur zu senken und somit die Finger kälter, die Augen müder zu machen und dadurch gekonnt den Lesefluss zu verlangsamen, an jedem Wort bewusst zu halten, dieses zu überdenken, weiterzudenken.
Liest man Spion und mischt sich unter das Geschwisterpaar, bekommt man die kindliche Version des Spionieren, später die reifere Version von Spionage und schließlich die ausgewachsene, hart, kalte Wahrheit, was das kurze Wort Spion alles verbergen kann.
Ein Buch, was lebendig wird, was nach dem Zurück-ins Regal-Stellen weiter leben will, weiter überdacht werden will und somit stark haften bleibt.
Die ganze Welt macht es so: aufräumen, vergessen, neu aufbauen.