Warum in aller Welt sollte mich die autobiographische Lebensbeichte eines skandinavischen Autors interessieren? Warum sollte ich es mir antun, mich bereits heute darauf festzulegen, nach „Sterben“ auch noch weitere 5 – ich wiederhole 5 – Bücher dieses Mammutwerkes zu lesen? Was hat mir ein Norweger zu sagen, was ich nicht schon wüsste – und warum benötigt er dazu geschätzte 3500 Seiten? Wieso heißt der im nächsten Jahr erscheinende zweite Teil „Lieben“ – warum Lieben nach Sterben?
Und wäre der Originaltitel „Mein Kampf“ nicht der provokativ beste Titel für dieses Epos gewesen, wenn nicht… ja wenn…
Sollte das wirklich etwas für mich sein – so ganz tief von Innen heraus beantwortet – für mich?
Karl Ove Knausgård – „Sterben“ – wirklich die absolute literarische Sensation der letzten Jahre und zu Recht Dauergast auf norwegischen Bestsellerlisten? Bücher für mich? Bestimmt nicht – dachte ich mir….
Ich Einfaltspinsel….
Die Skepsis verliert sich auf der ersten Seite. Ein Mann, zum zweiten Mal verheiratet, Vater von drei Kindern erzählt sich selbst. Es ist nicht der Blick in einen frisch polierten Spiegel – es ist die Wanderung durch das Spiegelkabinett des eigenen Lebens. Alle Arten von Zerrspiegeln und Splittern reflektieren alle Nuancen dieses vielschichtigen Charakters.
Ungeschminkt, schonungslos im Umgang mit dem eigenen Ich und sich selbst aufreibend im Konflikt zwischen der eigenen Vaterrolle und dem ambivalenten Verhältnis zum eigenen Vater. Wir sind Zeuge einer monumental aufgebauten Studie, die nur den Autor selbst im Fokus hat.
Mehr als packend geschrieben, stets greifbar und die Parallelen zum eigenen Leben in kurzen und schmerzhaften Sequenzen immer wieder projizierend. Knausgård gelingt der große Wurf, mich als Leser zu gewinnen, mich einzunehmen und mich zum Begleiter seines Lebens zu machen.
Schreibend und lesend werden wir wohl viel miteinander erleben in den nächsten Jahren.
Ich bin gespannt auf unser Gespräch in Leipzig. Wie führt man ein Interview mit einem Autor, der in seinem Roman von sich selbst schreibt, dass er „in Gesprächen niemals sagt was er wirklich denkt, nie, was er wirklich meint, sondern sich unweigerlich dem jeweiligen Gesprächspartner anpasst und so tut, als würde es ihn interessieren, was dieser erzählt „?
Wie führt man ein solches Gespräch – noch dazu in Englisch? Dabei habe ich viele Fragen – viele Gedanken und viele Spiegelscherben in der Hand, auf denen nach dem „Sterben“ das „Lieben“ folgen soll.
Ich freue mich auf dieses Gespräch. Und gleichzeitig wird es eine große Herausforderung sein!
„Wenn mich das Leben eins gelehrt hat, dann es zu ertragen, es nie in Frage zu stellen, und die Sehnsucht, die dadurch entsteht, in meinem Schreiben zu verbrennen.“
PS: Das Team Literatwo liegt gerade gemeinsam im „Sterben“ – schöpft aber sehr viel Energie aus diesem wahren Meisterwerk! Freuen uns auf Teil 2….
Vater von 3 Kindern…. vielleicht würde ich das noch berichtigen.. ich habe alle 5 Bücher gelesen.. und studiere Nordistik.. wo hast du denn das Interview?
Natürlich – ein Schreibfehler – es sind tatsächlich drei Kinder – danke für den Hinweis! Es ist korrigiert und das Interview muss noch übersetzt werden und erscheint in Bälde – versprochen!
Viel Spaß weiterhin beim Studium;-)