Bei sämtlichen Büchern, welche das Thema Koma enthalten, nehmen wir eine reflexartige Abwehrhaltung ein. Das Wort hat sich in uns gebrannt und wir sind beide froh, es nach und nach vergessen zu können. Keine einfache Zeit liegt hinter uns und aus diesem Grund sind wir uns mehr als einig, momentan diesem Thema noch nicht wieder gegenüber treten zu können.
Und dann treffe ich auf Nova. Allerdings ist sie vom Moment unserer Begegnung an nicht mehr bei Bewusstsein. Sie ist auf dem Boden im Garten zusammen gebrochen. Sekunden vorher hat sie noch wild getanzt und gefeiert, wenn ich den vier Jungen Glauben schenken kann. Einer davon mit dem Namen Tobi ist verzweifelt und versucht Hilfe zu holen. Ganz anders seine drei Freunde, deren Hirne einfach zu benebelt sind. Ein anderer Partygast erhört Tobi und ruft einen Krankenwagen. Daniel, angehender Arzt, kümmert sich ohne zu zögern um Nova, während die anderen Jungen sich aus dem Staub machen.
Anna Schneiders Debütroman, auch liebevoll von ihr selbst als erstes Buchbaby bezeichnet, kommt in rosafarbenem Gewand daher. Rosafarben und ein Thriller, geht das denn?
Gleich vorweg kann ich diese Frage mit ja beantworten. Doch bevor ich euch auch inhaltlich von „Blut ist im Schuh“ vorschwärme, muss ich die Aufmachung des Romans noch etwas in den Vordergrund heben. Denn dieser ist nicht nur in einer hochwertigen Klappenbroschur, sondern zusätzlich noch unten und vorn auf dem Buchschnitt mit einer lilafarbigen verschnörkelten Stempelverzierung versehen. Alle Seiten sind zudem unter den Seitenzahlen verziert und der verschnörkelte Rahmen vom Buchcover ist zu Beginn aller Kapitel zu finden.
Ein absoluter Hingucker aus dem Hause Planet-Girl sozusagen. Doch so romantisch der Roman von außen aussieht, so unromantisch ist der Inhalt. Gegensätze ziehen sich an – dieser Ausspruch zieht sich meiner Meinung nach durch den kompletten Roman und fasziniert.
Schon beim Titel „Blut ist im Schuh“ schweifen die Gedanken sofort zum Märchen Aschenputtel. Jeder kennt es, vermutlich liebt es auch jeder und spätestens zur Weihnachtszeit wird dieses dank der TV-Sender wieder aufgefrischt. Da ich nur wenige Kilometer vom damaligen Drehort des Films „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, dem Schloss Moritzburg entfernt wohne und aufgewachsen bin, fühle ich mich besonders mit dem Märchen verbunden. (Literatwo war bereits gemeinsam dort 😉 )
Die Filmmusik lag mir gleich zu Beginn des Lesens auf den Lippen, verflüchtigte sich allerding ganz schnell wieder. Der Prolog hat die Melodie regelrecht vertrieben und genau das ist gut so, denn der Prolog stellt die Leseweichen. Anna Schneider hat anhand der ersten Zeilen die Weichen so gestellt, dass ich sofort wissen wollte, was passiert und in einem Eiltempo weiterlas.
„Er“ beobachtet die beiden Mädchen, „er“ will sie beide und „er“ verströmt Gefahr. Die zwei fast 16-jährigen Mädchen, Sonnenschein Amelie und Abendrot Sarah, sind grundverschieden. Amelie ist das Aschenbrödel und Sarah die böse Stiefschwester, die Mutter Heike komplett um ihre seidenbehandschuhten Finger wickelt.
Amelie ist die strahlende Seite der beiden Mädchen, die seit kurzer Zeit in einem Haus leben, zusammen leben müssen. Amelies Mutter ist an Krebs gestorben und ihr Vater hat sich neu verliebt und sich entschieden zu seiner neuen Liebe zu ziehen.
Sarah ist die dunkle Seite, trägt rote Haare, schwarze Sachen und gehört der Gothic-Clique an. Ihre neue Stiefschwester sieht sie sofort als Feindin an, denn sie hat alles, was sie nicht hat. Sie ist nett, wird von allen gemocht, scheint alles zu erreichen und wird vor allem geliebt.
Sarah erträgt Amelies Nähe nicht und verfällt in abgrundtiefen Hass, welchen sie Amelie direkt spüren lässt. Sie möchte von ihr gefürchtet werden, um sich selbst wohlfühlen zu können. Für Amelie beginnt ein Spießrutenlauf und außer ihrer Freundin Biene, von der sie nun nach dem Umzug einige Kilometer trennen, kann sie sich niemanden anvertrauen, denn ihr Vater ist beruflich oft unterwegs.
Sarah lebt bereits in ihrem eigenen Höllenleben mit einschneidenden Erlebnissen in der familiären Vergangenheit und möchte Amelie ebenfalls in eine Hölle schicken, in der sie erfährt wie es ist, wenn man lebenslang die Zweite bleibt…
„Er“ beobachtet dies ganz genau, denn „er“ will beide Mädchen für sich – „er“ möchte Sonnenschein und Abendrot…
Wer einen Thriller erwartet, den er ganz in Ruhe über mehrere Tage verteilt lesen kann, der ist hier komplett falsch. Anna Schneider ergreift die Aufmerksamkeit des Lesers und treibt ihn über 250 Seiten mit einer Wortpeitsche an, die ein langsames Lesen unmöglich macht.
Durch drei Erzählstränge hält Anna Schneider das Lesetempo hoch und bringt uns als Leser dazu in die verschiedenen Rollen zu schlüpfen. Amelie, Sarah und „er“ werden dadurch greifbar, die Gefühle spürbar und die Taten nachvollziehbar. Als Leser steht man zwischen den Stühlen, spürt den Schmerz, die innerliche Verzweiflung und möchte gern helfen und kann doch nur hoffen und verstehen.
Einige Kapitel sind mit treffenden Zitaten aus dem Märchen Aschenputtel überschrieben und machen immer wieder deutlich, dass dieser Roman stark mit ebendiesen von der Handlung her verbunden ist.
Wer einen Thriller für Mädchen sucht, ist mir Anna Schneiders Werk sehr gut beraten. Meinen Geschmack hat sie sehr getroffen und meine anfängliche Angst, dass ihr Plot den von mir ebenso geliebten Romanen von Janet Clark „Sie lieb und büße“ und „Schweig still, süßer Mund“ zu nahe kommt, sehr schnell genommen. Ihr neumodisches Märchen ist völlig anders und hat mich bis kurz vor dem Ende nicht wissen lassen, wer „er“ ist.
Genau so muss es ein Mädchenthriller sein, auch wenn die Autorin am Ende vielleicht ein klein wenig zu sehr aufgetragen hat.
„Blut ist im Schuh“ von Anna Schneider ist das Aschenputtel des 21. Jahrhunderts. Märchenhaft!
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