In welcher Stellung lest ihr eigentlich? Liegt ihr im Bett auf dem Bauch oder sitzt ihr im Lesesessel?
Ehrlich gesagt, geht es bei diesem Buch nicht wirklich um Lesegewohnheiten, sondern eher um ganz andere Stellungen. Wobei es auch nicht um Stellungen geht, sondern um eine ganz bestimmte Stellung namens „Elektrisierende Versöhnung“. Diese Stellung wurde vom Ehepaar Mellow erfunden und im Werk „Pleasuring. Die Reise eines Paares zur Erfüllung“, veröffentlicht. Die Mellows haben vier Kinder und diesen vier Kindern haben sie bisher nicht gesagt, dass sie Autoren sind bzw. was es eher trifft, Darsteller in einem mehr als erotischen Werk.
Was geht in einem 13-jährigen Jungen vor, der nicht nur ein Bild, sondern gleich ein ganzes Buch mit hunderten von Sex-Stellungen seiner Eltern vorfindet? Detaillierte Zeichnungen aus allen möglichen Perspektiven? Was würde in uns wohl vorgehen? Doch damit nicht genug, denn der Schock hält ein Leben lang an, denn eben diese Eltern sind überregional bekannt. Das Werk erregt die Öffentlichkeit und der Familienname wird sofort mit dem Buch in Verbindung gebracht, wie sollte es anders sein.
Die vier Kinder schämen sich und haben durch ihre Erzeuger einen lebenslangen Stempel aufgedrückt bekommen und müssen sich selbst immer wieder den besagten Bildern aussetzen. Möchten wir wissen, wie unsere Eltern beim Sex aussehen? Möchten wir, dass unsere Nachbarn wissen, wie unsere Eltern miteinander verkehren? Nein – oder? Nicht wirklich.
Für die Mellow-Geschwister gibt es keine Wahl. Sie müssen ihre Leben so gestalten und sich mit dem Lebenswerk ihrer Eltern arrangieren. Der Freitag im November des Jahres 1975 verändert das unbeschwerte Leben der vier Kinder und wirbelte es immer wieder kräftig durch. Vor allem nach dem ersten Lesen, eher dem ersten Anschauen des Werkes, bewegten sich die vier in verschiedene Himmelsrichtungen…
Nun frage ich mich: was hat dieser Roman mit mir gemacht? Wie komme ich zu diesem Werk? Schon lange hat es mich angelacht und ich habe neidische Blicke auf die Leser- und Leserinnen geworfen, die es bereits in den Händen hielten. Ich wartete gespannt auf erste Meinungen, um dann zu entscheiden, ob ich es ebenso lesen wollte. Der Titel lockte mich an, so muss ich es einfach sagen. Zudem wollte ich schon lange in den Wortefluss der Meg Wolitzer tauchen.
Auf Meinungen wartete ich allerdings nach einiger Zeit vergeblich. Nur negative Stimmen erreichten mein Ohr und nun wuchs meine Neugierde schließlich ins Unermessliche. Ich wollte wissen, warum das Werk abgebrochen wurde, was daran so negativ sein soll. Die liebe Dorota (Bibliophilin) schickte mir schließlich den Roman und ich begann umgehend mit dem Lesen.
„Sexuelles Unglück war eine eigene Stadt, in der die Fenster der Häuser hinaus in die Nacht blinkten, und hinter ihnen setzten sich Männer und Frauen behutsam, gelangweilt oder verärgert in ihren Betten auf und diskutierten, was schiefgegangen war, wer die Schuld trug, wie man wieder „in die Spur kommen“ und ob man es heute noch einmal probieren oder einfach der Müdigkeit und NIedergeschlagenheit nachgeben sollte.“ (Seite 33)
Als Leser entdecken wir gemeinsam das Werk der Eltern und realisieren, dass wir immer die KInder ebendieser Eltern bleiben werden. Unsere Eltern drücken uns den Stempel des Lebens auf und diesen Stempel bekommen wir nicht von uns los, zumindest nicht in dem Fall, wenn sie ein Werk veröffentlichen, was die Welt kennt.
Meg Wolitzer beleuchtet nach und nach die Leben der vier Geschwister. Die Leben könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie entblättert die Charaktere und leuchtet die Lebenswege in voller Tiefe mit allen Sonnen- und Schattenseiten aus. Nach und nach widmet sie sich ihren Protagonisten und lässt uns Leser teilhaben. Sie erzählt von Leiden und Leidenschaft. Sie reflektiert die sexuellen Leben, die Arbeitswelt und jede Menge Probleme.
Claudia, Dashiell, Michael und Holly stellen sich Leben und Vergangenheit zugleich.
Autorin Meg Wolitzer vereint in ihrem Werk die großen Baustellen des Lebens namens Drogen, Krankheit, Liebe, Eifersucht und Fehltritte. Sie schreibt über Homosexualität, Scheidung, Schwangerschaft und über Sex.
Die Leben sind bunt – jedes Leben ist bunt und doch stellt sich nach den 13 Kapiteln die Frage: Ist weniger nicht manchmal mehr?
„Frauen schlafen mit Männern, um reden zu können, Männer reden mit ihnen, um sie ins Bett zu bekommen.“ (Seite 288)
Ich habe mich zwischen Wolitzers besonders langen Sätzen wohl gefühlt und doch gab es ein paar Pausen der Langatmigkeit. Doch immer wieder holt Wolitzer uns Leser zurück zwischen ihre Worte und besticht mit diesen.
„Die Stellung„ (Dumont) – ein Männerbuch? Auch diese Frage kommt beim Lesen auf, da viele Kapitel eher das Leben Michaels mit allen seinen männlichen Problemen beleuchten. Nein, es ist kein reines Männerbuch. Dieser Roman ist schlicht und ergreifend ein Roman über eine große Familie und deren verschiedene Leben. Wolitzer verziert diese Leben reichlich und hüllt diese in lange Sätze mit vielen Schnörkeln. Es sind eindringliche Schnörkel die sich unter die Leserhaut bohren und die sich einbrennen dürfen.
Lasst euch einfach auf diese Werk ein und stellt euch vor, dass es eure Eltern sind. Dann werden euch die Worte der Autorin treffen und ihr werdet auf Wellen der Emotionen schwimmen und nicht nur einmal die Stellung wechseln…