Schlagwort: Lasha Bugadze

Lucrecia515

Lucrecia515
Lucrecia515 ~ Lasha Bugadze

Außen pfui, innen hui, denn mal ehrlich, dass Cover ist nicht wirklich prickelnd. Mich hat es nicht zum Zugreifen eingeladen, aber dafür die Tatsache, dass der Roman neben Martin Büttner von Nino Haratischwili übersetzt wurde und aus der Feder von Lasha Bugadze (Frankfurter Verlagsanstalt) stammt. Ihr erinnert euch an den Literaturexpress?

Nun bin ich begeistert, denn der Autor erreichte mich mit diesem Roman und ich möchte ihn euch ans Herz legen.

Sandro ist ein richtiger Lebemann – jedenfalls in Sachen Frauen. Er ist verheiratet mit Keti, hat einen gesunden Sohn und einen sicheren Job, als Mitbesitzer einer großen Fabrik. Ihm fehlt es nur an Sex, an Sex mit mehreren Frauen. Schon vor Keti hatte er diverse Bettbekanntschaften, Liebeleien, schnelle Vergnügen und geheimnisvolle Treffen. Er sucht die Befriedigung, er möchte immer neue Abenteuer, er hat eine ausgesprochene Neigung zur Polygamie. Oft beginnen diese mit einer SMS: Wollen wir zusammen Tee trinken? … Mit etwas musste man ja anfangen. (Seite 5)

Ana.

Ana hatte sich schon früher dabei ertappt, eine fast schon sexuelle Befriedigung bei der verbalen Schmähung von Männern zu verspüren – umso stärker war dieses Gefühl im Fall eines Koteletten tragenden, eitlen Alphatiers wie Sandro. Und dennoch war es unübersehbar, dass sie sich bereits in ihn verguckt hatte (sie hatte ja schon immer gesagt, dass es unmöglich war, mit einem Mann zu schlafen, ohne sich auch nur ein klitzekleines bisschen in ihn zu verlieben), aber bisher gestand sie das nicht einmal sich selbst ein: Denn es war ratsamer, sich mit verantwortungslosem Sex und einem streng reglementierten Bündnis zufrieden zu geben – denn auf die Verliebtheit würden unweigerlich Probleme und Tränen folgen, der Versuch, den Kontext zu verändern, und sie würde in einen ermüdenden Krieg hineingezogen werden. (Seite 83)

Lucrecia515

Dieses Zitat soll euch ein wenig den Klang des Romans spüren lassen, die Tiefe fühlen und Ana und Sandro vorstellen, wenn auch nur ganz grob. Sandro beginnt sich in Ana zu verlieben und widmet sich ihr intensiver, ungefähr so intensiv wie damals seiner Ehefrau Keti. Im Vergleich zu Keti hat Ana 12 Vorteile, aber auch 14 Nachteile – aber egal wie, er findet Befriedigung.

Lucrecia515
Lucrecia515 ~ Lasha Bugadze

Keti ist zwar naiv, aber nicht komplett blöd. Sie merkt, dass Sandro mal wieder anders ist und scheinbar mal wieder eine andere Frau trifft. Diesmal möchte sie nicht nur ausblenden, sondern auch wissen und lässt das Passwort herausfinden, um selbst lesen zu können, welche Worte ihr Mann verschickt.

Ihr könnte euch vorstellen, dass die Seiten beim Lesen nur so vorbeiziehen, wenn zwei Frauen miteinander in Kontakt treten und sich über den gleichen Herzmann austauschen. Es wird böse, es wird gut gemeint, es wird lustig und es tut natürlich auch weh. Lasha Bugadze unterhält uns auf über 300 Seiten vorzüglich. Sein Roman gleicht einer Komödie und die Tatsache, dass er als männlicher Autor seinen männlichen Charakter ganz schön aufs Korn nimmt, ist schon grandios. Als Leser dürfen wir oftmals schmunzeln, doch auch tiefgründig fühlen. Wir stehen allerdings wohl mehr auf der Seite von Keti, auf der Seite von Ana, weniger wohl aber auf Sandros Seite. Was für ein egoistischer Gockel – er kennt keine Grenzen und ist sich für keine Handlung zu schade. Für uns umso besser!

Mich hat der Autor Lasha Bugadze wirklich begeistert. Die Charaktere sind so ausgezeichnet – ihr werdet euren Spaß haben und auch wild den Kopf schütteln. Doch nicht nur die drei Hauptprotagonisten bleiben in Erinnerung, auch die besten Freunde, die 24-Stunden Nanny, wie auch die Mutter von Keti. Gute Unterhaltung durch und durch. Neben dem Inhalt ist der Aufbau ebenfalls gut gemacht. Die Kapitelüberschriften sind der rote Faden, wir lesen SMS und Chatverläufe und haben in Gedankenwelten Einblick. Das Schriftbild ist einladend und geht Hand in Hand mit dem Inhalt – mal locker und luftig, dann wieder kompakt.

Ihr werdet eure Freude haben und nun noch eine Frage an euch: Wollen wir zusammen einen Tee trinken? 🙂 

Eure
Lucrecia515

Der Literaturexpress ~ Lasha Bugadze

Der Literaturexpress ~ Lasha Bugadze
Der Literaturexpress ~ Lasha Bugadze

Seit Nino Haratischwilis Werk – ohja, ein richtiges Meisterwerk – ist mir Georgien sehr bekannt. Ich habe mich dort lesend über einen sehr langen Zeitraum aufgehalten. Gemeinsam mit meiner Leseseele bin ich gereist und habe mich dort im Land mit ihr so frei bewegt, als wäre es mein Zuhause. Für Brilka ~ Unsere Lesereise“ eine unvergessene Leseerfahrung, die nicht nur mich geprägt hat. In Georgien habe ich mich sehr wohl gefühlt, auch wenn ich nicht nur schöne, sondern auch viele harte Lebensseiten kennengelernt habe.

Es ist also völlig klar, dass ich Lasha Bugadzes Roman lesen muss. Nino Haratischwili hat zwar nicht ihre Autorenkraft in das Buch namens Der Literaturexpress (Frankfurter Verlagsanstalt) gesteckt, aber sie hat diesen übersetzt und welcher Übersetzerin soll man bitteschön vertrauen, wenn nicht Nino Haratischwili?

Ihr ganzes Feingefühl und ihr ganzes Übersetzerinnenkönnen wird in diesem Schatz enthalten sein.

Dieses Mal musste ich nicht meine Koffer packen und nach Georgien reisen, sondern ein Georgier macht sich auf den Weg nach Europa. Lissabon – so lautet die erste Station.

Einsteigen bitte…

Der Literaturexpress ~ Lasha Bugadze
Der Literaturexpress ~ Lasha Bugadze

Gemeinsam mit Zaza besteige ich den Zug. In den nächsten Tagen werden wir weit reisen und die Fahrt wird auf jeden Fall literarisch werden. Schließlich sitzen 99 Autoren mit uns im Schienenverkehrsmittel und arbeiten eifrig an ihren Worten. Quer durch Europa soll es gehen. In Madrid wird der Zug halten, um dann weiter nach Paris zu fahren. Wir werden Brüssel sehen, in Frankfurt und Malbork aussteigen. Kaliningrad und Moskau warten auf uns und auch Warschau und Berlin werden wir sehen. Große Städte, große Autoren, große Worte – es wird groß.

Doch kann es wirklich groß werden, wenn so viele Autoren in einem Zug sitzen? Ist da wirklich Literatur vorprogrammiert?

Gleich auf der ersten Seite finden wir einen Satz, der schon erahnen lässt, was auf den nachfolgenden 300 Seiten passieren wird.

„Erst teilte man mir mit, dass ich mit neunundneunzig anderen Autoren durch Europa reisen sollte, kurz darauf sah es so aus, als würden die russischen Bomben mich umbringen, und am Ende stellte sich heraus, dass ich nicht das Unschuldslamm war, für das Elene mich gehalten hatte.“ (Seite 7)

Zaza sieht sich nicht in der Lage zu schreiben. Überhaupt kommt er sich zwischen den emsig arbeitenden Kollegen überflüssig und falsch vor. Warum ist er überhaupt in diesem Zug? Nicht erst im Zug stellt er fest, dass er nicht der einzige Georgier ist. Zwiad ist auch im Zug – ein Lyriker – muss ich mehr sagen?

Mit diesen zwei Charakteren braucht Lasha Bugadze kaum weitere Protagonisten, denn es gibt viel zu erzählen. Der neue Alltag bietet so viel Platz für Ereignisse, komische Situationen und quere Gedankenströme, dass man denken könnte, dass für zwischenmenschliche Begegnungen und Gefühle kaum Platz ist.

Literaturbetrieb ~ Liebe ~ Lebensrhythmus…

Der Literaturexpress ~ Lasha Bugadze
Der Literaturexpress ~ Lasha Bugadze

Der Literaturexpress ist eine Art Spiegel der schreibenden Welt. Schreiben Autoren wirklich gern in solch großer Gesellschaft? Will jeder der beste sein? Wie verhält es sich mit Eitelkeit, Geheimnissen und Schreibtechniken? Kann jeder beim ersten Fingerschnippen losschreiben und sich in einem Text bis zum Galaabend in Berlin verewigen?

Zaza kann es auf keinen Fall – er beobachtet lieber das Publikum um sicher herum, verliebt sich in die schöne Helena aus Griechenland und beteiligt sich an themenreichen Diskussionen. Wer ist echt – wer spielt falsch?

Lesevirus – Schreibvirus – Selbstfindung – Rebellion – Sex – jede Menge bunte Gedanken um die literarische Welt, in einer realen Welt, in einer Literaturumgebung – die halbecht ist.

„Wenn man nicht anfängt zu hassen, dann kann man auch nicht aufhören zu lieben!“ (Seite 276)

Lasha Bugadze nimmt uns nicht nur mit in einen literarischen Zug voller Autoren und Buchgedanken, sondern er vereint in seiner Hauptfigur Zaza viele Facetten der 99 anderen Autoren. Er lässt tief blicken, greift ebenso nach der Oberfläche und wechselt völlig die Perspektive, in dem er uns verschiedene Tagebucheinträge präsentiert. Dabei sollten wir nicht vergessen, dass der Zug immer weiter und weiter fährt, das Leben sich dreht und jede Fahrt ein Ende hat…

Und das Ende? Mein Fazit in einem Wort? GENIESTREICH!

Eure
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