Der Literaturexpress ~ Lasha Bugadze
Der Literaturexpress ~ Lasha Bugadze

Seit Nino Haratischwilis Werk – ohja, ein richtiges Meisterwerk – ist mir Georgien sehr bekannt. Ich habe mich dort lesend über einen sehr langen Zeitraum aufgehalten. Gemeinsam mit meiner Leseseele bin ich gereist und habe mich dort im Land mit ihr so frei bewegt, als wäre es mein Zuhause. Für Brilka ~ Unsere Lesereise“ eine unvergessene Leseerfahrung, die nicht nur mich geprägt hat. In Georgien habe ich mich sehr wohl gefühlt, auch wenn ich nicht nur schöne, sondern auch viele harte Lebensseiten kennengelernt habe.

Es ist also völlig klar, dass ich Lasha Bugadzes Roman lesen muss. Nino Haratischwili hat zwar nicht ihre Autorenkraft in das Buch namens Der Literaturexpress (Frankfurter Verlagsanstalt) gesteckt, aber sie hat diesen übersetzt und welcher Übersetzerin soll man bitteschön vertrauen, wenn nicht Nino Haratischwili?

Ihr ganzes Feingefühl und ihr ganzes Übersetzerinnenkönnen wird in diesem Schatz enthalten sein.

Dieses Mal musste ich nicht meine Koffer packen und nach Georgien reisen, sondern ein Georgier macht sich auf den Weg nach Europa. Lissabon – so lautet die erste Station.

Einsteigen bitte…

Der Literaturexpress ~ Lasha Bugadze
Der Literaturexpress ~ Lasha Bugadze

Gemeinsam mit Zaza besteige ich den Zug. In den nächsten Tagen werden wir weit reisen und die Fahrt wird auf jeden Fall literarisch werden. Schließlich sitzen 99 Autoren mit uns im Schienenverkehrsmittel und arbeiten eifrig an ihren Worten. Quer durch Europa soll es gehen. In Madrid wird der Zug halten, um dann weiter nach Paris zu fahren. Wir werden Brüssel sehen, in Frankfurt und Malbork aussteigen. Kaliningrad und Moskau warten auf uns und auch Warschau und Berlin werden wir sehen. Große Städte, große Autoren, große Worte – es wird groß.

Doch kann es wirklich groß werden, wenn so viele Autoren in einem Zug sitzen? Ist da wirklich Literatur vorprogrammiert?

Gleich auf der ersten Seite finden wir einen Satz, der schon erahnen lässt, was auf den nachfolgenden 300 Seiten passieren wird.

„Erst teilte man mir mit, dass ich mit neunundneunzig anderen Autoren durch Europa reisen sollte, kurz darauf sah es so aus, als würden die russischen Bomben mich umbringen, und am Ende stellte sich heraus, dass ich nicht das Unschuldslamm war, für das Elene mich gehalten hatte.“ (Seite 7)

Zaza sieht sich nicht in der Lage zu schreiben. Überhaupt kommt er sich zwischen den emsig arbeitenden Kollegen überflüssig und falsch vor. Warum ist er überhaupt in diesem Zug? Nicht erst im Zug stellt er fest, dass er nicht der einzige Georgier ist. Zwiad ist auch im Zug – ein Lyriker – muss ich mehr sagen?

Mit diesen zwei Charakteren braucht Lasha Bugadze kaum weitere Protagonisten, denn es gibt viel zu erzählen. Der neue Alltag bietet so viel Platz für Ereignisse, komische Situationen und quere Gedankenströme, dass man denken könnte, dass für zwischenmenschliche Begegnungen und Gefühle kaum Platz ist.

Literaturbetrieb ~ Liebe ~ Lebensrhythmus…

Der Literaturexpress ~ Lasha Bugadze
Der Literaturexpress ~ Lasha Bugadze

Der Literaturexpress ist eine Art Spiegel der schreibenden Welt. Schreiben Autoren wirklich gern in solch großer Gesellschaft? Will jeder der beste sein? Wie verhält es sich mit Eitelkeit, Geheimnissen und Schreibtechniken? Kann jeder beim ersten Fingerschnippen losschreiben und sich in einem Text bis zum Galaabend in Berlin verewigen?

Zaza kann es auf keinen Fall – er beobachtet lieber das Publikum um sicher herum, verliebt sich in die schöne Helena aus Griechenland und beteiligt sich an themenreichen Diskussionen. Wer ist echt – wer spielt falsch?

Lesevirus – Schreibvirus – Selbstfindung – Rebellion – Sex – jede Menge bunte Gedanken um die literarische Welt, in einer realen Welt, in einer Literaturumgebung – die halbecht ist.

„Wenn man nicht anfängt zu hassen, dann kann man auch nicht aufhören zu lieben!“ (Seite 276)

Lasha Bugadze nimmt uns nicht nur mit in einen literarischen Zug voller Autoren und Buchgedanken, sondern er vereint in seiner Hauptfigur Zaza viele Facetten der 99 anderen Autoren. Er lässt tief blicken, greift ebenso nach der Oberfläche und wechselt völlig die Perspektive, in dem er uns verschiedene Tagebucheinträge präsentiert. Dabei sollten wir nicht vergessen, dass der Zug immer weiter und weiter fährt, das Leben sich dreht und jede Fahrt ein Ende hat…

Und das Ende? Mein Fazit in einem Wort? GENIESTREICH!

Eure
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