Wart ihr denn schon in Sungs Laden?
Mir wurde der Laden von Frau Erler aus der Buchhandlung Findus ans Herz gelegt. Er sei lustig, vor allem sehr kurzweilig und vom Thema her ganz interessant. Ein kultureller Ausflug bei dem man schon sehr oft ins Schmunzeln kommt.
Ich muss sagen, dass ich schon vor ihrer Empfehlung bereits um das Werk geschlichen bin. Das Cover lädt zum Zugreifen ein. Es hat dieses besondere Etwas. Oder was sagt ihr? Also zögerte ich nicht lange und begab mich zu Sung…
Berlin. Prenzlauer Berg. Weltoffene Woche.
Ohne den Direktor und ohne seine Idee eine weltoffene Woche an der Schule zu veranstalten, wäre das alles nicht passiert. Jeder Bürger würde sein Berliner Leben führen, nicht ausbrechen und auch keinen Gedanken daran verschwenden, sich mit der vietnamesischen Kultur näher zu beschäftigen. Doch es gibt den Direktor und die Idee und so kommt es, dass Sungs Sohn seine Großmutter befragte, was er seinen Mitschülern aus Vietnam zeigen könnte. Die Vorstellung mit der Holzpuppe, in der Aula der Schule, war der Anfang einer großen Völkerfreundschaft, der Anfang einer Holzpuppenwelle der Begeisterung.
Auf diese Welle sprang ich auf und schwamm durch das Berliner Viertel, welches sich in ein Viertel des Multikulit verwandelte. Mit Sung an meiner Seite tauchte ich in die Geschichte der vietnamesischen Gastarbeiter in der DDR ein, von der ich peinlicher weise recht wenig Wissen hatte. Die ersten Seiten flogen nur so dahin und war offen für die deutsch-vietnamesische Begegnungsstätte namens Prenzlauer Berg. Eine bunt fröhliche Welt entsteht, ein Märchen nimmt seinen Lauf und regt zum kritischen, aber auch offenen Nachdenken über die Kulturen und das Zusammenleben an.
„Er lernte liebend und liebte lernend. Er war glücklich.“ (Seite 117)
Vorweg sei gesagt, dass man sich als Leser zu Beginn des Werkes bewusst sein sollte, dass es sich hier um eine Utopie handelt. Vielleicht ist es an dieser Stelle hilfreicher, diesen Gedanken während des Lesens immer wieder zu aktivieren und vor Augen zu halten. Wer sich nicht auf das Werk unter diesen Bedingungen einlassen kann, wird mit einer wohl sehr zwiespältigen Meinung das Werk zu klappen. So ging es mir, wie ich gestehen muss.
Karin Kalisas Roman „Sungs Laden„ (C.H. Beck) ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil hat mir am besten gefallen und ich hätte nie in den nächsten Teil wechseln wollen. Anfangs hat er mir noch recht gut gefallen, doch es fiel mir schwer, mich von Sung stellenweise zu trennen und in andere Leben und deren Alltag umzusiedeln. Die kurzgeschichtenartigen Kapitel machten mir zu schaffen, ich konnte mich nicht so schnell auf andere Charaktere und deren Welt einstellen. Merkwürdigerweise habe ich diese Probleme sonst nicht, aber scheinbar wollte ich Sung nicht missen und lieber mehr von ihm, als von anderen Figuren wissen. Die Utopie brach zudem von allen Seiten herein und steigerte meine zunehmenden Leseunzufriedenheit, gegen die ich immer wieder ankämpfte.
„Aber sie trafen einander sooft es ging, um sich zu spüren. Denn ohne einander spürten sie sich nicht. Wenn sie einander spürten, spürten sie auch ihren Schmerz. Aber es war besser, sich im Schmerz zu spüren, als sich nicht zu spüren.“ (Seite 36)
Und doch hat mich Karin Kalisas Roman, den ich lieber als Erzählband betiteln möchte, aufmischen können. Die vielen einzelnen Stränge im Zusammenspiel mit kultureller Verbindung, sind hochaktuell und beginnen im Inneren des Lesers zu rütteln. Es wird geträumt, die Gedanken reisen und kreisen, aber auch Ratlosigkeit macht sich breit.
„Der Lack war eingetrocknet wie ihr Liebesleben, in dem sie mit seiner Hilfe Akzente hatte setzen wollen.“ (Seite 199)
Ich selbst identifiziere mich sehr gut mit der balancierenden Frau auf dem Cover. Ich schwanke mit meiner Meinung zum Werk und bin unschlüssig, ob es mir gefallen hat oder nicht. Seitenweise wurde ich mitgerissen von Worten aus der Feinkostabteilung, allerdings wurde ich auch seitenweise ausgebremst von Worten mit Langeweileglasur. Nun freue mich auf die Lesung von Karin Kalisa am 10. Dezember in der Buchhandlung Findus und bin gespannt, ob sie mich auf dem Seil weiter nach vorn oder eher nach hinten balancieren lässt.
Ich bleibe auch nach deinen Worten schwankend…. mal sehen, ob ich es lesen werde oder nicht…. LG…
Hast du es schon da? Komm am besten am 10.12. mit zur Lesung. 🙂