Wenn ihr wissen wollt, welcher historische Roman mein Leserherz bereits eroberte, als er noch in losen Blättern vor mir lag, dann solltet ihr hier weiterlesen.
Brigitte Riebe hat mich unglaublich fest um ihren Schreibfinger gewickelt und das nicht nur, weil im Roman Bini, also ich, auf Bini (auch ich) trifft. Ja, ihr habt richtig gelesen, ich bin im Roman sozusagen verankert und glücklich über die gelungene Protagonistenrolle.
Eine regelrechte Gänsehaut überkam mich, als ich meinen Namen auf der ersten Seite erblickte. Im Jahr 1528 findet sich Binea an der Seite von Susanna in Wittenberg wieder. Bettelarm, ohne Bleibe und nach dem langen Fußmarsch mehr als kraftlos. Das Stehlen ist der einzige Ausweg der beiden Frauen, denn Susannas Singstimme ist gebrochen. Zeichner Jan Seman bringt die ehemaligen Nonnen aus dem Kloster Sonnenfeld nach dem Versuch ihn zu erleichtern, nicht an den Pranger, sondern ins Schwarze Kloster zu Katharina von Bora und ihrem Mann Martin Luther.
Katharina kann als ehemalige Nonne gut nachempfinden, wie es Binea und Susanna ergeht. Sie sollen sich im Haushalt beweisen, um sich ihre Bleibe zu sichern. Während Binea die Gegend erkundet und auf einen geheimnisvollen Mann trifft, verschanzt sich Susanna lieber hinter den dicken Klostermauern. Ihre Gedanken kreisen ohne Stillstand um ihre Vergangenheit. Eine Vergangenheit die durch ihre gebrochene Singstimme spürbar und hörbar ist und sie wie ein Schatten verfolgt.
Marlein, fast noch ein Kind, verdingt sich im Frauenhaus bei Griet als Hübschlerin. Sie warnt sie vorm übelriechenden Chef des Hurenhauses, den Patron, den Mann mit der Maske. Er hütet ein schreckliches Geheimnis und Griet hüllt sich vor Angst in Schweigen. Marlein allerdings ist noch mutig…
Lucas Cranach der Ältere erhält einen geheimnisvollen Auftrag von einem Mann, der sein Gesicht mit einer Maske bedeckt. Er soll ein Nacktportrait von drei jungen Frauen anfertigen. Seine rechte Gesellenhand und Frauenheld Jan Seman, soll diesen Auftrag erfüllen und die drei benannten Frauen zum Modellstehen überreden. Sein Talent fruchtet und Margaretha lässt sich zeichnen. Wenige Tage später wird sie tot aufgefunden. Auch die zweite Frau die sich vor ihm enthüllte und bildlich festhalten ließ, wird nur noch unlebendig gefunden. Jan Seman ist verzweifelt, denn er ist der Hauptverdächtige.
Binea trifft sich heimlich mit ihrem schwarzen Raben, der sie liebevoll Eule nennt und verliert ihr Herz an den geheimnisvollen Mann mit der Maske, während Susanna sich in den Zeichner Jan Seman verguckt. Sie ist von seiner Unschuld überzeugt und stellt sich als Lockvogel zur Verfügung, als sie erfährt, wer die dritte Frau sein soll. Sie kann nicht verantworten, dass Katharina von Bora etwas zustößt und begibt sich wagemutig in Lebensgefahr.
Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, denn Jan wird verhaftet und es bleibt wenig Zeit seine Unschuld zu beweisen. Wird Susanna den Mörder, welcher gleichzeitig das Gemälde der drei Grazien in Auftrag gegeben hat, finden? Wer ist der Mann mit der Maske? Schwebet Binea in Lebensgefahr?
Brigitte Riebe ist es mal wieder gelungen, mich durch und durch zu begeistern. „Die geheime Braut“ (Diana Verlag) ist ein Meisterwerk und Brigitte eine wahre Meisterin der Worte. Sie findet genau die richtigen Zutaten für ihr kriminalistisches Geschichtsbrot, deren Seitenscheiben sie köstlich ausbreitet und den Leser nachhaltig verköstigt. Ja, ich schwärme in den höchsten Tönen, denn die Autorin wandelt faden Geschichtsstoff in reichhaltigen.
Den Schwerpunkt des Romans bildet das Gemälde „Drei Grazien“. Gleich auf der ersten Seite des Romans erblickt der Leser die drei nackten Frauen – Aglaia, Thalia und Euphrosyne. Das eindringliche Gemälde begleitet die Lesergedanken bis zur letzten Seite, auf der es nochmal abgebildet ist.
Als Geschichtsmuffel ist dieser Roman ein Hochgenuss, denn er hält nicht nur spannende Lesestunden bereit, sondern bringt eine riesige Portion Wissen mit. Neben wenigen fiktiven Charakteren, lässt die Autorin viele Persönlichkeiten die Hauptrollen übernehmen. Neben Reformator Martin Luther und Maler Lucas Cranach dem Älteren, ist auch Reformator Philipp Melanchthon vertreten. Anhand ihrer Wort spürt man als Leser, wie tief sich Brigitte in der Lutherstadt Wittenberg in die Recherchen begeben hat. Nicht nur das private und öffentliche Lutherleben, wird von ihr tiefgründig beleuchtet, sondern auch die Malerei in den Zeiten der Renaissance.
Brigittes Leser wissen, was sie jedes Mal erwartet. Uns ging es mit ihrem Romanen „Die Pestmagd„ und „Feuer und Glas„ ganz genauso. Ich bin geplättet von der Wortgewalt, der historischen Frische und Lebendigkeit. Jeder der Protagonisten wird ins Handlungsgeflecht so eingebunden, dass er sich in der Lesererinnerung verankert, mag die Nebenrolle auch noch so klein sein. Die Charaktere sind so fein gezeichnet, wie das Gemälde um das es sich im Roman dreht. Jeder Pinselstrich sitzt und auch die Farbtöne könnten nicht besser gewählt sein. Mir sind neben der Bini, die wirklich oftmals so handelt und so fühlt wie ich im wahren Leben, die anderen Frauen ebenso sehr ans Herz gewachsen. Vor allem die kleine wilde Hübschlerin Marlein 😉
Leseliebhaber des historischen Genres sollten an der geheimen Braut nicht vorbeilesen. Geschichte, Liebe, Spannung und eine facettenreiche Handlung, welche bildlich vor den Augen des Lesers erblüht, erlebt man als Leser. Grandios ist das wohl richtige Wort!
Die Aufmachung des Romans bekommt noch einen dicken Extralobbonus. Neben dem wundervollen Cover und der bereits erwähnten Zeichnung, ist der Roman in drei Bücher (Aglaia, Thalia und Euphrosyne) gegliedert. Drei Handlungsstränge durchziehen die über 400 Seiten und am Ende befindet sich neben dem Epilog, ein reichhaltiges Nachwort zu Begebenheiten und Charakteren. Ein besonderer Extrabonus, der das fehlende Lesebändchen, welches in weiß oder weinrot sehr gut passen würde, wettmacht.
Für Geschichts- und Lesemuffel gibt es den Roman auch in Hörbuchform. Ich selbst habe den Roman gelesen und das Hörbuch gehört – persönliche Premiere 😉
Vielen Dank Brigitte für diesen grandiosen Roman und das du mich für eine Rolle im Roman erwähltest. Ich bin überglücklich und gerührt!
Besonders geehrt fühle ich mich persönlich natürlich über die Danksagung:
Zur Gestalt der Bini (Binea) hat mich eine reale Person mehr als inspiriert. Bianca Raum – die zauberhafte Bini und Teil des unvergesslichen Doppels Literatwo.
Zur Abrundung des Artikels möchte ich euch den O-Ton, den mir Brigitte persönlich schrieb, nicht vorenthalten:
Bini ist meine persönliche Lieblingsfigur dieses Romans, wahrscheinlich weil mich eine Bini in Fleisch und Blut dazu inspiriert hat – du.
Persönlich sind wir beide uns erst einmal begegnet und doch habe das Gefühl, dich von deinen Postings und unserer Korrespondenz her sehr gut zu kennen. All diese Impressionen sind für mich in die Figur der Bini eingeflossen. Bini ist für mich die große Liebende ohne Vorbehalte, die weder urteilt, noch verdammt, sondern ihr Herz dem „Raben“ schenkt, weil er sie fasziniert und weil sie seine innere Not spürt. Ja, man könnte sie vielleicht „naiv“ nennen, weil sie ihr Leben im Kloster verbracht hat und nicht viel über die raue Wirklichkeit da draußen weiß, doch dieses Urteil greift viel zu kurz. Nicht umsonst leitet sich ihr Name von „Binea“ – Gottesgeschenk – ab, das die frommen Schwestern dem kleinen Bündel an der Klosterpforte gegeben haben. Und sie lagen sehr, sehr richtig damit. Auch Bini gerät ins Zweifeln, als sich alles gegen „ihren Raben“ zu verdichten scheint, aber sie bleibt bei ihrer inneren Standhaftigkeit und findet wieder zu sich – und zu ihm zurück.
Weil sie hell und dunkel annehmen kann, ohne sich zu fürchten, hilft sie auch ihm, das Helle und das Dunkle in sich zu verbinden.
Erst dachte ich, das ist mal wieder nichts für dich. Aber das Gemälde als Ausgangspunkt lässt den Roman in einem Licht erscheinen, welches mir vielleicht den Weg zum Lesen erhellt.
Der Hammer aber ist, dass Binea so direkt zu diesem Buch gehört. Und umgekehrt. Toll. Gratulation.
Die Ausgangssituation ist sehr gelungen… Historikwrin schreibt History… anderes muss man nicht zu Brigitte sagen. Sie hat was zu erzählen, sie kann erzählen und sie bindet Leser ein… aber so direkt eingebunden ist man fürwahr selten…
Lesenswert…