Meine Buchhändlerin des Vertrauens Annli Erler hat mir gefühlt bei jedem Besuch in der Buchhandlung ans Herz gelegt, dass ich doch endlich mal „Ein Mann der Kunst“ von Kristof Magnusson lesen soll. Sie schwärmt von seiner Schreibe und natürlich hat mich das neugierig gemacht, aber das Verlassen der buchigen Komfortzone ist auch nicht immer einfach. Manchmal stelle ich mich da tatsächlich etwas an und muss über mich lachen, wenn die Hürde überwunden ist und ich zwischen den Seiten klebe. Kunst ist jetzt nicht mein Lieblingsthema, wenn ich an die Schulzeit denke, dann fallen mir nur schlechte Noten und Kritik ein. Dabei ist man als Künstler:in doch angeblich so frei?! Also gut, ich lass das Thema und merke an, dass mir „Ein Mann der Kunst“ sehr viel Lesefreude bereitet hat.
Ein Mann der Kunst
Bevor Autor Kristof Magnusson seinen Leserinnen und Lesern den Museumsförderverein mit seinen sehr unterschiedlichen und charakterstarken Mitgliedern vorstellt, stellt er Constantin Marx vor. Er ist der Sohn der Vorsitzenden des Fördervereins und gerade auf einer Baustelle, als seine Mutter Ingeborg ihn anruft und bittet, sie bei der Sitzung zu vertreten. Ein sehr wichtiger Termin, denn es geht um den Museumsneubau. Die Referentin vom Kulturministerium in Berlin und auch Geldgeber vom Finanzministerium sind extra für den wichtigen Termin angereist. Constantin kann nicht glauben, was seine Mutter von ihm verlangt, zumal sie die Vorsitzende ist und für den Neubau brennt. Schließlich soll dieser dem Künstler KD Pratz gewidmet werden, dem Mann, den sie schon immer anhimmelt. Sie liebt seine Kunst und ihr größter Traum würde wahr werden. Constantin stellt sich der schweren Aufgabe. Allerdings sind nicht alle Mitglieder des Fördervereins KD Pratz Fans und haben anderen Ideen für den Neubau. Ein Ausflug zum Künstler, der in einer Burg am Rhein wohnt, soll für Begeisterung und schließlich für Einstimmigkeit sorgen.
Was einfach klingt, wird zum unvergesslichen Abenteuer, denn KD Pratz hat schon seit Jahren den Menschen in seiner Umgebung den Rücken gekehrt. Er möchte seine Ruhe, sein Leben führen und natürlich auch keinen Besuch. Der hoch angesehene Künstler ist wortkarg und menschenscheu und als der Reisebus aus Frankfut am Main vor seiner Burg vorfährt, ist von ihm keine Spur zu sehen. Der Wochenendausflug vom Museumsförderverein wird zur Katastrophe und eine regelrechte Zerreiß- und Geduldsprobe für alle Beteiligten.
sozial ~ social media
„Früher war mal sozial. Heute ist man social media. Wer hat denn noch die Konzentration, sich ein Bild wirklich anzusehen? Nicht nur ein Foto machen, posten und dann weiter?“ (Seite 57)
Eines meiner Lieblingszitate aus dem Roman und ich habe mich tatsächlich auch sehr ertappt gefühlt. Kristof Magnusson hat mich nicht nur richtig gut unterhalten, er hat mir sogar die Kunst wieder etwas näher gebracht.
Überspitzer Ausflug in die Kunstszene
Gut, dass ich die Komfortzone verlassen habe, denn der Roman „Ein Mann der Kunst“ (Verlag Antje Kunstmann) ist wirklich herrlich, regelrecht komisch. Zudem hat er so lustige, aber auch erschreckende Wendungen, dass mir teilweise der Mund beim Lesen offenblieb. Aber richtig toll ist, dass sich der Roman so echt anfühlt, so wahr und die Charaktere so speziell sind, tatsächlich wie im echten Leben. Natürlich schreibt Kristof Magnusson sehr überspitzt, aber dieses Grundgefühl ist mir bekannt, denn irgendwie haben alle Vereine so eine ganz bestimmte Schwingung.
Jedenfalls ist die Kunstszene im Buch ein echtes Abenteuer und alle Charaktere lassen nach und nach ihre Masken fallen, auch der angesehene Künstler KD Pratz. Es ist herrlich zu erleben, wie Seite um Seite die Lebens-Leinwände sichtbarer werden. Gleichzeitig gibt es immer wieder neue Überraschungen, was die Wandlung in den Verhaltensmustern der Figuren betrifft. Vor allem musste ich über Ingeborg lachen, die KD Pratz jahrelang verehrte und dann sogar einen Streit mit ihm anzettelt. Oder Museumsdirektor Michael Neuhuber, der es immer schafft, sich in den Mittelpunkt zu stellen und viele Situationen für sich auszulegen weis. Auch Millionär Herbert von Drübber ist nicht zu verachten, er wird heimlich „das Einstecktuch“ genannt oder auch die Hansens. Eine sehr durchmischte Gesellschaft, eine millionenschwere Reisegruppe aus unterschiedlichen Branchen, die sich in ein Kunstwochenende flüchtet.
Künstlerische Unterhaltung
Es wird politisch, es wird gestritten und der Groll aus jahrelanger Einsamkeit und Scheu bricht auf. Von emotional bis bockig und kratzbürstig ist alles dabei. Meinungen prallen aufeinander, die Gegenwart wird mit der Vergangenheit konfrontiert und andersrum und es werden nicht nur Bilder gerade gerückt, sondern auch verschoben und gewässert. Am Ende gibt es dann tatsächlich eine Ebene, die dem recht neutralen Constantin Marx zu verdanken ist. Vielleicht ist das Gemälde schlussendlich auch etwas zu glatt.
Fakt ist aber, dass der Ausflug in die Kunstszene einfach herrlich, irgendwie verschroben und sehr aufheiternd ist. Mir hat die Fahrt zu KD Pratz sehr gefallen und ich habe viel über die Kunstszene, vor allem aber über menschliche Verhaltensmuster gelernt.
Pure künstlerische Unterhaltung auf Lebensleinwänden.