Vor einiger Zeit fragte ich ganz spontan in die literatwoische Leserrunde, ob jemand gern den Roman „Operation Sarajevo – Am Vorabend des Ersten Weltkriegs„ (Gmeiner) von Heiger Ostertag für Literatwo lesen und rezensieren möchte. Es dauerte nicht lange, als sich Ro C Miller „mutig“ meldete. Kurze Rede, langer Artikel – ich sage DANKE und begebe mich an den Vorabend des Ersten Weltkriegs.
Bücher sind für mich ein Rückzugsort, ein Rückzugsort in eine Welt, die mich ablenken soll von der oft doch brutalen Realität und ihren Schrecken. In Büchern will ich eigentlich immer Gutes erleben, dabei geht es nicht darum die Augen vor dem hier und jetzt zu verschließen, sondern einfach die Fantasie auf Reisen zu schicken und Denkanstöße mitzunehmen.
Das ist der Grund warum ich ein wenig Bedenken hatte, mich auf das Buch „Operation Sarajevo“ von Heiger Ostertag einzulassen.
Der eigentliche Grund für die Bedenken war der Untertitel des Buches: „Am Vorabend des Ersten Weltkriegs“ könnte ich die beschriebenen Tatsachen gut händeln oder würde ich oft abbrechen müssen? Ich bin eindeutig gegen das Vergessen, aber ich weiß auch, dass ich nach eingängigen Schreckensgeschichten manchmal nicht so gut schlafen kann.
Ich las die ersten Seiten mit Bedacht und etwas flauem Magen, doch ich hatte gar keine Zeit an Angst und Schrecken zu denken und wurde sogleich positiv überrascht. Die leise Kriminalgeschichte beginnt mit drei Tagesmeldungen des 30.05.1914, sofort im Anschluss lernt der Leser Hauptmann Wedigo von Wedel kennen, der hoch erfreut über seinen ersten Alleinflug ist und dabei Augenzeuge eines Flugzeugattentats wird. Bei einer Flugschau über dem Flughafen Johannisthal wird eine deutsche Maschine offen beschossen, für den Piloten gibt es keine Ausweichmöglichkeit, seine Maschine ist empfindlich getroffen, es kommt zum Absturz, der Pilot ist tot.
Hauptmann Wedel wird im Folgenden damit betraut den Abschuss des Piloten aufzuklären. Der junge Offizier taucht ein in die Welt des Geheimdienstes und der Leser ist an seiner Seite, als Spion, als Aufklärer, als Verwirrter.
Das Unterfangen stellt sich gefährlicher dar als Anfangs angenommen und nach einiger Zeit verdeutlicht sich der Eindruck, dass es sich nicht nur um den Abschuss des Piloten handelt, sondern eine größere Sache im Zentrum der Ermittlungen steht. Es werden einige Anschläge auf den Hauptmann verübt und er wird Augenzeuge oft undurchsichtiger Ereignisse. Heiger Ostertag spinnt eine feine Geschichte, die mich sehr lange im Dunklen tapsen ließ, wer oder was hinter dem Attentat steckt oder was tatsächlich vor sich geht. Und ganz nebenbei findet auch die Romantik noch ihre Nische, die junge Dame, die das Herz des Hauptmannes erobert, ist sie vertrauenswürdig oder gar verantwortlich für die Geschehnisse?
Das Buch entführt den Leser in die Zeit kurz vor Ausbruch des 1. Weltkriegs. Es beschreibt neben den Ermittlungen und der Welt der Spionage auch sehr gut das Lebensgefühl der Vorkriegszeit. Es brodelt an vielen verschiedenen Schauplätzen und dennoch leben die Menschen, gehen zu Tanzveranstaltungen oder ins Kino. Es werden weder Angst noch Schrecken geschürt und dennoch spürt man ganz fein, dass sich die Welt bald verändern wird.
Ein wenig befremdlich wirkten auf mich die vielen militärischen Details von Fahrzeugen, Flugzeugen und Waffen und die Vielzahl an Personen, die oftmals leider hereingepresst wirkten.
Abschließend kann ich sagen, dass ich das Buch mit Spannung gelesen habe, dass es für mich nicht durchschaubar oder gar vorhersehbar gewesen wäre. Es hat mich dazu bewogen, den ein oder anderen Namen noch einmal nachzuschlagen, um ihn geschichtlich besser einordnen zu können. Es hat mich zufrieden zurück gelassen, obwohl nicht jedes Detail vollkommen aufgeklärt wird. Eine Geschichte, über die Geschichte, einmal anders gedacht.
Ich denke, ich werde mich in der „Potsdamer Affäre“ noch einmal mit Herrn Wedel verabreden.