Das Grandiose an der Leseleidenschaft ist, dass die Literatur ständig neue Überraschungen für uns Leser bereit hält. Die Literatur ist so bunt, so vielfältig, so voller Abenteuer und voller Leben, dass es kaum Dopplungen geben wird.
Als die liebe Bibliophilin fragte, wer Lust hat, bei einer Wanderbuchaktion mitzumachen, musste ich ihr gleich mein JA geben. Seitdem ich selbst zwei Wanderbuchaktionen gestartet habe, weiß ich, wie schön es ist, wenn der Roman nach Hause zurückkehrt ~ voller Leben, voller Notizen, voller Leseeindrücke. Ich selbst war sonst meist die Erstleserin und nun wollte ich das Abenteuer Wanderbuch von einer anderen Seite aus betrachten. Eine völlig neue Situation und zudem ein völlig neuer Autor. Anthony McCartens Werk „Liebe am Ende der Welt„ (Diogenes) durfte ich nun als 6. Leserin betreten. Bereits das kleine Päckchen an sich, war eine kleine Überraschung. Liebevolle Worte der vorherigen Leserinnen und nette Kleinigkeiten durfte ich mir ansehen.
Allzuviel möchte ich nicht vorweg nehmen, da die Bibliophilin natürlich einen Blogbericht über ihre Aktion verfassen wird. Auf den bin ich schon sehr gespannt.
„Man konnte die Zeit nicht totschlagen; wenn man das versuchte, dann schlug die Zeit einen tot, denn dann konnte man an nichts anderes mehr denken als an sie. (Seite 107)
Das Wanderbuch hat die Bibliophilin so gestaltet, dass am Anfang Worte von ihr zum Ablauf zu finden sind und was sie sich von den Lesern wünscht. Nach einigen Abschnitten stellt sie immer wieder Fragen an die Leser, mal zum Inhalt, mal zu Lesegewohnheiten und Büchern an sich. Absolut interessante Antworten konnte ich lesen und natürlich habe ich auch meine Antworten abgegeben.
Für die nächsten 360 Seiten ließ ich mich nun von Autor Anthony McCarten ins kleine Örtchen namens Opunake entführen. Mehr oder weniger ans Ende der Welt, denn Opunake liegt auf der Nordinsel Neuseelands. Entführen ist bei diesem Werk sowieso ein gutes Stichwort, den Hauptprotagonistin Delia Champan ist ähnliches widerfahren, denn nach der Arbeit wurde sie von zehn Außerirdischen auf ihr Raumschiff entführt. Doch sie wurde nicht nur entführt, sondern es passierte viel mehr. Delia ist seit ihrem Raumschiffaufenthalt schwanger und wird von den Einwohnern Opunakes ausgelacht.
„Ein Intellektueller ist ein Mensch, der in seinem Kopf eine ganze Welt aus Widersprüchen bewegen kann.“ (Seite 216)
Kein Mensch schenkt ihr Glauben, was wohl mehr als verständlich ist. Doch was ist, wenn plötzlich ein Kornkreis mit einer toten Kuh auftaucht? Doch was ist, wenn auf einmal ihre zwei Freundinnen ebenso schwanger sind und ebenfalls keinen intimen Kontakt mit männlichen Bewohnern hatten?
Die drei Mädchen geben vor allem drei Herren große Rätsel auf. Angelockt durch den Skandal forscht der Journalist Vic nach den richtigen Gründen, aber auch der Pfarrer möchte wissen, was den drei Jugendlichen passiert ist. Bibliothekar Phillip ist ebenso daran interessiert, wer vor allem der Vater von Delias ungeborenem Kind sein könnte. Er hat schon länger ein Auge auf sie geworfen und glaubt ihr die Geschichte mit den Außerirdischen nicht.
„Was sollen wir von dem Menschen halten, der sich selbst betrügt, der aus Furcht die Wahrheit verbirgt? Man soll kein moralisches Urteil über ihn fällen, doch für mich ist der Selbstbetrug ein Fehler. Wir sollten die Vorhänge aufziehen.“ (Seite 343)
Fest steht, dass dieser erste Ausflug in einen McCarten-Roman nicht der letzte war. Die bildliche Sprache ist wohl das Faszinierendste an seiner Schreibe. In seinem Werk vereint er den Neid, die Eifersucht und die Missgunst seiner weiblichen Protagonisten. Dabei sticht Delia besonders hervor. Die 16-jährige wirkt schon sehr erwachsen, ich hätte sie älter geschätzt. Vor allem die weiblichen Charaktere sind sehr gewöhnungsbedürftig, wachsen aber ungewöhnlich schnell ans Leserherz.
McCartens Werk ist einfach abgedreht, anders kann ich es nicht bezeichnen. Es ist von Dunkelheit durchzogen, in der es kaum helle Lichtblicke gibt. Ich fühlte mich beim Lesen umhüllt von einer dunklen Wolke.
Und doch war ich gern im Dorf am Ende der Welt, dem die Liebe abhanden gekommen ist. Trotz des Begreifens, wie der Roman sich entwickeln wird, blieb die Spannung aufrecht. Schuld daran sind die relativ klaren Unklarheiten, die jeder Leser für sich richtig aufklären muss.
Kurzfazit: Abgedrehte Story mit viel Tragik, gewöhnungsbedürftigen Charakteren, aber tiefem Blick zwischen die Zeilen. McCarten malt Bilder vor unseren Leseraugen, fesselt mit seinen Worten und zwingt zum Hinsehen.
Eure
Hört sich herrlich crazy an und ich sollte es im Auge behalten <3
Von McCarten kenne ich bisher nur „funny girl“, was ich sehr mochte. Seitdem liebäugele ich mit seinen Büchern, nur auf dunkle Wolken kann ich gerade nicht so. Bei so einem Wanderbuch habe ich auch zweimal mitgemacht. Eins war ein Sachbuch von einem, der ökologisch richtig leben wollte. Das war ganz interessant, wie die Gedanken der anderen dazu waren. Das andere weiß ich gar nicht mehr, da war ich als erstes dran. 😀
Sind die Fragen im Buch gestellt oder mit Klebezetteln? Irgendwie kann ich mir das platztechnisch überaupt nicht vorstellen.
Leo Hickman: Fast nackt: Mein abenteuerlicher Versuch, ethisch korrekt zu leben
Dafür sind Notizbücher und Statistikprogramme gut. 😀