Reden oder Schweigen?
Reden oder Schweigen?

Schweigen ist gold? Nein – „Schweigen ist Goldfisch (FISCHER Sauerländer), so heißt das richtig. Gemeinsam mit Anja von Zwiebelchens Plauderecke, habe ich mich über das Jugendbuch von Annabel Pitcher unterhalten.

„Schweigen ist Goldfisch“ – wie gefällt dir der Titel?

Den Titel des Buches fand ich gleich interessant. Überhaupt mag ich es, wenn Buchtitel vom üblichen Schema abweichen und so die Fantasie ankurbeln. Das Buch hat mir Sibylle auf der Messe ans Herz gelegt und ich hatte es vorher nur in schwarz-weiß gesehen. Dafür war der Klappentext einfach nur einladend.

Ich mag die optische Gestaltung des Covers, aber ich war dezent verunsichert, denn das Buch ist schon ein ganz schön dickes Ding, wenn ich das mal so sagen darf. Die Dicke hat sich aber schnell erklärt, denn die Schrift ist sehr groß und ich musste mich erst dran gewöhnen. Dennoch ist der Inhalt entscheidend und mich hat die Autorin sofort mit ihren Worten um den Lesefinger gewickelt. Wie ging es dir?

Es gab vor einer Weile schon einmal ein Buch mit dieser Art von Fischen auf dem Cover bei Hanser – „Glück ist eine Gleichung mit 7“ von  Holly Goldberg Sloan. Das Buch fand ich übrigens auch toll.

Der dicke Wälzer, der dann mit der Post eintrudelte, lies mich auch erst einmal tief Luft holen…doch ich denke, es liest sich rascher als manch dünnes Heftchen.

Tess findet bei ihrem Vater auf dem PC einen Blogeintrag, in dem es um sie geht. Ihr Vater ist nicht ihr Vater – wie hättest du an Tess Stelle reagiert?

Wie ich an Tess ihrer Stelle in dieser Situation reagiert hätte, kann ich so nicht sagen. Wahrscheinlich würde ich auch alles vorerst in mich hineinfressen. Es bricht einfach eine Welt über dir zusammen. Das ist, als würdest du aus heiterem Himmel erfahren, adoptiert worden zu sein. Da beginnt die Suche nach dir selbst und den eigentlichen Wurzeln.

Ja und dann hätte ich meine Mom darauf angesprochen.

Schweigen ist Goldfisch ~ Annabel Pitcher
Schweigen ist Goldfisch ~ Annabel Pitcher

Glaubst Du, Tess läuft wirklich davon? Hast Du jemals daran gedacht wegzulaufen?

Da ich das Buch schon gelesen habe, kann ich deine erste Frage nicht beantworten und ich mag unseren Lesern auch nicht sagen, was passiert. Ohja – ich glaube schon, das ich mal daran gedacht habe wegzulaufen. Es gab aber nie einen Grund, denn ich komme aus einem guten Elternhaus, wie man so schön sagt. Meine Mama ist meine Freundin und mein Papa vielleicht nicht Kumpel, aber eben mein lieber Papa. Aber ich wollte mal weg, denn die Pippi Langstrumpf hat mich dazu verleitet. Ich habe so gern die Filme geschaut und wollte auch in Fässern den Fluss entlang oder eine Villa haben in der ich den Wischeimer umkippen und dann auf Bürsten drüber schlittern kann. Hach. Da war so viel Freiheit, obwohl ich nie eingesperrt war. Vielleicht war es der Wunsch mal frech zu sein, ohne Grenze, ganz wilde und ohne zu denken. Pippi sein.

Pippi oder Annika

Und was ist mit dir?

Ich hatte nie einen Grund, um weglaufen zu wollen, ich bin eher wie Annika, manchmal vielleicht auch zu vorsichtig und hätte die ganze Zeit nur an meine Familie gedacht. Ich mag niemanden wehtun und meine Mom wäre vor Sorge umgekommen.

Aber ich gebe zu, mir öfter eine Freundin wie Pipi Langstrumpf gewünscht zu haben und wollte immer ein wenig wie sie sein.

Der erste Eindruck, die erste Begegnung zählt – war dir Tess sofort sympathisch oder musstest du dich erst an sie gewöhnen?

Tess ist kein einfacher Charakter. Sie ist vielschichtig, unsicher und ein kleines bisschen verdreht. Doch gerade das macht die Geschichte aus.
Es gab Momente, da hätte ich sie schütteln können, damit sie endlich ihr Schneckenhaus verlässt. An anderen Stellen wollte ich sie nur in den Arm nehmen. Gerade am Anfang fand ich sie schwer einzuschätzen. Gemocht habe ich Tess von Anfang an, aber bevor ich sie richtig in mein Herz geschlossen hatte, dauerte es.

Als ich klein war, habe ich oft mit meinen Kuscheltieren gesprochen. Meine Mom hat sich über diese Art der „Selbstgespräche“liebevoll amüsiert. Später habe ich dann meine Gedanken einem Tagebuch anvertraut. Ich liebe es noch immer, in Gedanken Texte zu formulieren und eine Art Kopfgespräch zu führen. Doch mit niemanden richtig reden zu können, mich mitzuteilen, würde mir sehr schwer fallen. Nach einer Weile würde ich mich sehr traurig und einsam fühlen.

Schweigen ist Goldfisch ~ Annabel Pitcher
Schweigen ist Goldfisch ~ Annabel Pitcher

Reden oder Schweigen

Tess  hört ja von einem Moment auf den anderen auf zu sprechen. Gespräche finden nur noch in ihrem Kopf statt.
Könntest du dir vorstellen, wie Tess, über eine längere Zeit das Reden einzustellen und nur noch über Gestik oder Mimik mit deiner Umwelt zu kommunizieren?

Das ist eine schwere Frage. Ich rede ziemlich gern und viel und lache so viel wie möglich und ebenso gern und ich glaube, dass es mir verdammt schwer fallen würde. Bei Tess ist das Schweigen eine Art lauter Schrei nach Aufmerksamkeit. Ein stummer Protest – das plötzliche Anderssein, Schockstarre. Wenn mir das Widerfahren wäre, was Tess widerfahren ist, dann würde ich sagen, dass ich es mir vorstellen kann. Sie will damit ausdrücken, dass sie verletzte ist, ihre Enttäuschung auf stummen Weg zeigen und nicht mehr mit dem Verursacher sprechen. Sie weitet die Stummheit auf alle Mitmenschen aus – ich glaube, ja, ich könnte das auch so. Aber es ist sicher schwer, vor allem dann, wenn man Fragen gestellt bekommt, die nahe am Problem dran sind.

Welchen Lesern würdest du das Buch ans Herz legen?

Lesern, die offen sind, sich unvoreingenommen auf Tess, ihre Sichtweise auf das Leben und sich selbst einzulassen. Ihr dürft nicht vorschnell urteilen und solltet versuchen, Euch voll und ganz in Tess zu versetzen.

Hast du ein Lieblingszitat und wenn ja, warum magst du es?

„Seine Ängste kann man nur überwinden, indem man sich ihnen stellt. Wahrer Mut ist…“

Dieser Satz ist für mich eine Art Sinnbild der Geschichte und die Entwicklung, die Tess nimmt. Aber er steht auch dafür, dass wir im Leben viel erreichen können, wenn wir uns trauen, über den eigenen Schatten zu springen. Der zweite Satz bleibt unbeendet, so dass wir uns als Leser selbst eine Antwort geben können. Mut hat viele Facetten und in unterschiedlichen Situationen auch verschiedene Ausprägungen.

Zum Abschluss gebe ich dir einfach einmal deine Fragen weiter und bin gespannt auf deine Antworten.

Lauf nicht weg

Welchem Leser ich das Buch ans Herz legen würde und warum ich das folgende Zitat mag?

„Ich werde mich nicht länger vor der Wahrheit verstecken.“ (Seite 420)

Es gibt Bücher die vor Zitatmarkierungen überlaufen und es gibt Bücher wie dieses, was einfach kaum Markierungen hat, da es ein Jugendbuch ist, welches von den aktuellen Handlungen und Gedanken lebt. Das heißt nicht, dass es nicht tiefgründig ist. Sondern Tess und ihr Goldfisch holen uns Leser in ihre Welt und animieren uns nicht laufend das eigene Leben in das Buch zu projizieren.

Wir sollten uns alle nicht vor der Wahrheit verstecken und darum habe ich dieses Zitat ausgewählt. Auch DU nicht und genau aus diesem Grund lege ich es DIR ans Herz. Sei wie ein Goldfisch und schwimm dich ans Tess Seite durch den Roman. Tauch in ihre Welt – durch dunkles trübes Wasser in Richtung Oberfläche und schimmer, wenn dich der Sonnenstrahl im Wasser trifft.

Eure
literatwo_banner

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert