Braut
Die junge Braut ~ Alessandro Baricco

Muss man an Baricco herangeführt werden und sollte man seinen neuen Roman „Die junge Braut“ (Hoffmann und Campe) kennen?

Ich wurde an Baricco herangeführt und zwar über „Seide„, danach war ich „Ohne Blut“ und anschließend nahm ich die „Smith & Wesson“. Und obwohl ich schon knappe 40 Seiten im neuen Werk gelesen hatte, gelang es mir nicht, alleine darin zu bleiben. Keine Ahnung warum, es gibt keinen Grund, denn das Buch ist einfach stark. Merkwürdig aber wahr, auch hier wurde ich erneut an Baricco herangeführt. Danke Arndt – es ist dir erneut gelungen und nun kenne ich vier Romane aus der Feder deines Lieblingsautors.

Am besten lest ihr den Roman am Frühstückstisch. Dann seid ihr so ziemlich nah an der Familie dran, bei der ihr die nächsten 200 Seiten, gemeinsam mit der Braut, unterkommt. Das Frühstück wird nämlich zelebriert, aber nicht nur ein paar Stunden, sondern bis 15 Uhr. Ein tägliches Fest, also setzt euch und lernt in Ruhe die Charaktere des Hauses mit all ihren Geheimnissen kennen.

Vielleicht solltet ihr allerdings wissen, dass vier Regeln eingehalten werden müssen. Diese sind auch für die Braut recht wichtig. Unglück ist im Hause nicht erwünscht, die Nacht wird gefürchtet, da bisher immer alle Bewohner des Hauses nachts gestorben sind (also macht euch vorsichtshalber richtig schön, wenn ihr ins Bett geht) und bitte sucht keine Bücher im Haus, denn es gibt keine. Bringt also auch bitte keine mit oder versteckt sie gut und bitte achtet darauf, den herzkranken Vater nicht aufzuregen. Das war es auch schon.

Ihr werdet keinesfalls blasse Charaktere finden, wenn ihr das denkt. Das Cover muss so aussehen, denn die Großmutter belehrte die Braut einst mit den Worten: „Bewahre die Frau die du bist, in deinen Augen und im Mund, alles andere wirf weg, …wenn du unbedingt musst, verzichte auch auf die Augen, gewöhne dich daran, zu Boden zu blicken. Aber rette den Mund, …“ (Seite 43)

Braut
Die junge Braut ~ Alessandro Baricco

Alessandro Baricco schreibt wahnsinnig stark. Bariccokenner Arndt (Astrolibrium) lobt den Roman in unserem Whatsappschriftverkehr als ein extrem guter Baricco mit starken Bildern und Metaphern. Oh ja, ihr könnt euch auf so einige Bilder freuen und solltet auch seine Worte zum Roman kennen.

„Die Mutter schien zu ihr dieselbe Beziehung zu haben wie zu einem Schal, den sie sich über die Schultern geworfen hatte.“ (Seite 80)

Und vor allem auf die wundervollen Charaktere. Jeder hat eine besondere Art, eine eigene Geschichte und natürlich auch eine interessante Vergangenheit. Mehr möchte ich euch gar nicht verraten, denn jedes Vorgreifen würde die Überraschung zerstören, auch wenn es mir schwer fällt.

Doch ich möchte euch ein wenig vorwarnen. Baricco kann sehr erotisch schreiben und es warten so einige erotische und vor allem in ihrer Art recht extrem ungewöhnliche Situationen auf euch. Ganz langsam schleichen diese an euch heran und ehe ihr es begreift, steckt ihr schon mittendrin.

2000 Eindrücke auf 200 Seiten

Als ob die vielen Ereignisse, Eindrücke und Geschichten nicht genug sind, ist die Erzählart wahnsinnig gut. Bisher habe ich diese in noch keinem Buch vorgefunden. Die Erzählstimme wechselt unangekündigt, auch mal mitten im Satz. Was für ein grandioses literarisches Vergnügen. Wahnsinnig gut. Eine Aufteilung in Kapitel findet ihr nicht vor und das ist auch wirklich gut so. Ihr werdet schon merken, was ich meine.

Lasst euch auf Baricco ein, vertraut ihm, lernt die Familie und die junge Braut kennen und seid darauf vorbereitet, dass das Buch noch lange nachwirken wird, denn graue Stellen färben sich am Ende bunt.

Eure
Braut