Eins steht fest: Königskinder ist ein Lesehighlight vom aktuellen Jahr 2019. Aber ist Königskinder denn nicht ein Liebesroman und meide ich die nicht eigentlich? Meiden ist das falsche Wort – ich mag nur keine schnulzige, verkitschte, total rosarot durchzogene Bücher lesen. Diesen Roman hat allerdings Alex Capus geschrieben, da gibt es Liebe, aber eben die besondere Liebe. Bisher kenne ich seinen Roman „Léon und Louise“ und der hat mir sehr gefallen. 6 Jahre später greife ich nun zu „Königskinder“ (Hanser Verlag) und bin begeistert!
Schlagwort: Königskinder
Salz für See
Salz. Meer. Ruta Sepety
„Liebe ist die stärkste Armee“ – ihre Worte habe ich noch in den Ohren. Ihr Worte aus dem Roman „…und in mir der unbesiegbare Sommer„. Ich liebe dieses Buch und als ich sah, dass es ein neues Buch von ihr gibt, wusste ich, dass ich es unbedingt lesen muss. Ruta Sepetys hat mich damals sehr berührt und in eine dunkle und grausame Welt entführt, eine Welt die wir nicht erleben mussten und doch gab es in der Welt Hoffnung. Es würde mir wieder so ergehen, denn „Salz für die See“ spielt ebenfalls in der Kriegszeit. Auch ihr neues Buch ist ein Buch gegen das Vergessen, was an mir nicht vorbei gehen darf.
Mit einem einzigen Schuss komme ich im Buch an. Ein Schuss stellt mir die Menschen vor, die ich auf den nächsten knapp 400 Seiten begleiten werde. Menschen die sich in mein Herz brennen werden, die ich lieben werde, aber auch hassen.
PENG
Die Schuld ist ein Jäger. Flüchtlinge, darunter eine junge Frau namens Joana, eine litauische Krankenschwester, im Schneegestöber. Vor wenigen Tagen ist ein Junge zur Gruppe dazugekommen. Seine Omi ist einfach nicht mehr aufgewacht, er war allein. PENG.
Das Schicksal ist ein Jäger. Florian, deutscher Deserteur, er sieht Hitler als großen Feigling an, trägt wichtige Ware bei sich und sucht Schutz in einem Keller, denn er ist verletzt. PENG.
Die Schande ist ein Jäger. Ein weiteres Mädchen lerne ich kennen. Die Polin Emilia. Als sie sich gerade im Keller verstecken will, lauert ihr ein Soldat auf. Doch dann – PENG.
Die Angst ist ein Jäger. Alfred, der Deutsche, ein Tagträumer. Er schreibt ununterbrochen in Gedanken Briefe an seine große Liebe namens Hannelore. Der Matrose vergöttert sie und teilt ihr mit, wie es ihm als Matrose gerade ergeht. Er lobt seine Taten, hebt sich hervor und gibt sich heldenhaft. Die Realität sieht aber völlig anders aus, als in seinen nie richtig verfassten Briefen. PENG.
Die Flüchtlingsgruppe um Joana erweitert sich gezwungenermaßen um Emilia und Florian. Misstrauen liegt in der Luft, gepaart mit Angst und der lastenden Ungewissheit. Es gibt keine sicheren Unterkünfte, es herrscht Krieg und es gibt nur ein Ziel für alle und dieses Ziel trägt den Namen Wilhelm Gustloff. Ein Schiff als Rettung, ein Schiff was alle nach Kiel bringen soll, in schützende Sicherheit.
Hoffnung gleich null. Schon die Gruppe an sich ist in ihrer Konstellation dem Untergang geweiht. Ein Deutscher. Eine Polin. Ein kleiner Junge. Ein Schuster. Ein blindes Mädchen. Einige ohne Papiere. Es ist eiskalt und der Weg weit und…
…die Wilhelm Gustloff wird sinken.
Salz für die See
Das die Wilhelm Gustloff gesunken ist, ist kein Geheimnis und nimmt der Geschichte keinesfalls die Spannung oder die Tiefe. Ganz im Gegenteil, denn dieses Wissen lässt unser Herz beim Lesen noch schneller schlagen.
Die Protagonisten im fiktiven Roman von Ruta Sepetys wissen davon noch nichts und müssen das Schiff erstmal erreichen. Schon die ersten Seiten vibrieren vor Spannung. Nicht nur wir Leser lernen die benannten Personen kennen und erschrecken über den Schuss, sondern auch untereinander findet das erste Aufeinandertreffen statt. Kein Einfaches, denn es gibt sprachliche Barrieren und große Geheimnisse, die physisch und psychisch geschützt werden müssen und es gibt neben seelischen Wunden auch sichtbare.
Ruta Sepetys lässt uns Leser nicht am Rand stehen und zusehen. Nein, sie lässt uns miterleben und versetzt uns fast Seite für Seite in einen der Handelnden. Die Kapitel sind sehr kurz, überwiegend nur 2 bis 4 Seiten lang und tragen den Namen der jeweiligen Person. Der ständige Wechsel sorgt für überwältigende Emotionen und für eine ungeheuerliche Spannung die es regelrecht unmöglich macht, beim Lesen zu pausieren.
Wilhelm Gustloff
Autorin Ruta Sepetys hätte keine bessere Erzählweise finde können. Wir Leser erleben Joana, die Krankenschwester, die unermüdlich helfen möchte, aber erfahren muss, dass nicht immer geholfen werden kann. Wir lernen das Mädchen Emilia kennen. Die junge Polin, die auf dieser Flucht keine Polin sein darf und nicht nur eine Lüge in sich trägt. Wir begegnen Fahnenflüchtling und Restaurator Florian mit seinen Geheimnissen ums Bernsteinzimmer und wir werden nicht nur immer wieder mit Alfons und seinen gedanklich verfassten Briefen konfrontiert, sondern auch mit seinen wahren Erlebnissen.
Durch die Augen der vier Protagonisten lernen wir weitere Flüchtlinge kennen. Der kleine Junge, das blinde Mädchen Ingrid und der Schuh-Poet – mir wächst gerade ein Kloß im Hals, wenn ich vor allem an die zwei letztgenannten denke. Stark gezeichnete Charaktere mit plausiblen Lebensgeschichten berühren und lassen uns tief denken.
Nach diesem Roman hat sich das damalige Schicksal der letzten Kriegstage 1945 in Verbindung mit den Ereignissen auf und um die Wilhelm Gustloff bis unter die Haut gebrannt oder besser: gefroren.
Liebe & Hass
Die Liebe sollte immer größer als der Hass sein. Die Liebe muss größer als der Hass sein. Ruta Sepetys hat es erneut geschafft, einen Roman zu schreiben, der zwar fiktiv ist, dennoch eine Vielzahl an wahren Ereignissen in sich birgt. Auf keiner Seite wurde ich enttäuscht, sondern darin bestärkt, weiterhin zu ihren Büchern zu greifen. Meisterhaft holt uns Ruta Sepetys in der Gegenwart ab und bringt uns in die damalige Zeit zurück, als wären wir schon immer dort gewesen.
Ihr Roman erzeugte bei mir großen Redebedarf und ich musste mein Wissen teilen, was ich mir lesend angeeignet habe. Alles was ich im Geschichtsunterricht verpasste, hole ich mir aus solchen Büchern und zwar kinderleicht und unterbewusst. Dennoch gibt es, wie von Sepetys gewohnt, am Ende die puren Fakten in einem brillianten Nachwort. Zudem ist die Karte von 1945 und von heute im Bucheinband abgedruckt.
Pflichtlektüre – anders kann ich es nicht sagen. „Salz für die See“ wird mich noch lange bewegen und treibt mir auch einige Tage nach lesen der letzten Seite die Tränen in die Augen. Tränen vor Wut und Trauer, aber auch Tränen der Hoffnung.