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Tote Mädchen lügen nicht… Mit diesem zeitlosen Roman hat sich Jay Asher einen sicheren Platz in der ewigen Bestenliste von Literatwo erobert. Gespannt warteten wir nun auf sein neues Buch „Wir beide irgendwann“ und schon seit der Buchmesse in Leipzig konnten wir es kaum erwarten, uns der Frage zu widmen, was wohl passiert, wenn man via Facebook einen Blick in die eigene Zukunft werfen könnte.

Was würden wir sehen, was wollten wir sehen und was auf keinen Fall…? Wir haben uns diesem Roman von zwei Perspektiven aus genähert. Werfen wir zuerst einen Blick zurück und dann einen Blick nach vorne… Folgt uns einfach.

Binea:

1999 – ein Computer zieht in mein Jugendzimmer ein. Von AOL gibt es eine CD Rom, auf der steht, dass die ersten 100 Stunden Internetnutzung frei sind. Internet – endlich. Was war das für ein tolles Gefühl, auch Zuhause surfen zu können. Bisher kannte ich es ja nur aus der Schule. Also los, CD rein und eine Verbindung herstellen. Das Modem machte Knack- und Piepgeräusche und dann war es geschafft. Ich legte mir eine Emailadresse an und die Dame von AOL begrüßte mich mit „Willkommen“. An diese Zeit erinnere ich mich auf den ersten Seiten von „Wir beide irgendwann“ zurück.

Auch Emma geht es so, dass sie zum ersten Mal das Internet von ihrem Zimmer aus betreten kann, denn sie hat wie ich damals, 100 Freistunden. Stundenlang könnte sie also online bleiben, wären da nicht ihre Eltern, die sie davon abhielten. Absolut authentisch, denn mir ging es genauso. Meine Eltern baten mich ebenfalls, die Verbindung zu trennen, da sie sonst nicht telefonieren können. Ich zögerte den Moment so lange wie möglich heraus, da ich gerade die Chaträume von AOL entdeckte und zudem noch Emails versenden wollte.

Ein Facebook-Button begegnete mir allerdings nicht, Emma schon. Genau hier endet das gemeinsame Erlebnis, das ich mit der Protagonistin teilte. Emma kann nicht fassen, was sie gerade sieht. Sie entdeckt ihr Profil in der Zukunft. Ihr Nachbar und ehemaliger bester Freund Josh hat ihr die CD Rom mit den Freistunden geschenkt, er muss wissen, was es mit dieser merkwürdigen Seite auf sich hat. Sie möchte ihm die Seite zeigen und mit ihm darüber reden, was sie darauf gefunden hat. Genau sie, Emma Nelson Jones, wird in der Zukunft unglücklich sein, stellt sie anhand der Einträge fest. Ein Punkt der auf ihr lastet, ihr nicht mehr aus dem Kopf geht.

Sie findet Einträge von sich aus der Zukunft, liest sich alle Meldungen durch, die sie finden kann und blättert durch ihre Zukunfts-Fotogalerie. Emma kann es nicht glauben und auch Josh ist sprachlos fasziniert. Beide wollen das Geheimnis für sich behalten und vermuten, Klassenkameraden spielen ihr einen Streich. Die Onlinezeit wird durch die Eltern begrenzt und so können beide erst am nächsten Tag wieder auf das Facebook-Profil von Emma zugreifen.

Keine vierundzwanzig Stunden später stellt sich heraus, dass sich einige Statusmeldungen vom gestrigen Tag verändert haben. Die Zukunft scheint nicht, noch nicht, festgelegt zu sein und einige Ereignisse können anscheinend positiv wie negativ beeinflusst werden.

Mr. Rail:

So weit, so gut… Genau bis zu diesem Punkt waren wir gefesselt von der Ausgangssituation und in vielen Telefonaten haben wir unseren Gedanken freien Lauf gelassen und spekuliert, welche Irrungen und Wirrungen wohl noch auf Emma und Josh zukommen würden. Dabei hatten wir stets Jay Asher im Hinterkopf, da wir seit Tote Mädchen lügen nicht genau wussten, in welche Abgründe und Tiefen er abzutauchen vermag. Wir waren bereit zum Tauchgang… Wir waren es wirklich…

Doch schon früher als uns lieb war mussten wir feststellen, dass wir mit unseren Erwartungen ein wenig über die Realität dieses Romans hinausgeschossen waren. Die brillante Idee fand in ihrer Umsetzung lediglich dort ihren Niederschlag, wo es darum ging, jeden Morgen die „Zeitmaschine“ Facebook zu öffnen und auf der eigenen Profilseite lediglich die fokussierte Beziehungszukunft zu betrachten.

Allein eine Frage steht im Mittelpunkt: „Mit wem bin ich denn diesmal verheiratet?“  Und sollte einer der Einträge im Profil von Emma nicht den persönlichen Wünschen entsprechen, dann wird eben schnell durch eine Entscheidung im Jahr 1996 die Zukunft geändert. Dabei reicht es in der Theorie der Romankonstruktion aus, sich zum Beispiel klar und deutlich einzureden „Ich werde nie in London wohnen“, um einen möglichen Lebenspartner loszuwerden, der laut Facebook mal eben Emmas Geld für ein IPad ausgegeben hat.

Am nächsten Tag ist auf Emmas Profil von jenem Ehemann keine Spur mehr zu finden und die Geschichte entwickelt sich in eine andere Richtung, hin zum nächsten „unmöglichen“ Weggefährten, während die Zukunft von Emmas bestem Freund Josh sich weitgehend unverändert an der Seite des reichsten und tollsten Mädchens der gemeinsamen Schule vollzieht…

Unfassbar!

In Emma haben wir keine romantische und hoffnungsvolle Protagonistin gefunden, sondern eher eine von Neid und Egoismus angetriebene junge Frau, die nicht nur ihr Leben pausenlos verändern möchte, sondern auch Josh nicht ansatzweise sein persönliches Glück zu gönnen scheint. Kein Stoff für eine große Romanze oder gar eine Liebesgeschichte. Zumindest nicht für uns.

Augenscheinliche Oberflächlichkeiten geben den Ausschlag für jede Richtungsänderung und wenn Emma sich immer mehr der Frage widmet, was Josh eigentlich so anziehend macht, dann nur, weil sie seine Zukunft an der Seite einer so hübschen Frau nicht verkraftet. Der (eigentlich zu viel verratende) Romantitel „Wir beide irgendwann“ klingt dann immer mehr nach einer Drohung, als nach romantischer Fügung des Schicksals. Er klingt nach Emmas Drohung…!

Das größte Manko des Romans ist für uns allerdings das Ausblenden jeglicher gesellschaftlichen Veränderung in den 15 Jahren bis hin zu Emmas Facebook-Profil. Der Roman spielt eher im seichten Taka-Tuka-Land, als im von Wirtschaftskrise, Krieg und Terror (Nine Eleven) massiv veränderten Amerika. Jede Tiefe, die an jeder Stelle des Buches locker zu erzeugen gewesen wäre, bleibt auf der Strecke der seichten Oberfläche… Mehr als schade…

Ein einziger Schulfreund zum Beispiel, der den Weg in die Army gewählt hätte und im Jahr 2011 auf Klassenfotos eines Ehemaligentreffens nicht mehr auftaucht, hätte ausgereicht, die Handlung in einen plausiblen Kontext einzubetten. Die Tatsache, dass Emma auch nur auf ihrer Profilseite landet und es scheinbar keine Startseite gibt, auf der sie viel über das Leben des Jahres 2011 erfahren hätte, dient hierbei nur der besseren Oberflächenhaftung der Handlung.

So bleibt uns nur ein Fazit: Wer ein leicht und locker geschriebenes Buch im Stile einer üblichen College-Lovestory lesen möchte, dabei die grundlegende Idee einer virtuellen Zeitreise nicht unsympathisch findet und sich einfach mal nur unterhalten lassen möchte, dem sei der Griff zu „Wir beide irgendwann“ empfohlen. Ein durchaus schönes Sommerbuch!

Wer allerdings, besonders vor dem Hintergrund des Namens Jay Asher, mehr erwartet, der wird vielleicht so enttäuscht wie wir auf dem Weg zurückbleiben. Wenig Liebe, kaum wahre Gefühle, oberflächliche Romantik und eine weitgehend verpuffte Idee von einer Zeitreise via Facebook haben uns nicht überzeugt!

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